Gelsenkirchen-Hassel. Wohnungslose sollen in Gelsenkirchen-Hassel in Mini-Einheiten ein Zuhause und Stabilität finden. Gefertigt werden diese von Langzeitarbeitslosen.

„Wohnprojekt Hassel“: Der Name klingt sachlich, von Pathos keine Spur. Dabei birgt diese Initiative die Chance, nicht weniger als das Leben von Menschen für immer zu verändern. Im Schatten von St. Michael sollen wohnungslose Frauen und Männer sowie solche mit Unterstützungsbedarf ein neues Zuhause bekommen – weg von der Straße, raus aus der Einsamkeit, rein in (mehr) Selbstständigkeit. Die Verantwortlichen sind überzeugt: So buchstabiert man Kirche heute.

Sechs Meter lang, drei Meter breit, gefertigt aus Holz nach Plänen des Architekturbüros Fronemann: So sehen die vier Tiny-Houses für jeweils eine Person aus, die zwischen Gotteshaus an der Valentinstraße, einstigem Pfarrhaus und St.-Michael-Kita aufgestellt werden sollen.

In Tiny-Houses sollen Gelsenkirchener Obdachlose wieder in „Normalität“ zurückfinden

Wollen Menschen in allen Lebenslagen neue Chancen eröffnen (v.l.): Markus Zingel (Pfarrei St. Urbanus), Bernd Miny (Caritas Wohnungslosenhilfe), Dominic Schneider (Bezirksbürgermeister Nord), Dieter Paeßens (stellvertretender Leiter Katholische Jugendsozialarbeit), Laura Meemann (St. Urbanus).
Wollen Menschen in allen Lebenslagen neue Chancen eröffnen (v.l.): Markus Zingel (Pfarrei St. Urbanus), Bernd Miny (Caritas Wohnungslosenhilfe), Dominic Schneider (Bezirksbürgermeister Nord), Dieter Paeßens (stellvertretender Leiter Katholische Jugendsozialarbeit), Laura Meemann (St. Urbanus). © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Was winzig wirkt, bietet mit seinen rund 16 Quadratmetern dennoch „genügend Platz für einen abgetrennten Wohn- und Schlafbereich, eine Nasszelle sowie eine kleine Küchenzeile“, erklärt Dieter Paeßens, stellvertretender Leiter der Katholischen Jugendsozialarbeit Gelsenkirchen gGmbH (KJS), die das Projekt mit Caritas und Grundstückseigentümerin Pfarrei St. Urbanus umsetzt. Ein entsprechender Pachtvertrag zwischen Pfarrei und Caritas soll noch abgeschlossen werden, angedacht ist eine Laufzeit von 25 Jahren.

Anliegen ist es, „alternativen Wohnraum“ für Obdachlose zu schaffen, die zu Beginn eines Mietverhältnisses aus unterschiedlichsten Gründen nicht in eine „normale“ Wohnung ziehen möchten. Ob nur vorübergehend oder auf Dauer: In den Tiny-Houses können sie auf kleinem Raum lernen, wieder in einen selbstverantwortlichen Alltag zurückzufinden, mit Hausarbeit, Kochen und einer Tagesstruktur – begleitet von Unterstützungsangeboten, versteht sich.

Caritas: Vier Mieter des Gelsenkirchener Wohnprojekts müssen miteinander harmonieren

„Nicht alle wollen zurück in die eigenen vier Wände. Einige können ein Dach über dem Kopf nicht ertragen. Die Bewohner müssen sich also für das Projekt eignen“, so Bernd Miny von der Wohnungslosenhilfe der Caritas. Der Verband ist es, der über die Belegung der vier Häuser entscheidet. „Die vier Mieter müssen sie schon miteinander harmonieren.“

Errichtet werden die Holz-Einheiten in der St.-Georg-Kirche am Kennedyplatz von sieben langzeitarbeitslosen Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis 30 Jahre, die bei der KJS im Bereich „gewerkübergreifender Holzbau“ fit gemacht werden für den ersten Arbeitsmarkt. Unter der Leitung von Werkpädagoge Matthias Czarnetzki fertigen sie nicht nur die Einzelmodule der Wände, sondern auch die Möbel. „Denn Tische und Stühle aus dem Möbelhaus sind zumeist zu groß für so ein Tiny-House“, hat der Tischlermeister festgestellt.

Holzhäuser werden von Gelsenkirchenern für Gelsenkirchener gefertigt

Auf der Wiese zwischen einstigem Pfarrhaus (Foto), St.-Michael-Kirche und Kita sollen die vier Holzhäuser in Gelsenkirchen-Hassel aufgestellt und auch an die Versorgung angeschlossen werden.
Auf der Wiese zwischen einstigem Pfarrhaus (Foto), St.-Michael-Kirche und Kita sollen die vier Holzhäuser in Gelsenkirchen-Hassel aufgestellt und auch an die Versorgung angeschlossen werden. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Vier Häuser samt Möbeln von Gelsenkirchenern für Gelsenkirchener: Genau so hatte es sich die Sponsorin gewünscht, die mit ihrer Spende an die KJS die Materialkosten von insgesamt 100.000 Euro finanziert und damit hilft, die Vermittlungsperspektiven junger Leute ohne hinreichende Qualifizierung zu erhöhen. Dass diese die Einheiten selbst in Hassel aufstellen – die erste soll nach etwa sechs Monaten Bauzeit Ende des Jahres platziert werden –, dass sie erleben, wie ihre Arbeit wertgeschätzt wird: Auch das dürfte als Gewinn zu verbuchen sein.

Individuelle Begleitung, Unterstützung bei der sozialen Eingliederung und Rehabilitation: Das wartet auch auf die Bewohnerinnen und Bewohner der Zweier- und Dreier-Wohngemeinschaften im benachbarten Pfarrhaus, das nach einem Brandschaden saniert und für dieses ambulant betreute Wohnen umgebaut wird. „Dort sollen Personen mit Unterstützungsbedarf einziehen, die ungern alleine wohnen und Hilfe bei der Organisation des Alltags benötigen“, so Sebastian Kuhl vom Ambulant betreuten Wohnen der Caritas.

Im Ex-Pfarrhaus sollen WG’s für Menschen mit Unterstützungsbedarf entstehen

Ein- bis zweimal in der Woche schauen Caritas-Mitarbeitende vorbei, leiten bei Selbstversorgung, Freizeitgestaltung und dem Umgang mit Geld an. Anfang 2024 sollen die WG-Mieterinnen und -Mieter einziehen können. Der gerade gestartete Umbau ist aufwendig und kostet eine hohe sechsstellige Summe, die sich das Bistum und die Pfarrei teilen.

Einsamkeit brauchen weder die Tiny-House-Nutzer noch die WG-Bewohner zu fürchten: Das Sozial-Caritative Zentrum 7 Werke der Pfarrei St. Urbanus sieht sich „als Ankerpunkt und Schnittstelle für die Integration an der Seite der Teilnehmenden“, so Pastoralreferent Markus Zingel.

„Diese sind eingeladen, sich vor Ort einzubringen“, etwa im Second-Hand-Café „einmalich – Kaffee und Klamotte“, das im einstigen Pfarrhaus entstehen soll, oder bei der Kleiderkammer, die nach Abschluss des Umbaus von der Kirche ebenfalls im Pfarrhaus einen neuen Platz finden soll. Jedem Menschen, unabhängig von seiner Lebenslage Wertschätzung entgegenzubringen und ihn oder sie willkommen zu heißen: „Das ist für uns als Christen praktisch gelebter Glaube“, betont Zingel, und Bezirksbürgermeister Dominic Schneider (SPD) nickt: „Für Hassel ist das Projekt ein großer Gewinn.“