Bochum. Am Totensonntag gedenken die evangelischen Christen ihrer Verstorbenen. Edith Link entschied sich vor elf Jahren, den Tod häufiger in ihr Leben zu lassen.

Edith Link (66) arbeitet seit 2004 bei der Ambulanten Hospizarbeit des Evangelischen Kirchenkreises ehrenamtlich als Sterbebegleiterin. Mit WAZ-Mitarbeiterin Nadja Juskowiak sprach die pensionierte Lehrerin über die Angst vor dem Sterben und den Segen der Palliativmedizin.

Viele Menschen sagen, der ideale Tod wäre, Sie würden einschlafen und einfach nicht mehr aufwachen. Ist das auch aus Ihrer Sicht der schönste Tod?

Edith Link: Bei einem plötzlichen Tod im Schlaf bleibt die Angst und Traurigkeit vor dem Sterben erspart – das ist attraktiv. Aber wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich vielleicht doch einen Abschieds- und Vorbereitungsprozess vorziehen, weil ich mittlerweile weiß, dass mir durch die Palliativmedizin geholfen werden kann. Die Fälle, bei denen Menschen lange schwer leiden müssen, sind selten.

Link: Ich war bis dahin wenig konfrontiert mit dem Sterben. Dann ist ein Freund an einem Gehirntumor verstorben. In diesem Zusammenhang habe ich die Sterbebegleitung kennengelernt und ich habe in der Zeitung gelesen, dass Ausbildungen stattfinden – das war die Initialzündung. Ich habe überlegt, warum mich das interessiert. Es war die eigene Angst vor den Thema. Ich dachte, ich muss mich mehr damit beschäftigen. Es waren also eigentlich egoistische Gründe. Die Ausbildung zur Sterbebegleiterin war ganz toll – eine sehr gute, spannende und offene Sache.

Was war Ihre bewegendste Erfahrung als Sterbebegleiterin?

Link: In diesem Jahr habe ich einen Mann aus Ghana begleitet, 24 Jahre alt, ein Flüchtling, der noch kein Deutsch sprach. Er war schlimm an Krebs erkrankt. Zu diesem Mann habe ich so eine enge Bindung entwickelt, weil ich immer das Gefühl hatte, dass ich die Einzige bin, die sich um ihn kümmert. Ich wollte sogar die Beerdigung für ihn bezahlen, weil für Moslems das Verbrennen schlimm ist. Ich hatte dann ein Gespräch mit unserer Supervisorin. Das hat so gut getan, dass ich die Distanz wieder hatte.

Hat sich Ihr Blick auf den Tod oder das Leben verändert?

Link: Ich habe durch diese Arbeit den Tod in mein Leben geholt. Das ist ganz wichtig, weil sich die Sichtweise auf das Leben verändert. Ich gehe wirklich manchmal vor die Tür und denke: Was ein Segen, dass ich hier auf meinen eigenen Beinen stehen kann und noch ein Stück Leben vor mir habe. Bei der Sicht auf das Sterben und den Tod bin ich mir nicht so sicher. Aber ich habe nicht mehr soviel Scheu, darüber zu reden oder mit Sterbenden zusammen zu sein. Ich weiß aber noch nicht, ob diese Arbeit mir nützt, wenn es mich selbst betrifft oder meine nächsten Angehörigen.

Wie würden Sie den Prozess des Sterbens beschreiben?

Link: Je jünger man ist, desto schwieriger ist es, sich damit abzufinden. Ich glaube, früher sind die Menschen gerade an Krebs sehr qualvoll gestorben. Heute kann die Palliativmedizin viel tun. Aber jeder stirbt seinen eigenen Tod. Der junge Ghanaer hat das so hinbekommen, dass ich eine Gänsehaut bekomme, wenn ich daran denke. Er sagte: ,Es ist okay. Die einen sterben früher, die anderen später.’

Wie helfen Sie den Menschen im Sterbeprozess?

Link: Es geht darum, da zu sein zwischen den pflegenden Angehörigen und dem Sterbenden. Oft sind die Gespräche zwischen den pflegenden Angehörigen und den Sterbenden von Rücksichtnahme geprägt. Sterbende können uns gegenüber häufig offener sein. Es ist aber nicht so, dass wir ständig über Tod und Sterben reden. Ich muss keine letzten Antworten geben, da ich sie ja selbst nicht habe. Das war eine wichtige Erkenntnis für diese Arbeit.

Was raten Sie Angehörigen, die jemanden im Sterben pflegen?

Link: Das Wichtigste ist Ehrlichkeit. Wenn die Menschen sich gegenseitig etwas vormachen, leiden beide darunter. Dazu gehört es auch, über die Situation zu sprechen. Und dann finde ich es schön, wenn es gelingt, ein Stück Normalität reinzubringen und ruhig mal einen Witz zu machen, denn die sterbenden Menschen wollen ja noch ein wenig mitbekommen vom Leben.

Mehr als 100 Sterbebegleiter sind in Bochum aktiv

In Bochum gibt es vier ambulante Hospizdienste, die auch Teil des Palliativnetzes sind. Weit über 100 Sterbebegleiter sind einsatzbereit. Die Hospizdienste werden von hauptamtlichen Koordinatorinnen geleitet, die die Bedürfnisse der Familien und Sterbenden in einem Gespräch ausloten. Dies kann in der eigenen Wohnung, bei Familienmitgliedern oder in einer stationären Einrichtung stattfinden. Bei einem solchen Gespräch haben die Menschen die Möglichkeit, ihre Vorstellungen, Gefühle, Hoffnungen und Ängste zu äußern und Wünsche an die Begleiter zu formulieren.

Kontakt mit Koordinatorin

„Christine Jung-Borutta hat es unheimlich gut raus, welcher Mensch zu welchem Sterbebegleiter passt. Damit habe ich sehr gute Erfahrung gemacht“, sagt Sterbebegleiterin Edith Link über die Koordinatorin der Ambulanten Hospizarbeit des Evangelischen Kirchenkreises. Interessierte Menschen erreichen Pfarrerin Christine Jung-Borutta von Montag bis Donnerstag von zehn bis 14 Uhr unter Tel. 0234/ 890 8100.

„Sie sind wichtig, weil Sie eben Sie sind. Sie sind bis zum letzten Augenblick Ihres Lebens wichtig. Und wir werden alles tun, damit Sie nicht nur in Frieden sterben, sondern auch bis zuletzt leben können.“ – Mit diesem Zitat von Cicely Saunders, Begründerin der modernen Hospizbewegung und Palliativmedizin, stellt sich der Hospizverein Wattenscheid auf der Internetseite des Palliativnetzes Bochum vor. Auch im Hospizverein Wattenscheid kümmern sich ausgebildete Menschen ehrenamtlich um die Begleitung sterbender Menschen. Sie erreichen den Hospizverein montags bis freitags von 9 bis 12 Uhr unter Tel. 02327/9 33 55 55.

Auch beim Hospizdienst des Deutschen Roten Kreuzes finden Menschen Unterstützung im Sterben. Sie erreichen die Mitarbeiter unter Tel.: 0234 /944 51 07.

Viertens gibt es den buddhistischen Hospizdienst Mandala, der sich auf die Grundsätze Achtsamkeit, innere Ruhe, Mitgefühl, Respekt, Offenheit und Ehrlichkeit, bezieht. Die Koordinatorin ist erreichbar unter Tel. 0234/ 280921. Alle Hospizdienste arbeiten unabhängig von Religion oder Herkunft der zu begleitenden Menschen.

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