Bochum. In einem Kurs der Ambulanten Hospizarbeit Bochum lernen die Teilnehmenden, wie ein Mensch stirbt. Und Tipps gegen Hilflosigkeit.
Viele Menschen stehen dem Thema Tod fragend gegenüber, wissen nicht, mit dem Sterben eines Angehörigen umzugehen. Die sogenannten „Letzte Hilfe-Kurse“ der Ambulanten Hospizarbeit Bochum geben praktische Tipps gegen die Hilflosigkeit.
Ambulante Hospizarbeit Bochum bietet „Letzte-Hilfe-Kurse“ an
Jeder hier im Kurs bringt seine persönliche Geschichte mit dem Sterben mit. Gaby (64) hat hochbetagte Eltern, die ihr Leben bis jetzt gemeinsam meistern. Die 64-Jährige fragt sich, wie es weitergeht, wenn ein Elternteil stirbt und welche ihre Rolle dabei sein kann. Sie spricht von „Egoismus“, weil sie sich nicht vorstellen kann, auf Dauer in ihr Elternhaus zu ziehen. „Ich möchte den Begriff Egoismus mit dem Wort Selbstfürsorge ersetzen“, sagt Kursleiterin Cornelia Rüping-Streuer.
Denn neben dem sterbendem Menschen stehen im „Letzte Hilfe-Kurs“ vor allem die Ängste und Fragen der Menschen im Mittelpunkt, die zurückbleiben: Woran erkennen wir einen sterbenden Menschen? Was passiert beim Sterben? Was heißt Trauern? Warum sind Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht wichtig? Und wie kann ich das Leiden des sterbenden Menschen lindern?
Der „Letzte Hilfe-Kurs“, nach Idee des Palliativmediziners Georg Bollig, gibt Antworten auf diese und viele weitere Fragen. Er soll Gelegenheit geben, den Tod eines Menschen als einmaliges Ereignis genauer zu betrachten und Wissen über sinnvolle Sterbebegleitung vermitteln. Die acht Frauen, zwei Männer sowie die Kursleiterinnen Heide Großgarten und Cornelia Rüping-Streuer begegnen einander per Du, was die zugewandte Atmosphäre unterstützt.
Verständnis für das Sterben
Per Video zeigen die Kursleiterinnen, was beim Sterbeprozess körperlich vor sich geht, wie der Organismus zum Stillstand kommt. Gegen Ende ihres Lebens lehnen die Menschen jegliches Essen und Trinken ab. Mit gutem Grund: Die Zufuhr von Wasser oder Nahrung belastet den sterbenden Körper, dessen Organe die Arbeit nach und nach einstellen. Für Angehörige sei dieses Verweigern oft schwer zu akzeptieren, weil sie den Vorgang nicht verstünden, so Heide Großgarten. „Man stirbt nicht, weil man aufhört zu essen und zu trinken, sondern man hört auf zu essen und zu trinken, weil man stirbt“, so die Kursleiterin.
Die beiden gelernten Krankenschwestern mit jahrelanger Berufserfahrung in der Sterbebegleitung geben den Teilnehmenden praktische Tipps. „Oft haben sie kein Durstgefühl, sondern einen trockenen Mund. Darum ist es ganz wichtig, den Mund zu befeuchten“, so Großgarten.
Mit speziellen Schaumstoffstäbchen aus der Apotheke können Angehörige die Lippen und Mundschleimhaut des sterbenden Menschen mit Flüssigkeit benetzen. Welche Flüssigkeit er mag, kann ganz individuell sein. Auf dem letzten Weg könne auch Bier, Sekt, Cola oder Brause dem Menschen einen Wohlfühlmoment bereiten, erläutert Großgarten.
Eine wichtige Erkenntnis ist an diesem Tag, dass das Gespräch in der Familie über das Sterben und die Vorsorgevollmacht bedeutsam sind: Wo und wie möchte ich sterben? Wer soll für mich entscheiden? Was ist mir wichtig am Lebensende?
Letzte Hilfe-Kurse
Die nächsten „Letzte Hilfe-Kurse“ der Ambulanten Hospizarbeit Bochum finden statt: am 27. August und 19. November 2022 von 10 bis 14.30 Uhr.Weitere Informationen finden sich unter www.ambulante-hospizarbeit-bochum.de, eine Anmeldung ist unter 0234/8908100 oder per Mail an: info@ambulante-hospizarbeit-bochum.de möglich.Die Ambulante Hospizarbeit Bochum des evangelischen Kirchenkreises ist Partner im Palliativnetz Bochum, das viele kostenlose Angebote der Sterbe- und Trauerbegleitung bündelt: www.palliativnetz-bochum.de.
Die psychischen Prozesse beim Sterben könnten sehr unterschiedliche Formen annehmen, würden von Verleugnung, Wut über Depression bis hin zu Akzeptanz reichen – wobei kein stringenter Ablauf zu erwarten sei. Auch die Angehörigen seien in diese Gefühlslagen einbezogen. „Das, was der Sterbende mitmacht, macht der Begleiter auch etwas mit“, so die Kursleiterinnen.
Facetten der Trauer
Ebenso in der Trauer durchleben die Angehörigen verschiedene Facetten, die Heide Großgarten nach dem Modell der deutschen Trauerbegleiterin Chris Paul erläutert: „Trauer ist nicht das Problem, sondern die Lösung.“ Dabei changieren Trauernde zwischen verschiedenen Reaktionen, bei denen zum Beispiel ein Verbundensein mit dem Verstorbenen oder die eigene Überlebensmotivation im Vordergrund stehen kann.
Noch mitten in der Trauer befindet sich Edeltraud (68), die ihren Mann vor wenigen Monaten verloren hat. Sie leide darunter, dass sie in den letzten Stunden im Krankenhaus nicht recht wusste, was sie tun kann. Hier möchte sie in der Rückschau das Erlebte verarbeiten. Mit dem Wissen, was anders hätte laufen können, hat sie zu kämpfen. Sie weint viel. Trotzdem gehe es ihr nach dem „Letzte Hilfe-Kurs“: „ein bisschen besser“.