Bochum. Einst prämierte Fußballfelder in Bochumer Jugendzentren geben Anlass zur Kontrolle. Wie Sozialarbeiter nach den Steinwürfen um Vertrauen ringen.
Da liegen die Nerven bei einigen Leuten immer noch blank. Doch drei Tage nach der Auseinandersetzung zwischen einer Gruppe von rund 30 jungen Leuten mit Polizisten und Ordnungsamtsmitarbeitern auf dem kleinen Fußballfeld in der Nähe des Jugendzentrums (Juma) an der Markstraße spielen junge Leute friedlich, schießen sich Bälle zu und, ja, dribbeln durchaus mit Körperkontakt.
Nebenan gibt es waghalsige Tricks in der Halfpipe zu sehen. Abstand, Masken? Mal ja, mal nein. Doch was tun? Auseinandertreiben, mit Ordnungsgeld drohen, wegschauen oder was? Wir haben uns umgeschaut dort und einen guten Kilometer weiter am Hustadtring im Jugendzentrum „HuTown“ der Arbeiterwohlfahrt (Awo).
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Auf einer Tischtennisplatte vor dem Juma sitzt Birgit Zimmerman, sie ist Abteilungsleiterin für sozialpädagogische Fachdienste beim Jugendamt der Stadt Bochum. „Wir haben sofort nach dem Vorfall über unsere Straßensozialarbeiter und die Mitarbeiter des Jugendzentrums versucht, Kontakt mit den Jugendlichen aufzunehmen.“ Sozialarbeit sei angewiesen auf Nähe, Kommunikation von Angesicht zu Angesicht, all das, was im Moment im Lockdown so schwer geworden ist.
„Ja, und es geht auch um Respekt – was da am Dienstag passiert ist, geht natürlich absolut nicht“, zieht Birgit Zimmermann eine deutliche Grenzlinie. Sie zeigt auf die wieder rund 30 jungen Leute, die ein paar Meter weiter Sport treiben. Immer wieder knallt der Ball gegen den Absperrzaun, laut klackern Skateboards oder Roller auf den Asphalt der Rampen. „Die Nachbarschaft ist eigentlich ganz in Ordnung, aber manchmal wird es offenbar zuviel.“ Die Nerven liegen eben schneller blank in diesen Zeiten des Lockdowns.
Es drohen Strafanzeigen
Zuviel ist es am Dienstag ganz offensichtlich geworden. Einigen Jugendlichen drohen nun Strafanzeigen. Da hat sich viel Frust über die Corona-Regeln Bahn gebrochen. Die jungen Leute, die zu Steinen gegriffen haben, sollen wüst Beamte beschimpft haben, kamen wohl aus dem Bereich der Hustadt. Am Rande der Trabantenstadt liegt das Awo-Jugendzentrum.
Bezugsfaden nicht abreißen lassen
Die Jugendzentren, die gerade in sozialen Brennpunkten so wichtige Anlaufstellen für die Jugendlichen sind, bleiben geschlossen. Einen Präsenzbetrieb erlaubt die aktuellen Corona-Schutzregeln nicht.Trotzdem sind vielfach die Sozialarbeiter vor Ort, beobachten, was sich draußen abspielt, suchen den Kontakt oder das Gespräch. Sie kennen ihre Leute und versuchen gerade in diesen Zeiten den Bezugsfaden nicht abreißen zu lassen. Das ist wichtig, gerade für die Zeit nach Corona.
Dort treffen wir Sebastian Mayer-Druzba, er leitet das „HuTown“, das zur Zeit eigentlich geschlossen ist. Die Jugendlichen kommen trotzdem. Vor allem jetzt, wo das Wetter besser wird. Auf dem kleinen Fußballfeld, kicken fünf, sechs, sieben Kinder und Jugendliche Fußball, wie man eben so Fußball spielt. „Zigmal am Tag gehen wir raus, erklären die Corona-Regeln, aber Sie sehen ja“, sagt der Sozialarbeiter.
In vielen Jahren haben sie gute Kontakte aufgebaut, das Klima in der Siedlung hat sich merklich gebessert. Sollen sie jetzt all das aufs Spiel setzen, fragt er sich. Ein schwieriger Job. „Die Leute hier brauchen ein Ventil, Sport etwa.“ Die neuesten Erlasse der Corona-Schutzverordnung des Landes, er kennt sie, muss einen Weg finden, diese zu vermitteln.
Gefangen in den Wohnungen
Da sitzt der 18-jährige Ahmed. Sebastian Mayer-Druzba kannte ihn schon, als er noch ein kleiner Junge war. „Die Leute fühlen sich richtig gefangen in ihren Wohnungen. Das macht Dich auf Dauer doch kaputt“, sagt Ahmed bitter. Für das Foto zeigen zwei andere Jugendliche, was gerade noch erlaubt ist, zu zweit, mit Abstand. Spaß beim Kicken sieht anders aus.
Da steht eine Gruppe von 10- bis 13-Jährigen am Zaun. Die sehen nicht wie respektlose Randalierer, Krawallmacher aus, wie neunmalkluge Akteure etwa auf sozialen Netzwerken gern behaupten, wenn sie über solche Dinge wie den Vorfall von Dienstag schwadronieren.
Fußball spielen, aber wie
Einige der Jugendlichen spielen Fußball im Verein, bei Concordia Wiemelhausen etwa, oder dem TuS Querenburg, sie tragen stolz ihre Trikots. „Wir haben seit Monaten kein Training mehr. Wo sollen wir denn hin?“, fragt einer. Es ist doch klar, sobald Presse, Sozialarbeiter und Ordnungsdienst außer Sicht ist, werden sie wieder Fußball spielen.
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