Essen. Die Hochschulen in NRW verschieben den Semesterstart wegen der Corona-Pandemie auf den 20. April. Was dies für die Studierenden bedeutet.

Nachdem mehrere Bundesländer wegen der Corona-Pandemie bereits den Start des Sommersemesters auf die Zeit nach Ostern verschoben hat, zieht nun auch Nordrhein-Westfalen nach. Dies sieht ein Erlass des NRW-Wissenschaftsministeriums vor, der am Freitag veröffentlicht wurde. „Eine Schließung der Hochschulen wie in Österreich ist in Nordrhein-Westfalen aktuell weder geplant noch in Vorbereitung“, teilte das Ministerium mit.

Zunächst hatten Baden-Württemberg, Berlin, Bayern und Sachsen-Anhalt den Start des Sommersemesters bis zum 20. April verschoben, um die Ausbreitung des Virus zu bremsen. Das Semester beginnt üblicherweise am 6. April. In NRW sind von der Maßnahme rund 774.000 Studierende betroffen.

Die Universität Köln war nach einer Corona-Infektion eines Verwaltungsmitarbeiters mit ihrer Entscheidung, den Vorlesungsbetrieb zu verschieben, in NRW vorgeprescht. Ob die Lehrveranstaltungen ab dem 20. April wieder aufgenommen werden können, hänge von der Entwicklung der Corona-Krise ab, teilte ein Sprecher der mit knapp 50.000 Studierenden größten NRW-Hochschule auf Anfrage mit. „Möglicherweise könnte der Betrieb auch für einen längeren Zeitraum eingestellt werden.“ Das Sommersemester soll nach dem Willen der Hochschulen aber wie gewohnt am 17. Juli enden. Das bedeutet, dass das Semester deutlich verkürzt würde.

Werden die Hochschulen komplett geschlossen?

Schon seit Tagen bereiten sich die Hochschulen in NRW auf dieses Szenario vor. Dabei sei von der Schließung in erster Linie der Seminar- und Vorlesungsbetrieb betroffen. Zudem werden größere Veranstaltungen, Tagungen und Kongresse abgesagt. „Der Dienstbetrieb der Universität wird aber fortgesetzt“, sagt eine Sprecherin der Uni Duisburg-Essen. Zentrale Einrichtungen müssten weiterhin unterhalten werden. Das betreffe unter anderem Das Rechenzentrum, das Tierlabor oder die Leitwarte, wo Heizung, Wasserversorgung oder Brandschutz gesteuert wird. „Ein Notbetrieb muss weiterhin gewährleistet sein“, sagt Prof. Andreas Ostendorf, Prorektor an der Ruhr-Uni Bochum. „Viele biologische Versuche kann man nicht einfach abstellen.“

Finden Prüfungen und Klausuren statt?

Wegen der aktuellen Semesterferien sind ohnehin nur wenige Studierende in den Hochschulen. Die Klausuren und Prüfungen sollen aber möglichst vorerst fortgesetzt werden, teilen die Hochschulen mit. „Derzeit läuft das noch nach Plan“, sagt Ostendorf. Auch die Uni Köln teilt mit: „Prüfungen an der Universität finden wie geplant statt.“

Wie können die Studenten den Stoff nachholen?

Laut Erlass des Wissenschaftsministeriums können kleinere Präsenzveranstaltungen wie Seminare oder Tutorien auch vor dem 20. April angeboten werden, sofern „der Teilnehmerkreis rückverfolgbar ist“, teilt die Landesrektorenkonferenz mit. Die Uni Köln hat alle Hochschullehrer gebeten, Seminarunterlagen im Internet zur Verfügung zu stellen. Hochschulmitarbeitern werde wenn möglich Tele-Arbeit angeboten. Ähnlich gehen alle NRW-Hochschulen vor. „Wir haben in den letzten Jahren bereits viele Projekte in der digitalen Lehrer gestartet“, sagt der Bochumer Prorektor Ostendorf. Dies müsse jetzt möglichst rasch in die Breite gebracht werden.

Video-Vorlesungen, Online-Kurse oder Unterrichts-Materialien müssten nun vermehrt angeboten werden. Die Studenten sollten durch die Maßnahmen kein Semester verlieren. „Ein dreiwöchiger Ausfall ist viel in dem kurzen Sommersemester“, so Ostendorf. Man könne den verlorenen Stoff nicht anschließend einfach rascher durchziehen. Die Studenten müssen daher zu Hause vorarbeiten. „Doch man kann nicht alles digital vermittel“, gibt die Uni Duisburg-Essen zu bedenken. „Laborpraktische Übungen benötigen die Anwesenheit von Lehrenden und Studierenden.“

Wie beobachten die Hochschulen die Entwicklung?

„Wir haben einen Krisenstab eingerichtet und beobachten die Lage sehr genau“, sagt Patrick Honecker, Sprecher der Uni Köln. Wie in Köln haben alle Hochschulen des Landes Krisenstäbe eingerichtet und Vorsichtsmaßnahmen eingeleitet. Diese Expertenrunden kommen täglich zusammen und beurteilen jeweils die Lage.

Werden öffentliche Veranstaltungen abgesagt?

Ja, an der Uni Köln wurde bereits ein Kongress mit rund 2000 Gästen abgesagt. Die Ruhr-Uni sagte den „Tag der offenen Tür“ für Schüler ab, der am 27. März stattfinden sollte. Zu diesem Anlass strömen regelmäßig bis zu 3000 Schüler in die Labore und Hörsäle. Von der Absage ist auch der jährliche „Girls’ und Boys’ Day“ am 26. März betroffen.

Kann man sich wie geplant einschreiben?

Derzeit gibt es keine Auswirkungen auf die Einschreibungen, heißt es. Dies gelte sowohl für deutsche wie auch für ausländische Studierende. Wer nicht persönlich an die Uni kommen kann, könne die Formalität auch per Post erledigen. Bei internationalen Studierenden erfolgt die Einschreibung meist auf digitalem Weg. Wer die Fristen nicht einhalten kann, soll sich beim jeweiligen Studierendensekretariat melden. Studieninteressierten stehen vorerst weiterhin die regulären Beratungsangebote offen, teilt die Ruhr-Uni mit. Die Bewerber können sich per Mail oder telefonisch an die Experten der Zentralen Studienberatung wenden. Auch persönliche Beratungsgespräche würden weiterhin stattfinden.

Wer muss der Uni fern bleiben?

Für Infizierte besteht Hausverbot, bis die Erkrankung ausgeheilt ist. Wer Kontakt zu Infizierten hatte oder kürzlich in einem
vom Robert-Koch-Institut ausgewiesenen Risikogebiet
war, darf die Hochschule 14 Tage lang nicht betreten. Das gilt für Beschäftigte, Studierende und Gäste. Auch ausländische Studenten, die aus einem der Risikoländer stammen, sind von der Regelung betroffen. Die TU Dortmund teilt mit, dass alle Studenten aus diesen Ländern persönlich aufgefordert wurden, erst später an die Uni zu kommen.

Wie sind Forschungs- und Dienstreisen geregelt?

Reisen in Risikoländer sollen bis auf weiteres verschoben werden oder werden von der Hochschulleitungen nicht genehmigt. Dies gilt auch für Exkursionen in diese Länder. Studierende, die zum Beispiel über das Erasmus-Programm ein Auslandsemester in einem der Risikoländer angetreten haben, können den Aufenthalt auf eigenen Wunsch abbrechen und sofort abreisen, teilt die TU Dortmund mit. Dabei seien die anfallende Kosten voll erstattungsfähig.

Was ist Bafög-Zahlungen, wenn der Semesterart verschoben wird?

Durch einen Ausfall von Seminaren oder Vorlesungen dürften Studierenden keine Nachteile entstehen, fordert der Dachverband der Studierendenvertretungen FZS. „Das darf sich sich nicht auf die Regelstudienzeit auswirken. Auch das Bafög muss länger gezahlt werden“, sagt Jacob Bühler vom FZS. Das Deutsche Studentenwerk (DSW) fordert die Bundesländer im Falle einer Semesterverschiebung auf, beim Bafög unbürokratische Regelungen zu finden. „Die Zeitverschiebung zum Start des Sommersemesters 2020 muss offiziell als vorlesungsfreie Zeit deklariert werden“, schlägt DSW-Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde vor. Denn während der Semesterferien laufe die Bafög-Förderung weiter. „So wird sichergestellt, dass die Studierenden nicht in ein finanzielles Loch fallen.“

Wie ist die Forschung betroffen?

Der Forschungsbetrieb wird vorerst wie gewohnt fortgesetzt. Generell trifft die Corona-Epidemie den Forschungs- und Lehrbetrieb einer Hochschulen aber in ihrem Kern. Denn jede Forschungseinrichtung lebt vom internationalen Austausch von Forschern und Studierenden, erzielt Fortschritte in internationalen Teams und teilen Forschungsergebnisse weltweit auf Tagungen und Kongressen. Zudem ist jeder Campus ein täglicher Treffpunkt von Tausenden Menschen. „Wissenschaft ist ein globales Geschäft“, sagt Patrick Honecker. Das mache es dem Virus leicht.