Bochum. Christel Kordt ist eine von 30 Sterbebegleiterinnen in Bochum. Sie betreuen Schwerkranke bis zum Tod. Eine ihrer Aufgaben: die Angst zu nehmen.
Viele mögen das kennen: Ein Baby schläft seelenruhig bei jeder Menge Lärm. Ist es aber plötzlich still, wird das Baby unruhig. "Auch wenn man schläft, merkt man, ob man alleine ist oder nicht", sagt Christel Kordt. Sie liest deshalb schlafenden Menschen Geschichten vor. Menschen, die bald sterben werden. Christel Kordt ist ambulante Sterbebegleiterin beim „Hospiz ZuHause“, einem Angebot der Evangelischen Kirche, das es seit 25 Jahren gibt.
"Wenn ich vorlese, haben die Menschen weniger Angst", ist sich Christel Kordt sicher. Das Ehrenamt übt die 72-Jährige seit sechs Jahren aus. Vorlesen ist dabei nur eines von vielen Dingen, die sie bei ihren meist wöchentlichen Besuchen macht. Zuhören, Hände massieren, Fotos anschauen und Spielen gehören ebenso dazu – je nachdem, was der Mensch noch kann oder wünscht." In Gesprächen geht es zum Beispiel um frühere, Interessen, den Beruf und Erlebnisse wie die eigene Hochzeit. Den Sterbenden ist es ein Bedürfnis, zu zeigen, was sie im Leben geleistet haben. Sie wollen nicht auf den schlechten körperlichen Zustand in der letzten Phase reduziert werden", sagt Christel Kordt.
Ausbildung nach Tod der Mutter
Sprechen möchten die Menschen auch über ihre Angst vor dem Tod. "Es ist aber wichtig, dass die Schwerkranken aus dem Hamsterrad der Fragen ,Warum ich?‘ und ‚Wie lange habe ich noch?‘ herauskommen", betont die Sterbebegleiterin.
Zum Ehrenamt gekommen ist die Bochumerin nach dem Tod ihrer Mutter. "Sie durfte im Hospiz versterben und hat sich dort sehr geborgen gefühlt", erinnert sich Christel Kordt, die daraufhin die Ausbildung zur Sterbebegleitung absolvierte. In Bochum ist sie damit eine von 30. Koordiniert wird das Team von zwei Hauptberuflichen.
Angebot ist noch zu wenig bekannt
"Immer noch wissen viel zu wenig Menschen von dem Angebot", sagt die Seniorin, die bislang etwa 50 Menschen auf ihrem letzten Weg begleitet hat: Der Jüngste war 44 Jahre alt. Kinder werden nicht über das „Hospiz Zuhause“ betreut. Das Bochumer Kinderhospiz baut jedoch ein ähnliches Angebot auf.
"Meistens dauern meine Besuche zwei Stunden. Wenn es auf den Tod zugeht, komme ich aber auch häufiger und bleibe länger", sagt Christel Kordt. Meist leiden die Menschen unter Krebserkrankungen, multiplem Organversagen oder Demenz.
Betreuung der ganzen Familie
Die Entscheidung, zu Hause zu sterben, treffen viele Menschen aufgrund der vertrauten Umgebung. "Viele wünschen sich, daheim sterben zu können. Dennoch sterben immer noch mehr Menschen im Krankenhaus als in ihren eigenen vier Wänden", berichten Mareike Häusler-Wallstein und Heide Großgarten, die hauptamtlichen Koordinatorinnen der Ambulanten Hospizarbeit.
Angehörige, so hat Christel Kordt in Gesprächen erfahren, haben Sorge, der Kranke fühle sich abgeschoben, wenn er nicht zu Hause betreut werden kann. Oft leisten sie deshalb Betreuungsarbeit bis an ihre Leistungsgrenze. "Die pflegenden Angehörigen sind für mich die wahren Helden", sagt Christel Kordt, die über das „Hospiz Zuhause“ stets die gesamte Familie betreut.
Abbruch durch Lockdown
Im ersten Lockdown im Frühjahr mussten die Begleitungen über Nacht abgebrochen werden. Hausbesuche und Besuche in Alten- und Pflegeheimen waren nicht mehr möglich. Auf anderen Wegen wurde aber Kontakt gehalten: per Telefon, Brief und mit kleinen Engelsfiguren, die zum Beispiel Handschmeichler sein können. Im jetzigen Lockdown können die Begleitungen weiter stattfinden.
Wie lange Christel Kordt eine Familie begleitet, ist ganz unterschiedlich. "In einem Fall hieß es, der Mann versterbe in den nächsten Tagen. Er hat sich aber noch einmal stabilisiert und ich habe ihn anderthalb Jahre lang besucht", sagt Christel Kordt.
Zwischen den Begleitungen braucht sie eine Verschnaufpause. Denn auch die Sterbebegleiterin baut eine Bindung zu dem Schwerkranken auf. "Ich bin nach dem Tod traurig, aber trauere nicht. Außerdem werden wir in Supervisionen selbst gestärkt", sagt Christel Kordt. Und noch eine Stärkung bekommt sie bei jedem Hausbesuch mit auf den Weg: ein dankbares Lächeln.
Kooperation mit Hospiz St. Hildegard
Die Ambulante Hospizarbeit der Evangelischen Kirche kooperiert eng mit dem stationären Hospiz St. Hildegard, das vom vom Caritasverband für Bochum und Wattenscheid getragen wird. Neben der Sterbebegleitung leisten die Mitarbeiter auch Trauerarbeit und bieten monatlich einen Trauertreff an. Das Angebot soll erweitert werden.