Bochum. Die Bochumer Familie Destanov soll nach Nordmazedonien abgeschoben werden. Die Sorge ist groß, vor allem um die Gesundheit des Jüngsten.

Familie Destanov weiß nicht mehr weiter: Seit 2015 lebt sie in Bochum, floh damals aus ihrer Heimat Nordmazedonien nach Deutschland. Der Grund: Als Roma seien sie großer Unterdrückung ausgesetzt gewesen. Ausschlaggebend für die Flucht sei gewesen, dass das Haus der Destanovs angezündet wurde, erzählt Vater Emran Destanov. Nun soll die Familie abgeschoben werden, Sorge und Angst sind groß – vor allem weil der jüngste Sohn erkrankt ist.

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Noch bis zum 29. Mai ist die Familie in Bochum geduldet. Bis dahin darf sie nicht abgeschoben werden, weil Sohn Raxmah (5) wegen Apnoe-Attacken – ein Aussetzen der Atmung – nicht transportfähig ist. Eine kommende Untersuchung entscheidet für die sechs Destanovs alles.

Kinder der Destanovs sind in Deutschland aufgewachsen

„Wir wissen nicht, was wir machen sollen“, sagt Emran Destanov. Hinzu kommt, dass Sohn Raxmah auch eine Herzerkrankung habe. In Deutschland sei eine gute medizinische Versorgung gewährleistet, die Bochumer Ärzte wüssten genau über Raxmahs Gesundheitszustand Bescheid. „Das ist in Nordmazedonien nicht so. Zudem kosten alle Kontrollen bei den Ärzten viel Geld, das wir nicht haben“, so Emran Destanov.

Dass die Familie in Deutschland bleiben möchte, hat zwei Gründe – zum einen ihrer Kinder wegen. Aus Gründen der Gesundheit, aber auch weil die drei Jungs Amed (13), Amid (9), Raxmah und Tochter Amelia (11) den Großteil ihrer Kindheit hier verbracht haben, Bochumer Schulen besuchen. „Ich habe Freunde hier, gehe gern zur Schule“, sagt Amelia, ihr Deutsch ist einwandfrei, das Lieblingsfach Mathe. Bochum, das sei ihr Zuhause und das Zuhause der Familie.

Die Familie Destanov lebt seit fünf Jahren in Bochum - die Kinder gehen hier zur Schule, haben Freunde gefunden.
Die Familie Destanov lebt seit fünf Jahren in Bochum - die Kinder gehen hier zur Schule, haben Freunde gefunden. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Zum anderen: Roma auf dem Westbalkan seien durch die Corona-Pandemie ernsthaft bedroht, so der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma. „Ein erhöhtes Armutsrisiko, Hungersnöte und rassistische Gewalt stellen eine ernsthafte Gefahr für Roma, aber auch für die Gesellschaft insgesamt dar“, heißt es in einem Aufruf, der die EU auffordert, die Situation zu verbessern. „Wir möchten Deutschland nicht verlassen, hier ist es besser für unsere Kinder“, sagt Mutter Dzemile Destanov.

Westbalkanstaaten zählen zu „sicheren Herkunftsländern“

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„In den Jahren 2014 und 2015 wurden die Westbalkanstaaten zu ,sicheren Herkunftsländern’ erklärt. Dies hatte zur Folge, dass in einer Vielzahl von Fällen die Asylanträge abgelehnt wurden“, erklärt Björn Vogelsang, Rechtsanwalt aus Bochum u. a. mit dem Schwerpunkt Asylrecht. Zwar gab es auch Ausnahmeentscheidungen, allerdings sei da eine besondere Situation gegeben gewesen.

„Die Anerkennungsquote ist sehr gering“, sagt auch die Bochumer Rechtsanwältin Anja Kalka, tätig im Asylrecht. Ob eine Familie aus Nordmazedonien doch in Deutschland bleiben darf, hänge immer vom Einzelfall ab. Sei ein Antrag auf Asyl abgelehnt worden, müssen die Personen das Land verlassen. „Die letzte Möglichkeit ist ein Härtefallantrag, doch einen Rechtsanspruch gibt es nicht“, so Kalka.

Kein Asyl – alle Möglichkeiten seien ausgeschöpft

Abschiebungen in Bochum

Am 1. Juni soll es eine Sammelabschiebung nach Nordmazedonien geben, darauf weist das Bündnis „Aktion Bleiberecht“ hin. Ob auch Menschen aus Bochum betroffen sind, ist unklar: „Das Ausländerbüro wird weder zu möglicherweise anstehenden Maßnahmen, noch zu einem gegebenenfalls betroffenen Personenkreis, Angaben machen“, heißt es von der Stadt Bochum. Die Zahl der Abschiebungen in Bochum ist in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Waren es 2018 noch 99 und 2019 58, sank die Zahl 2020 weiter auf 32 Personen. In diesem Jahr wurden bisher sechs Personen abgeschoben. „Unbestritten erschwert die Coronapandemie (...) die Durchsetzung einer bestehenden Ausreiseverpflichtung“, so die Stadt weiter.In welche Herkunftsländer die Personen abgeschoben werden, kann die Stadt Bochum nicht sagen. Deutschlandweit gab es laut Bundesregierung 2020 10.800 Ab­schie­bun­gen, 427 davon nach Nordmazedonien.

Es sieht nicht gut aus für die Familie: Laut ihres Anwalts seien alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Sie hätten einen Asylantrag gestellt, der von der Stadt Bochum abgelehnt worden sei. „Aus datenschutzrechtlichen Gründen wird das Ausländerbüro der Stadt Bochum zum vorgetragenen Einzelfall keine Ausführungen machen“, so die Stadt Bochum.

Nur so viel: „Die Feststellung (...), wie beispielsweise die Behandelbarkeit einer Erkrankung im Herkunftsland, liegt ausschließlich in der Zuständigkeit des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und wird dort, anhand der vorliegenden aussagekräftigen Atteste, geprüft“, heißt es weiter von der Stadt.

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An die daraus resultierende Entscheidung sei die örtlich zuständige Ausländerbehörde gebunden. Erst wenn feststehe, dass kein sogenanntes zielstaats- noch ein inlandsbezogenes Abschiebehindernis bestehe, würde eine bestehende Ausreiseverpflichtung zwangsweise durchgesetzt.

Weitere schlaflose Nächste folgen

Die Destanovs hoffen, dass sie in Deutschland bleiben dürfen, damit Sohn Raxmah weiter medizinisch behandelt werden kann. Relevant sei, ob die erkrankte Person transportfähig ist. Nicht entscheidend ist hingegen, ob die medizinische Versorgung in Nordmazedonien gleichwertig mit der deutschen ist, sondern ob es überhaupt eine gebe, erläutert Rechtsanwältin Kalka die juristische Lage.

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Für die Familie Destanov werden weitere schlaflose Nächste folgen – erst Ende des Monats wissen sie, was ihre Zukunft bringt.