Essen. Ein abwechslungsreicher Info-Tag für Eltern und Teenager-Kinder in Essen klärt auf: Wie viel Computerspiel ist normal – und wo hört der Spaß auf?

Computerspiele am Handy, PC und an der Konsole sind in vielen Familien ein Reizthema und führen ständig zu Streit. Ein aufwendig besetzter Info-Tag soll Eltern und Kindern Auswege zeigen und gute Impulse setzen: Väter, Mütter und Jugendliche im Teenager-Alter sind herzlich eingeladen zum kostenlosen Eltern- und Familien-Event mit dem Titel „Risiken und Chancen von Gaming“ in Essen.

Termin ist Samstag, 5. November, 10 bis 15 Uhr, im Funke-Medienhaus in der Essener Innenstadt, Jakob-Funke-Platz 1. Eine vorherige Anmeldung ist erforderlich.

Es geht um Fragen wie: Welche Spiele sind in welchem Maß in Ordnung? Wann wird ein Hobby zur Sucht, wie gefährlich ist das – und woran können Väter und Mütter das merken?

Sucht-Experte sagt: „Wichtig ist, dass Eltern sich interessieren, ohne zu schnüffeln“

„Das Wichtigste ist ein ehrliches Interesse an dem, was die Kinder spielen – ohne dabei zu spionieren“, sagt Stefan Poppelreuter. Der Psychologe arbeitet im Bereich Gesundheits-Prävention für den TÜV Rheinland und ist ausgewiesener Experte in Fragen sogenannter „nicht stoffgebundener Süchte“ – also Süchte, die sich nicht um Drogen, Alkohol oder bestimmte Lebensmittel drehen, sondern um Verhalten. Süchte wie Arbeits-, Sex- oder Spielsucht.

Obwohl es nur wenige Faustregeln gibt – für Poppelreuter ist eins klar: „Länger als 30, maximal 60 Minuten täglich sollten Kinder unter zwölf Jahren nicht an einem Bildschirm verbringen“, sagt der Psychologe, der am Samstag, 5. November, zu den Referenten der Eltern- und Familienveranstaltung „Risiken und Chancen von Gaming“ zählt. Sein Vortrag wird den Titel tragen: „Kann den Gaming stressig sein? Stress und Sucht in virtuellen Welten.“

Längst sind auch viele Mädchen aktiv in Computerspielen

Das Thema „Computerspiele“ dürfe nicht verteufelt, müsse von Eltern aber kritisch begleitet werden, sagt Poppelreuter. Das Thema „Gaming“ sei im Übrigen schon lange kein Phänomen mehr, was mehrheitlich Jungen betrifft. „Das Geschlechterverhältnis ist fast ausgeglichen“, hat Poppelreuter beobachtet.

Der Aktionstag findet im Funke-Gebäude am Rand der Essener Innenstadt statt.
Der Aktionstag findet im Funke-Gebäude am Rand der Essener Innenstadt statt. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

In Deutschland spielen Jugendliche bis 17 Jahren durchschnittlich etwa sieben Stunden pro Woche ein Handy-, PC- oder Konsolenspiel. Ist das jetzt viel oder wenig? „Das Problem solcher Fakten“, sagt Poppelreuter, „ist, dass wir nicht wissen können, ob diese Zahlen wirklich der Wahrheit entsprechen, denn sie beruhen auf Selbstauskünften.“ Man geht davon aus, dass Corona und seine Lockdowns dazu beigetragen haben, dass besonders Kinder und Jugendliche mehr Zeit mit digitalen Spielen verbringen als vor Corona.

„Online-Spiele können Schäden verursachen“, warnt Poppelreuter. Er spricht von einer „sozialen Legasthenie“, wenn Kinder und Jugendliche den echten Umgang mit anderen Menschen kaum noch gewohnt sind, körpersprachliche Signale nicht mehr richtig lesen könnten und Reflektionsfähigkeit, geschweige denn Empathie, nicht mehr aufbringen könnten.

Der Experte schickt die Annahme ins Reich der Legenden, dass Online-Spiele, in denen die Spieler gemeinsam zocken und somit über Telefon oder Video in Kontakt stehen, das gleiche seien wie echte Begegnungen: „Wer nur über Telefon oder Video in Verbindung steht, bekommt viele Kommunikationskanäle nicht mit. Kein Erwachsener würde schließlich auch behaupten, Homeoffice und die echte Anwesenheit im Büro mit Kollegen seien dasselbe.“

Beispiel Spiel „FIFA“: Wenn Computer- zu Glücksspielen werden

Im schlimmsten Fall führt zu viel Gaming zu Realitätsverlust, Veränderungen der Persönlichkeit und am Ende zu wirtschaftlichen Schäden: „Am Beispiel des populären Fußballspiels ,FIFA’ kann man sehen, wie ein Computerspiel immer mehr zu einem Glücksspiel umgewandelt wird“, berichtet der Experte. Über das reine Spiel hinaus könne man – für echtes Geld – virtuelle Spieler kaufen und am Ende ein zusammengekauftes Team wieder verkaufen. Es habe sich eine regelrechte Szene semiprofessioneller FIFA-Spieler entwickelt, die eigenes Geld einsetzen, um am Ende einen Gewinn zu erzielen – also sich den Risiken eines Glücksspiels aussetzen.

Weitere Redner bei der Veranstaltung in Essen: Ein Anwalt klärt über den „rechtsfreien Raum Internet“ auf, ein Bürger berichtet, wie er glücksspielsüchtig wurde, und Lehrerinnen und Lehrer sowie weitere Betroffene berichten von ihren Erfahrungen.

Es darf an diesem Tag übrigens auch gezockt werden: Geräte stehen bereit, damit Kinder gemeinsam mit ihren Eltern spielen können. Denn auch die Chancen von „Gaming“ – zum Beispiel als Türöffner in digitale Berufe – sollen zur Sprache kommen.

Veranstalter ist die Digitale Bildungsinitiative „BG3000“, Kooperationspartner sind die Funke Mediengruppe, Westlotto, der TÜV Rheinland und der Verband kinderreicher Familien. Anmeldung online: www.bg3000.de/familien-zocken oder telefonisch unter 0228-90278421