Bochum. „Flip“ ist obdachlos, er campt an der Ruhr in Bochum-Dahlhausen. Als die Flut kam, spielten sich dramatische Szenen an „seiner“ Halbinsel ab.
Die wasserscheue Hündin „Fair“ spürte den Fluss leise rauschend näher kommen, da schlief Christian Klos noch tief im blauen Plastik-Zelt. Seit Wochen campt der obdachlose 44-Jährige, der von Freunden nur „Flip“ genannt wird, dort am Ufer der Ruhr in Bochum-Dahlhausen.
Stundenlang war der Regen an diesem Tag aufs Zeltdach geprasselt. Wie kurz die Ruhr davor ist, „seine“ kleine Halbinsel mitsamt der beiden Zelte zu verschlucken, merkt „Flip“ nicht. Er schläft. Neben ihm hat sich Hündin „Fair“ eingekuschelt. Sie mag kein Wasser, rückt immer näher. Erst als die Hündin mit dem blauen Glitzer-Halsband auf ihr Herrchen klettert, um keine nassen Pfoten zu bekommen, wacht „Flip“ auf.
Noch immer regnet es. Er zieht den Reißverschluss seines Schlaf-Zeltes auf und sieht – Wasser. Die Ruhr steigt an diesem Mittwoch bedrohlich schnell. Längst sind die ersten Wege überflutet. „Flip“ schnappt sich Hündin „Fair“, bringt sie auf die Wiese vor dem Kanu-Club. Dann hastet er zurück zur Halbinsel.
Hochwasser an der Ruhr in Bochum – Obdachloser rettet sein Zelt
„Ich stand bis zum Bauch im Wasser“, erzählt „Flip“ knapp eine Woche später, zurück auf „seinem“ Platz. „Ich konnte zugucken, wie das Wasser stieg. Das war nicht ohne“, sagt der 44-Jährige. Angst will er keine gehabt haben. „Ich kann ja schwimmen. Aber wenn ich da reingeraten wäre...“
Im Sturzregen rettet „Flip“ sein blaues Schlaf-Zelt mit der Matratze und den Decken. Sein zweites Zelt – die Vorräte, das Schlauchboot, der Grill – das alles reißt der Fluss weg. Helfer der DLRG sprechen ihn an: „Alles okay?“ Später schwimmt ein Wohnwagen vorbei, zerschellt hinter der Halbinsel.
Unbekannter schenkt „Flip“ ein neues Zelt
Eine Woche später ist „Flip“ wieder da. Die Außenwand des Wohnwagens liegt zerfleddert am Ufer. Eine Gasflasche hängt in den Bäumen. Der Obdachlose hat ein neues Zelt für seine Vorräte geschenkt bekommen. Nun schläft er wieder an der Ruhr. Es sollte nur eine Notlösung für den Sommer sein, es wurden Wochen, Monate daraus. Christian Klos ist gelernter Maler und Lackierer. „Ich habe in der Firma meines Vaters gelernt“, erzählt der gebürtige Wattenscheider. „Vier Jahre lang habe ich da gearbeitet.“
Er habe eine Wohnung gehabt und sie ohne das Geld aus seiner Arbeit wieder verloren. Seit 2016 sei er arbeitslos. Für die Jahre dazwischen bleibt „Flip“ vage. Ein bisschen Ärger mit der Polizei, mit den Behörden. Er konnte die Miete nicht mehr zahlen. „Schulden habe ich aber nicht!“ Aber mit den ganzen Formularen, damit kommt „Flip“ nicht gut zurecht.
Maler und Lackierer sucht Wohnung und Arbeit
So landete er auf der Straße, wobei das auch nicht ganz richtig ist. „Flip“ schläft mal bei Freunden, mal bei der Ex-Frau auf dem Sofa. Wenn er keinen Platz findet, sucht er sich eine Wiese zum Zelten. Am liebsten an der Ruhr. Dann grillt er abends, trinkt eine Dose Bier, geht noch einmal schwimmen. Die Anwohner, die Vereine – sie kennen „Flip“. Es stört nur die wenigsten, dass er dort zeltet, wo es eigentlich verboten ist. „Ich mach’ ja keinen Müll und keinen Ärger.“
WAZ-Aktion für Flutopfer
Wer vom Hochwasser Betroffenen helfen möchte, kann das auch über die Aktion von WAZ und Caritas machen. Bereits 1,8 Millionen Euro sind darüber zusammengekommen.
Das Geld hilft bereits jetzt da, wo Hilfe dringend nötig ist: Familien aus Bad Münstereifel, die bei Schleiden eine Unterkunft in einem Pfadfinderheim gefunden haben; Familien in Balve im Sauerland, die Bargeld erhalten haben; älteren Menschen in Erftstadt, deren Pflegeheim evakuiert wurde.
Hier können Sie spenden: Caritas Bank für Sozialwirtschaft Karlsruhe. IBAN: DE88 6602 0500 0202 0202 02,Verwendungszweck: Funke hilft - CY00899
Für den Winter hofft „Flip“ auf ein wenig Glück. Der 44-Jährige möchte wieder arbeiten. „Doch Arbeit gibt’s nicht ohne Wohnung – und eine Wohnung nicht ohne Arbeit.“ Fürs erste ist er also wieder zurück an der Ruhr. Mit den beiden Zelten und natürlich Hündin „Fair“.