Bochum.. Die Badalona Bar aus Bochum protestiert gegen die Abschiebung ihres Kochs und seiner Familie nach Bangladesch. Die Politik mischt sich nun ein.
Die Belegschaft der Tapasbar Badalona ist besorgt um ihren Kollegen. Denn der festangestellte Koch aus Bangladesch, der seit vergangenem Sommer im Bermudadreieck gearbeitet und seit 2015 in Deutschland gelebt hat, ist am sehr frühen Donnerstagmorgen mit seiner Ehefrau und seiner fast dreijährigen Tochter abgeschoben worden. Badalona-Chef Jens Schumann hat dies öffentlich gemacht. „Danke Bochum für die Abschiebung“ steht jetzt in großen Buchstaben im Fenster des Lokals. Der Fall ist inzwischen Stadtgespräch in Bochum.
„Diese Praktiken sind erschreckend unmenschlich“, lässt Schumann seine Kunden via Facebook wissen. Er habe seinen Mitarbeiter aus der Region Faridpur, der zuvor in Dhaka in einer Textilfabrik gearbeitet und im kurdischen Irak Gebrauchtwagen verkauft hat, bei Behördengängen und bei seinem Asylverfahren unterstützt, sagt der Geschäftsführer der WAZ. Zuletzt habe eine Anwältin versucht, die Abschiebung mithilfe eines Härtefallantrages an den Landtag zu verhindern. Über diesen Antrag sei aber jedoch noch nicht entschieden.
Nach dem Gesetz war der Bangladescher ausreisepflichtig
„Wir stehen nicht unter Schock, wir haben ja damit gerechnet, dass so etwas passiert. Er ist ja ausreisepflichtig nach dem Gesetz.“ Und es sei bereits der zweite Versuch gewesen, den 37-Jährigen und seine Familie abzuschieben, die in Wattenscheid an der Voedestraße gelebt haben. Er glaube zwar nicht, dass sein Koch nach Deutschland zurückkehren darf, so Schumann, „aber wenn wir das Gefühl haben, dass etwas ungerecht ist, wollen wir das thematisieren.“
So stelle sich ihm und seinen Mitarbeitern die Frage, warum es das Gesetz erlaubt, den Bangladescher abzuschieben: „Er liegt dem Staat nicht auf der Tasche und steht auf eigenen Füßen“. Gerade in der Gastronomie und im Bermudadreieck treffe man auf viele Gäste aus der ganzen Welt und daher solle die Protestbotschaft am Ladenfenster viele Menschen erreichen und eine Debatte anstoßen. „Es ist eine Provokation, aber wir wollen damit nicht die Stadt Bochum diskreditieren, sondern die Diskussion um Abschiebungen in die Mitte der Gesellschaft tragen.“
Stadt Bochum fühlt sich zu unrecht angegriffen
Daran wolle sich auch die Belegschaft beteiligen. „Wir sind alle ziemlich traurig und mitgenommen“, sagt Mitarbeiterin Liesa Betken. Sie habe den Bangladescher beinahe täglich gesehen, kannte auch Ehefrau und Tochter, „und wir konnten uns nicht verabschieden.“ Allerdings gibt es Hoffnung auf ein gutes Ende in der 30-köpfigen Belegschaft der Max Frituur Gastronomie GmbH, die neben der Badalona auch einen belgischen Imbiss an der Kortumstraße betreibt, für den der abgeschobene Koch die Soßen machte. Denn weitere bangalische Mitarbeiter, denen jedoch keine Abschiebung droht, hätten in ihrer Heimat noch Verwandte und wohl bald schon wieder die Möglichkeit, mit dem Familienvater in Kontakt zu treten.
Die Stadt Bochum fühlt sich vom Badalona-Team allerdings zu unrecht angegriffen. „Wir sind nicht die Entscheider“, so ein Stadtsprecher. Die Ausländerbehörde habe lediglich Amtshilfe geleistet, wie es in Abschiebefällen üblich sei. Das Asylverfahren abgelehnt habe das Bundesamt für Migration (Bamf) in Nürnberg.
Analyse, ob in Bangladesch Verfolgung droht
Dieses dürfe sich aufgrund der Schweigepflicht nicht zu dem Einzelfall äußern, teilt eine Sprecherin auf WAZ-Anfrage mit. Grundsätzlich werde jedoch erst über einen Asylantrag entschieden, wenn eine individuelle „detaillierte Analyse der Verfolgungssituation“ erfolgt sei. „Dazu gehören mindestens die Informationen des Auswärtigen Amtes, des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen UNHCR und des Europäischen Asylunterstützungsbüros EASO.“
Zwar führe das Bamf das Asylverfahren durch und entscheide, „ob Schutz zu gewähren oder ein Asylantrag abzulehnen ist. Der Vollzug einer Abschiebungsandrohung liegt nicht mehr in der Zuständigkeit des Bundesamts, sondern bei den Bundesländern, die in der Regel durch ihre Ausländerbehörden handeln.“
Flüchtlingsrat: „Abschiebung ist immer traumatisierend“
Überstürztes Handeln von Ausländerbehörden kritisiert der Flüchtlingsrat NRW mit Sitz in Bochum. Denn: „Eine Abschiebung ist immer traumatisierend. Für die Menschen selbst, aber auch für ihr Umfeld“, sagt Birgit Naujoks, Geschäftsführerin. Den kommunalen Ausländerbehörden, die die Abschiebung der Flüchtlinge in Deutschland veranlassen, wirft sie vor, dass diese häufig nur auf die Option der Abschiebung guckten. Naujoks: „Es gibt aber auch eine ganze Reihe an Bleiberechtsmöglichkeiten. Es sollten immer beide Seiten betrachtet werden und nicht nur die, wie man Menschen schnell los wird.“
Immer häufiger höre die Geschäftsführerin des Flüchtlingsrats, dass Menschen abgeschoben werden, wenn ein Härtefallantrag gestellt wurde. Den habe es auch beim Koch aus der Badalona Bar gegeben, teilte sein ehemaliger Arbeitgeber mit Jens Schumann – er liege aber noch unbearbeitet im Düsseldorfer Landtag. Naujoks erklärt: „Wenn ein Härtefallantrag gestellt ist, hat das aber keine aufschiebende Wirkung. Selbst wenn der Antrag positiv beschieden wird, muss die Ausländerbehörde dem nicht folgen.“
Asylverfahren müssen gerecht ablaufen
Dass eine Abschiebung abhängig von der Integration in Deutschland wäre, würde der Flüchtlingsrat nicht befürworten. „Ich kann verstehen, dass viele Leute so denken. Uns geht es aber um menschliche Schicksale. Es ist wichtig zu gucken, ob ein Asylverfahren gerecht abläuft“, sagt Naujocks. Wenn dem so sei, könnten für gut integrierte Menschen andere Möglichkeiten gefunden werden, im Land zu bleiben. Wichtig sei ihr, dass Flüchtlinge, die nicht bleiben dürfen, mit einer Perspektive in ihr Heimatland zurückgehen – was im Bochumer Fall nicht so sein dürfte. Wie die Situation in Bangladesh aktuell ist, sei individuell. Naujocks: „Vor Ort läuft nicht alles problemlos.“ Und auch wenn es keine konkrete Bedrohung gebe, könne es viele Gründe geben, warum eine Angst vor der Rückkehr berechtigt sei.
Die Bochumer Ratsfraktion „FDP & Die Stadtgestalter“ kritisiert die Abschiebung des jungen Familienvaters. „Für uns ist es absolut unverständlich, einen offensichtlich gut integrierten und hier arbeitenden Menschen samt Familie abzuschieben“, sagt Felix Haltt, Vorsitzender der Fraktion und Mitglied des Integrationsrats. In diesem Fall stelle sich erneut die Frage, ob „wir wirklich ‚die Richtigen‘ abschieben und ob unsere Gesetzeslage in diesem Bereich noch zeitgemäß ist“, erinnert Haltt an die Notwendigkeit eines Einwanderungsgesetzes und einer Spurwechselregelung für Asylbewerber.