Bochum. Nach der Randale zum Aufstieg des VfL Bochum stand einer der vielen Beschuldigten vor Gericht. Weitere folgen. Die Zahl der Verfahren ist riesig.
Die Freude über den Aufstieg des VfL Bochum war riesengroß. Doch einige Fußballanhänger hatten bei der spontanen Party rund ums Stadion auch Lust auf Randale. Die Situation eskalierte und beschäftigt die Strafjustiz bis heute. Einer der Täter stand am Freitag vor dem Amtsgericht – und war total kleinlaut.
Der 23. Mai 2021, Abpfiff im Ruhrstadion, 3:1 für den VfL gegen Sandhausen. Aufstieg in die 1. Bundesliga – halb Bochum im Glückszustand! An der Castroper Straße/Ecke Stadionring versammelten sich Tausende Fans und feierten. Darunter auch solche, die mitten in der Menschenmenge Feuerwerk zündeten, Flaschen, Dosen und Steine warfen und gewaltsam auf die zahlreiche präsenten Polizeikräfte losgingen. Allein schon wegen der Missachtung der Corona-Regeln war die Lage aufgeheizt.
Polizei Bochum leitete 221 Ermittlungsverfahren ein
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Bis heute verfolgt die Polizei („Ermittlungsgruppe Aufstieg“) die Täter. Wie Oberstaatsanwalt Andreas Bachmann der WAZ sagt, wurden bereits 221 Ermittlungsverfahren eingeleitet, davon 92 wegen Angriffen auf Polizeikräfte. Es geht um gefährliche Körperverletzung, Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz, um Pyrotechnik und andere Delikte. Acht Beamtinnen und Beamten wurden verletzt. Die Polizei zog ein „erschütterndes Resümee“.
Einer der beteiligten Fans (21) saß nun auf einer Anklagebank. Der Bochumer hatte damals gegen 17.50 Uhr am Stadionring völlig grundlos eine halbvolle Bierdose in Richtung der Polizei geworfen. Laut Anklage tat er dies gezielt in Richtung Kopf eines Beamten, habe ihn dann aber am Oberarm getroffen. Der 28-Jährige erlitt einen schmerzhaften Bluterguss.
Bochumer Angeklagter (21) erschien vor Gericht im dunklen Anzug mit Oberhemd
Der Angeklagte, der in ganz normalen bürgerlichen Verhältnissen lebt, erschien im Gericht im dunklen Anzug und Oberhemd. Den Wurf gab er zu, er sei aber nicht gezielt gewesen. Er sei damals angetrunken gewesen und habe nur nach Aufforderung aus der Menge geworfen. Noch am Tatort wurde er von der Polizei gestellt.
Fan-Gruppen: Polizei habe versagt
Nach dem Polizeieinsatz damals haben 21 Fan-Gruppen einen Offenen Brief unterschrieben. Im Kern sieht dieser Brief die Verantwortung für die gewalttätigen Situationen hauptsächlich bei der Polizei.Sie habe „auf voller Linie versagt“ und alles andere als deeskalierend auf das Verhalten von rund 7000 Fans, die den Aufstieg des VfL Bochum eigentlich friedlich hätten feiern wollen, reagiert.
Der Wurf sei „der größte Fehler meines Lebens“, sagt er. Vier Jahre Stadionverbot hat er bereits bekommen. Das Gericht beschloss jetzt, dass er auch noch 500 Euro an die „Aktion Deutschland hilft“ für die Opfer der Hochwasser-Katastrophe überweisen muss. Sobald das Geld gezahlt ist, stellt das Gericht das Strafverfahren ein. Er bleibt dann nicht vorbestraft.
Verletzter Polizist nahm die Entschuldigung an – nach Zögern
Der 21-Jährige hatte seit damals Panik vor dem Prozess und fürchtete, sein Leben verbaut zu haben. „Er ist wie paralysiert“, sagt sein Verteidiger Pierre Laurien. Sein Mandant hat ein Fachabi, jobbt als Fahrer, will später aber in den öffentlichen Dienst. Eine Verurteilung hätte da ein Desaster werden können.
Bei dem verletzten Polizisten bat er im Gerichtssaal um Entschuldigung. Der Beamte nahm an, aber erst nach einigem Zögern. Nach dem Wurf habe der Angeklagte „sich noch gefreut und gejubelt“. Den Wurf, so der Beamte, habe er nicht persönlich genommen, er habe sich gegen die ganze Polizei als „Institution“ gerichtet.
Von 15 Foto-Fahndungen waren bisher zehn erfolgreich
Weitere Anklagen gegen andere Angeschuldigte sind bereits erhoben, bald stehen auch sie vor Gericht. Dann geht es um schwerere Taten bei der Aufstiegsfeier.
Die Kripo hatte bei ihrem Einsatz damals viel gefilmt. Bisher hat sie 15 Männer mit Foto-Veröffentlichungen in den Medien gesucht – in zehn Fällen mit schnellem Erfolg. Die anderen sind noch nicht identifiziert. Die „EK Aufstieg“ arbeitet aber weiter. Zumal es auch nach den 92 registrierten Angriffen auf ihre Kolleginnen und Kollegen erst in 57 Fällen einen Beschuldigten gibt. Weitere Foto-Fahndungen werden in Kürze folgen.