Essen. Gaming gehört zum Alltag der meisten Kinder und Jugendlichen. Von Gewaltdarstellungen bis Chats: Eine Expertin erklärt, was es zu beachten gilt.
- 72 Prozent der 12- bis 19-Jährigen spielen täglich oder mehrmals die Woche am Bildschirm
- Wie können Eltern sie vor Gewaltdarstellungen und Fremden schützen?
- Eine Expertin beantwortet relevante Fragen
Ob Geschicklichkeit, Simulation oder Abenteuer: Kinder in NRW fangen häufig früh mit dem Gaming an. Am Smartphone, dem Laptop der Eltern oder einer Spielekonsole verfüttern sie virtuell Möhren an Pferde, fahren Bus, lösen knifflige Rätsel und erfüllen aufregende Missionen.
Laut der „JIM“-Studie des Medienpädagogischen Forschungsbunds Südwest belegt Gaming hinter Internet, Musik hören, Videos im Internet und Fernsehen schauen Platz fünf der meistgenutzten Medienbeschäftigungen der Freizeit. 72 Prozent der befragten 12- bis 19-Jährigen geben an, täglich oder mehrmals die Woche zu spielen, wobei Gaming bei Jungen verbreiteter ist als bei Mädchen.
Von ihnen gaben 86 Prozent an, täglich oder mehrmals pro Woche zu spielen, während es bei den Mädchen nur 56 Prozent waren. Am häufigsten spielen die Jugendlichen am Smartphone, aber auch Konsolen-, Computer- und Tabletspiele sind beliebt. Zu den meistgespielten Games bei den 12- bis 19-Jährigen gehören Minecraft, FIFA und Fortnite. Mit letzterem Onlinespiel hat sich unsere Redaktion bereits in diesem Gespräch befasst.
Gaming bei Kindern: USK vergibt Altersfreigaben für digitale Spiele
Für viele Eltern wirft das regelmäßige Gaming ihrer Kinder Fragen auf: Sind die Games altersgerecht? Wie lange sollten meine Kinder täglich spielen? Ab welchem Alter ist Gaming überhaupt okay? Wie kann ich meine Kinder vor gewaltvollen oder ungeeigneten Games schützen?
Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) seit 30 Jahren. Basierend auf dem Jugendschutzgesetz überprüft sie Spiele auf ihre Inhalte und vergibt Altersfreigaben. Diese gelten in Deutschland als Richtwert – laut dem im Grundgesetz verankerten Elternprivileg haben die Erziehungsberechtigten jedoch das Vorrecht, über Handlungen wie das Gaming ihrer Kinder zu entscheiden.
Elisabeth Secker ist Kommunikationswissenschaftlerin und seit 2018 Geschäftsführerin der USK. Sie beantwortet Fragen rund ums Onlinespielen.
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Ab welchem Alter ist Gaming okay?
Secker rät dazu, nicht zu früh mit dem Gaming anzufangen. „Kinder sind individuell sehr unterschiedlich, häufig ist aber schon im Alter von zwei oder drei Jahren ein Interesse für digitale Medien da“, sagt sie. Dann interessieren sich Kinder für das, was sich etwa auf dem Smartphone abspielt.
Doch interaktive und digitale Medien könnten junge Kinder durchaus überfordern. Kinder im Kindergartenalter bezeichnet Secker als Medienanfängerinnen und -anfänger. „Deshalb ist es ganz wichtig, auf altersgerechte Angebote zu setzen.“ Ab dem Schulalter seien Kinder dann kognitiv in der Lage, komplexere Spielaufgaben zu lösen, erste kleine Rätsel zu machen und mit Geschwindigkeit besser umzugehen.
Welche Games eignen sich für welches Alter?
Wenn Eltern nach einem altersgerechten Spiel für ihre Kinder suchen, stoßen sie früher oder später auf die USK-Altersfreigabe. „Die Freigabe bietet einen super Anknüpfungspunkt, ab welchem Alter ein Spiel aus Sicht des Jugendschutzes unbedenklich ist“, sagt Kommunikationswissenschaftlerin Secker.
Bei Games mit USK 0 handelt es sich um Spiele, die keine beeinträchtigenden Inhalte enthalten. Das können Geschicklichkeits-, Simulations- oder Denkspiele sein. In Spielen mit USK 6 geht es schon ein wenig rasanter zu, hier kommen auch Renn- oder Abenteuerspiele vor. USK 12-Games bezeichnet Secker als deutlich kampfbetontere, düsterere Fantasy- oder Krimispiele.
Realistischere Gewaltdarstellungen wie Militärsimulationen fallen basierend auf dem Jugendschutzgesetz unter USK 16. Bei dieser Altersfreigabe werden zudem Spiele berücksichtigt, die einen hohen Druck zum Vielspielen erzeugen oder einen Kaufanreiz bieten. Denn auch davor gelte es, Kinder und Jugendliche, deren Selbstregulation ohnehin noch nicht ganz entwickelt sei, zu schützen.
Secker empfiehlt abgesehen von der USK-Altersfreigabe auch den Spieleratgeber NRW. Denn die Freigabe stützt sich lediglich auf den Jugendschutz. „Es handelt sich um keine pädagogische Empfehlung“, so Secker. Unter www.spieleratgeber-nrw.de finden Eltern daher eine pädagogische Einordnung. Ein Spiel, das mit USK 6 versehen ist, kann hier durchaus mit einer 8 beurteilt werden – dann ist das Game aus Sicht des pädagogischen Spieleratgebers spielbar ab acht Jahren.
Wie vergibt die USK Altersfreigaben für Games?
„Das deutsche Jugendschutzgesetz gilt als eines der strengsten weltweit“, sagt Secker. Es besagt unter anderem, dass Kinder und Jugendliche vor entwicklungsbeeinträchtigenden Medien geschützt gehören. Dazu zählen demnach „insbesondere übermäßig ängstigende, Gewalt befürwortende oder das sozialethische Wertebild beeinträchtigende“ Medien.
Aufgrund des Gesetzes muss jedes Game, das im Handel an Minderjährige verkauft oder in der Öffentlichkeit gezeigt wird, durch die USK eingestuft werden. Dazu durchlaufen die Games laut Secker je nach Umfang ein bis zu dreistündiges Prüfverfahren, bei dem Medienpädagogen oder Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe die Spiele „auf Herz und Nieren prüfen“. In Diskussion und Zusammenarbeit mit Vertretenden der Obersten Landesjugendbehörden werden dann die Altersfreigaben vergeben.
Gaming bei Kindern: Wie lang sollte mein Kind höchstens spielen?
Die Initiative „SCHAU HIN!“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend befasst sich mit der Sensibilisierung von Mediennutzung bei Kindern. Als Faustregel empfiehlt sie: Zehn Minuten Spielzeit pro Lebensjahr am Tag. Ein sechsjähriges Schulkind dürfte demnach 60 Minuten am Tag spielen, eine 16-Jährige zwei Stunden und 40 Minuten.
Secker empfiehlt, das tägliche Zeitkontingent offen zu kommunizieren und dem Kind zu erklären. Auch bedarf es je nach Spiel möglicherweise Sonderregelungen: „Bei rundenbasierten Spielen sollten Eltern sich anschauen, um was für ein Game es sich handelt und wie es funktioniert, damit sie einen guten Richtwert aushandeln können.“ Dann lautet die Regel anstatt 60 Minuten am Tag auch mal zwei Runden täglich.
Ein wöchentliches Zeitkontingent erachtet die Kommunikationswissenschaftlerin bei älteren Kindern für sinnvoll. Die Kinder und Jugendlichen lernen so, sich ihre Spielzeit, ähnlich wie beim Taschengeld, selbst einzuteilen, das helfe in der Medienerziehung.
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Welche Tücken bringt Gaming für Kinder mit sich?
Neben der Handlung von Games müssen sich Eltern heutzutage auch mit dem Drumherum digitaler Spiele auseinandersetzen. Sie beschäftigen nicht mehr nur sogenannte Ballerspiele, sondern etwa Ballerspiele mit Chats und In-Game-Käufen. Beide Funktionen spielen beim Gaming, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, eine Rolle. Dass das eigene Kind mit Fremden chattet oder Unmengen Geld ausgibt, um im Spiel voranzukommen, liegt wohl kaum im Interesse der Eltern.
Daher berücksichtigt das Jugendschutzgesetz und damit auch die USK seit 2023 solche Zusatzfunktionen in Games. Neben der USK-Altersfreigabe, die bei integrierter Chatfunktion unter Umständen steigt, tragen Online-Spiele nun Alterskennzeichen, die auf die Gründe der Bewertung verweisen. Unter www.usk.de/die-usk-alterskennzeichen/ werden sie erklärt. Da gibt es Kennzeichen wie Gewalt, Schreckmomente oder Drogen, aber eben auch erhöhte Kommunikationsrisiken, Druck zum Vielspielen und erhöhte Kaufanreize.
Letztere treiben die USK-Altersfreigabe besonders in die Höhe, wenn der Spieleanbieter keine Vorsorgemaßnahmen für Kinder und Jugendliche trifft. „Spiele, die früher mit USK 0 bewertet wurden, können dadurch durchaus auf USK 12 oder 16 ansteigen“, sagt Secker. Vorsorgemaßnahmen des Anbieters können etwa so aussehen, dass die Konsole, auf der das Spiel vorhanden ist, Möglichkeiten bietet, Käufe einzuschränken oder ein Ausgabenlimit festzusetzen. Bei einigen Spielen seien Käufe oder Chats mit Fremden bei Kinderaccounts auch grundsätzlich nicht möglich.
Fragen und Antworten auf fragzebra.de
Welche Podcasts eignen sich für Kinder und Jugendliche? Wie finde ich kindgerechte Videos bei YouTube? Gibt es eine Kindersicherung bei Netflix? Solche und viele weitere Fragen beantwortet die Landesanstalt für Medien auf ihrem Portal „fragzebra.de“. Nutzerinnen und Nutzer können über verschiedene Kanäle wie Website, WhatsApp oder Instagram Fragen zu Medienthemen stellen und erhalten eine schnelle, unabhängige, sachkundige und zielgruppenorientierte Antwort.
Wie schütze ich mein Kind vor den Tücken von Gaming?
Secker rät Eltern, solche Voreinstellungen auf Konsolen unbedingt zu nutzen. „Wenn das Kind zu Weihnachten oder zum Geburtstag eine Konsole geschenkt bekommt, bietet es sich an, schon während der Einrichtung die Jugendschutzeinstellungen mit zu berücksichtigen.“
So könnten Eltern bereits vor der ersten Gaming-Session das Chatten mit Fremden ausschalten, In-Game-Einkäufe einschränken und Spiele ab einer bestimmten USK-Altersfreigabe ausblenden. „Auch die meisten Smartphones bieten solche Einstellungen“, sagt Secker.
Darüber hinaus gelte: Eltern sollten die Chatpartner der Kinder im Auge behalten und sich ein Bild von angesagten Spielen machen. Wenn sie sich ausreichend informieren, können sie auf verschiedene Spiele und deren Funktionen angemessen reagieren.
„Das Spielen sollte natürlich nicht Überhand nehmen“, gibt die Kommunikationswissenschaftlerin zu bedenken. Es gebe immer mal Zeiten, in denen Kinder und Jugendliche intensiver spielen und sich mit einem Game beschäftigen, das in der Klasse gerade beliebt ist. „Wenn aber die schulischen Leistungen abnehmen und andere Freizeitaktivitäten wie Sport nicht mehr wahrgenommen werden, dann sollten Eltern mit dem Kind ins Gespräch gehen und Hilfe holen.“
Wo können sich Eltern über Online-Spiele für Kinder informieren?
„Die sichere Begleitung von Gaming ist für Eltern eine große Aufgabe“, weiß Secker. „Wir verstehen es als unsere Aufgabe, ihnen Arbeit abzunehmen und mit der USK-Altersfreigabe eine erste Orientierung zu bieten.“ Die neusten USK-Altersfreigaben für Spiele listet die Stelle auf ihrer Website auf. Darüber hinaus organisiert die USK unter www.usk.de/digitaler-elternabend/ regelmäßig digitale Elternabende, bei denen Eltern zusammen kommen, sich über Spiele sowie ihre Bedenken und Sorgen austauschen und mehr zu neuen Entwicklungen erfahren können. Auch pädagogische Fachkräfte sind willkommen.
Weiterhin empfiehlt Secker die Angebote des Spieleratgeber NRW für pädagogische Empfehlungen. Auch der Elternguide Online biete unter www.elternguide.online Orientierung.
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