Bochum. Die Corona-Zwangspause betrifft nicht nur das Schauspielhaus und die Symphoniker. Gerade für die kleinen Bochumer Kultur-Anbieter wird’s eng.
Das Coronavirus legt das Bochumer Kulturleben lahm: Bis zum 19. April, also bis nach Ostern, finden keine städtischen Veranstaltungen mehr statt. Das hat der Krisenstab der Stadt Bochum entschieden, wobei das Verbot auch für Aufführungen mit weniger als 100 Personen gilt.
Das Schauspielhaus, die Bochumer Symphoniker und das Planetarium müssen zwangsweise schließen. Auch der Starlight Express rollt nicht mehr. Der Ruhrcongress und die Jahrhunderthalle legten sich gestern noch nicht pauschal fest. Welche Veranstaltungen von Absagen betroffen sind, verrät der Blick in den Online-Veranstaltungskalender. „Die Veranstaltungen, die nicht mit „Abgesagt“ oder „Verschoben“ gekennzeichnet sind, finden nach heutigem Stand regulär statt. Dies kann sich jedoch jederzeit ändern“, so Geschäftsführer Andreas Kuchajda.
Vorbereitungen waren vergeblich
Das, was gerade passiert, hat es - außer in Kriegszeiten - noch nicht gegeben. Die Theater dicht, die Instrumente im Orchestergraben stumm. Entsprechend geschockt sind die Betroffenen. So bauten am Donnerstag, am Tag der ersten Dringlichkeitsentscheidung, die Schauspielhaus-Mitarbeiter schon das Bühnenbild für die Premiere von „Die Vereinigten Staaten gegen Herbert Nolan“ in der Zeche 1 auf. Es war vergeblich.
Auch die „HERBERT!“-Premiere wurde abgesagt
Die Dramaturgen, die monatelang an der Vorbereitung nicht nur dieser Produktion gearbeitet haben, sind ebenso traurig wie die Künstler. Das trifft zumal für DIE Premiere des Frühjahrs zu, mit der das Bochumer Theater nächsten Freitag auftrumpfen wollte. Denn auch „HERBERT!“, die mit Spannung erwartete Co-Produktion von Herbert Fritsch (Regie) und Herbert Grönemeyer (Musik), fällt ins Wasser.
Für das Theater, das über fünf Wochen dunkel bleiben wird, ist die erzwungene Untätigkeit der zweite Schlag in kurzer Zeit.
Im Dezember legte ein Wasserschaden den Spielbetrieb still
Im Dezember blieb das Große Haus über Wochen wegen eines Wasserschadens zu. Dennoch, so Theatersprecher Alexander Kruse, sei die jetzt getroffene Entscheidung der Stadt nachvollziehbar: „Jedem im Theater ist der Ernst der Lage bewusst. „Wer bereits ein Billett gekauft hat, erhält sein Geld zurück.
Das Schauspielhaus garantiert eine Stornierung, die Kosten werden automatisch zurücküberwiesen. Man kann aber auch gebührenfrei in eine Ersatzvorstellung umbuchen oder die Karten in einen Wertgutschein umtauschen. „Abonnent/innen erhalten ersatzweise einen Abo-Schein, der auch in der kommenden Spielzeit bis zum 30. November 2020 einlösbar ist“, so Theatersprecher Kruse.
Einnahmen brechen weg
Nicht nur dem Schauspielhaus entgehen mit den Vorstellungsabsagen natürlich auch Einnahmen. Zumal nicht öffentlich geförderte Bühnen, die entschieden kleinere Budgets haben, könnten deswegen zunehmend Probleme bekommen, je länger nicht gespielt werden kann.
Corona trifft die Kulturszene hart. Prekär ist die Lage vor allem für Freiberufler und andere Selbstständige. Denn oft werden Honorare nur bei der Durchführung von Veranstaltungen ausbezahlt, gerade kleinere Bühnen wie das Zeitmaul-Theater oder das Theater der Gezeiten haben kein sonderlich bequemes finanzielles Polster, um Einnahmeausfälle aufzufangen.
Kulturszene könnte Entschädigungen erhalten
Sie leben von den Tageseinnahmen und sind nur unzureichend versichert. Das betrifft etwa Künstler, die bereits für Vorstellungen in den nächsten Wochen gebucht sind. Wer beispielsweise deren Reisekosten, die kaum noch umsonst storniert werden können, jetzt tragen soll, ist offen. Dafür muss eine Regelung erst gefunden werden.
Der deutsche Kulturrat hat daher einen Hilfefonds für freischaffende Künstlerinnen und Künstler gefordert, damit ihnen rasch geholfen werden kann. Die Kulturstiftung der Länder und die Kulturstiftung des Bundes sollen einen „Notfall-Topf“ bereit stellen, auf die sich betroffene Künstler bei Nachweis ausgefallener Einnahmen bewerben können, so die Forderung.
„Unbürokratische Hilfe“ zugesagt
„Unbürokratische Lösungen“ werden angemahnt. Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat angekündigt, entsprechen zu handeln. Ein Trost auch für die Kultur-Akteure vor Ort in Bochum.
Darüber hinaus kann jedermann eine Online-Petition ausfüllen, um Hilfen für Freiberufler und Künstler angesichts des „Corona-Shutdowns“ zu ermöglichen. Im Internet ist sie unter dem Motto „Vergesst die Künstler nicht!“ angelaufen. Wie bei allen anderen Menschen laufen bei Künstlerinnen und Künstlern Rechnungen und Verbindlichkeiten uneingeschränkt weiter, müssen Miete, Strom, Lebensunterhalt und vieles mehr gezahlt werden, hängen oftmals auch ganze Familien an dem nun durch die Corona-Absagen wegfallenden Einkommen.
Wie willkommen jede Unterstützung, auch die Kleinste in diesen Zeiten ist, zeigte sich gestern im Bochumer Zeitmaul-Theater: „Eine Zuschauerin hat gerade eine Karte für die abgesagte Vorstellung, die heute Abend stattfinden sollte, gekauft, weil sie das kleine Theater in dieser schweren Zeit unterstützen möchte“, freut sich ZM-Geschäftsführerin Eva Danielczok und sagt „Herzlichen Dank!“
ZDF zeichnet „Hamlet“ vor leeren Rängen auf
Nachsatz: Trotz des Corona-Banns wurde im Schauspielhaus aber schließlich doch gespielt. In „Geistervorstellungen“ ging ohne Publikum am Freitag Shakespeares „Hamlet“ über die Bühne. Einzige Anwesende waren Mitarbeiter des ZDF, die Johan Simons’ Inszenierung - die beim Berliner Theatertreffen dabei sein - für das Fernsehen aufzeichneten. Die Ausstrahlung auf 3Sat erfolgt am Samstag, 2. Mai. Dann kann man „Hamlet“ schön in Ruhe zu Hause genießen. In selbst auferlegter, kultureller Corona-Quarantäne.
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