Oberhausen. Die neue Theater-Produktion verspricht freundschaftliche Erfahrungen in exklusiven Räumen. Kontaktaufnahme per App.
Erinnern Sie sich noch, wie vor fünf Jahren in einen leerstehenden Ladenlokal auf der Marktstraße vier Nachfahren der 76-jährigen Anita Kaufmann um das stattliche Erbe von immerhin 2,1 Millionen vehement stritten? Woran sich bei der interaktiven Performance „Sterben und Erben“ ein aushäusiges Theater-Publikum mit mehr oder weniger guten Ratschlägen beteiligen konnte, um die ziemlich vertrackte Nachlass-Verfügung der verblichenen Exzentrikerin in, nun ja, allgemeines Wohlgefallen aufzulösen.
An diese ebenso eigenwillige wie spannende Inszenierung knüpft nun das unter ihren Nachnamen im Doppelpack firmierende Regie-Team Saskia Kaufmann (nicht verwandt mit Anita) und Raban Witt mit seinem neuen Projekt „Rigby“ an, dessen Start am Samstag in der Bar des Theaters Oberhausen zur fröhlichen Party geriet. Woran Rotkäppchen nicht ganz unschuldig war, das reichlich zur entspannten Atmosphäre betrug.
Ohne Laden geht auch diesmal nichts, ist doch die Kontaktaufnahme mit den je vier Schauspielerinnen und Schauspielern bei der noch bis zum 16. Dezember laufenden Dauer-Performance zeitgemäß in den virtuellen Raum verlegt. Weshalb neben einem Smartphone auch die spielentscheidende „Rigby“-App vonnöten ist, deren Funktionen durch den Erwerb einer Theaterkarte samt ellenlangem Code freigeschaltet werden. Und die plakativ mit dem Versprechen „Freundschaft, aber besser“ lockt.
In zahlreichen exklusiven Räumlichkeiten
Dass diese käuflich ist, erfuhr das überwiegend jugendliche Publikum am Eröffnungsabend aber derart en passant, dass es angebracht scheint, den Möglichkeitsreigen freundschaftlicher Erfahrungen per Zitat aufzuzeigen: „Von themenbezogen Telefonaten über einen Abenteuerspaziergang, bis hin zur eigenen Kindergeburtstagsparty – mit der Rigby-App buchen Sie ganz einfach das nächste einmalige Erlebnis und verabreden sich in einer der zahlreichen exklusiven Räumlichkeiten in Oberhausen und Mülheim.“
Dort etwa in einem Kino, wie Intendantin Kathrin Mädler in genüsslicher Vorfreude dem ahnungslosen Gast verriet. Der war zuvor schon, wie ein Blick auf das obligat um jeden Hals baumelnde Namensschildchen verriet, mit Laura ins Gespräch gekommen. Die später dann der Moderatorin „Phillipa de Beek“, um die der App-Community-Chat einiges Bohei machte, von ihrer ersten Freundschaftsbegegnung sonstwo im Oberhausener Stadtraum berichtete.
Wer gute Augen hatte, konnte auf dem hinter ihnen eingeblendeten, recht unscharfen Bild „All the lonely people“ lesen. Was zumindest eine Frage klärte: nix von wegen Mount Rigby, die gute alte Eleanor gab den Namen für die Performance her. Dass Laura, man hatte einander wiedergefunden, schließlich erzählte (oder: behauptete?), sie sei angehende Hebamme, passte zu ihrer Geburtshilfe für dieses Verwirrspiel, das man gut auch als Beziehungs-Rugby bezeichnen könnte.
Immerhin begegnete man an diesem Abend in der Theater-Bar jeder Menge hübscher junger Damen – eine ungewohnte Erfahrung für einen alten Jazzkritiker. Doch ob die gertenschlanke Lili oder die rätselhafte Ylvie, mit der man Walzer sogar linksrum tanzte, schlicht nette Besucherinnen oder ausgekochte Schauspielerinnen waren, lässt sich mit Gewissheit kaum sagen. Was zweifelsfrei für den Erlebniswert von „Rigby“ spricht.
Neugier ist Anfang der Erkenntnis
Aber wie heißt es so treffend in „Asterix und die Normannen“: „Glaubt Ihr, wir haben uns ’reinlegen lassen, Chef?“ – „Kann sein, kann aber auch nicht sein. Jedenfalls müssen wir in Zukunft vorsichtiger sein!“ Und so warten wir gespannt darauf, was einem die „Rigby“-App bis zum großen Finale am 16. Dezember jeden Tag noch an überraschenden Begegnungen offerieren wird. Halten Sie sich nun einfach an die alte Philosophen-Weisheit: Neugier ist der Anfang der Erkenntnis – das Vergnügen kommt dann von selbst.
Die Karten mit dem Freischalt-Code für die obligate „Rigby“-App kosten 15, ermäßigt 5 Euro und sind an der Theaterkasse oder online via theater-oberhausen.de (auch in der App) erhältlich. Gespielt wird täglich bis zum 16. Dezember an verschiedenen Orten in Oberhausen und Mülheim.
Ein Name der Musikgeschichte
„Rigby’“ verweist natürlich auf „Eleanor Rigby“, jenen surrealen Beatles-Songs, in dem sich Paul McCartney an die einsamen alten Damen seiner Pfadfinder-Jugend erinnerte, denen er für einen Shilling („A Bob a Job“) bei Einkäufen oder im Haushalt half. „Ich habe sie besucht und mir ihre Geschichten angehört“, so der 80-Jährige Sir Paul in „Lyrics“, seinem biografischen Liederbuch. „Dies hat meine Seele bereichert und die Songs beeinflusst, die ich später geschrieben habe.“Beatles-Fans wissen, dass der Name Eleanor Rigby auch auf einem Grabstein im Kirchhof der St. Peter’s Church in Woolton steht: einem musikhistorisch bedeutenden Ort. Denn beim dortigen Gemeindefest anno 1957 traf der gerade 15-jährige Paul McCartney erstmals den knapp zwei Jahre älteren John Lennon.