Oberhausen. Der Soundwalk zur Linda McCartney-Ausstellung im Schloss Oberhausen fordert „Respect“ und verwandelt die Fotoschau in eine stille Disco.
Wahrscheinlich werden die Feierlichkeiten im Vereinigten Königreich etwas bescheidener ausfallen als zum Platin-Jubiläum Ihrer Majestät: Allerdings hätte Sir Paul schon selbst ein Krönchen verdient – und ein Tänzchen zur Musik der Beatles, Wings oder seiner McCartney-Solojahre sollte allemal drin sein zur Feier seines 80. Geburtstages am Samstag. Das geht sogar in noblen Ausstellungsräumen, denn die Ludwiggalerie begleitet die Neuauflage ihrer Linda McCartney-Ausstellung wieder mit einem „Soundwalk“ aus 19 Popsongs.
Die sind längst nicht alle von Linda Eastmans berühmtem Ehemann. Doch ob als Beatle oder mit Baby Mary (seiner Tochter und heutigen Hof-Fotografin): Paul McCartney ist zweifellos der Meistfotografierte im Oeuvre der „Fotografin unter Musikern“. Mehr noch: Das Porträt ihres entspannt einen Cocktail schlürfenden Gemahls zeigt als Plakat beeindruckende Dauerpräsenz in Oberhausen. „Maccas“ Blick bannt auf 120 Litfaßsäulen, 70 „City Lights“-Plakaten und zehn „Mega Lights“-Drucken in Supergröße.
Nur die Musik aus dem Kopfhörer spielt nicht zu diesem Foto. Mit den 19 Soundwalk-Songs, welche die Ludwiggalerie wieder in eine stille Disco verwandeln, führt Kuratorin und Museumsdirektorin Christine Vogt nämlich zunächst zu zwei großen Musikerinnen der Sixties: Für Aretha Franklin, mit grandios toupiertem Haar fotografiert für ein Modemagazin, spielt „Respect“. Oder vielmehr, wie Sister Ree es allen Chauvis vorbuchstabierte: „R.E.S.P.E.C.T.“ Und die konsequent anti-modisch eingestellte Janis Joplin besingt a cappella ihr Traumauto: „Mercedes Benz“.
Schnittige Autos – nicht als Motiv, sondern als Ausguck
Schnittige Fahrzeuge spielen eine gewichtige Rolle im Werk von Linda McCartney – nicht als Motiv, sondern als Ausguck: „Roadworks“ nennt sie jenes Genre, das ganz für ihre Tugend des in Sekundenschnelle erfassten Motivs steht. Den treffendsten Auto-Moment, der im Rückspiegel die Augenpartie von Paul erfasst, begleitet akustisch die munter rockende 1971er Single „The Back Seat of my Car“ vom Album „Ram“ – dem einzigen übrigens, das unter dem Label „Paul & Linda McCartney“ erschienen ist. Linda selbst benannte das Foto „My Love“; der gleichnamige Song vom Album „Red Rose Speedway“ hätte ebenfalls punktgenau gepasst.
Der Soundwalk erweist aber auch den Beatles-Mitstreitern der in den USA so genannten „British Invasion“ druckvolle Reverenz: „My Generation“ ist der ideale Song für eine Breitseite von The Who-Aufnahmen. Der Kinks-Song „Waterloo Sunset“ allerdings adelt die „Roadworks“-Szenen aus Londoner Vorortstraßen – keine Themsebrücke.
Einen begründeten Ausreißer aus den Sounds der 1960er und frühen ‘70er liefert Bobby McFerrins inzwischen sprichwörtliches „Don’t Worry, Be Happy“ von 1988: So klingen die entspannt bis idyllisch wirkenden Szenen aus dem jamaikanischen Alltag. Der hübsch verpackte Sarkasmus des McFerrin-Textes ist hier Kontrastprogramm.
Grandios psychedelische Plattencover
Großer US-Rock geleitet hinauf zur zweiten Schlossetage und in den Saal mit grandios psychedelischen Plattencovern. „All along the Watchtower“ in der gewaltigen Jimi-Hendrix-Version erzählt so zugleich von einem unerfüllten Wunsch des linkshändigen Gitarrengottes: Denn neben der kalkulierten Provokation von David Montgomerys zuverlässig skandalösem Gruppenbild nackter Models – es war für viele Jahre das UK-Cover des Doppelalbums „Electric Ladyland“ – hängt jenes Foto aus der Kamera Linda McCartneys, das sich Jimi Hendrix für die Plattenhülle gewünscht hatte: Es zeigt sein Power-Trio „Experience“ am Londoner „Alice im Wunderland“-Brunnen.
Klar, Carlos Santana feuert die machtvollen Akkorde von „Black Magic Woman“ zum üppig surrealistischen Gemälde des Hamburgers Mati Klarwein aus seiner Gibson: Die Hüllen-Kunst wirkt so, als wäre sie Pinselstrich für Pinselstrich zum Latin-Rock komponiert. Man wünscht sich prompt einen jazzrockenden Miles-Davis-Track zu einem weiteren Klarwein-Gemälde (ob „Bitches Brew“ oder „Live – Evil“). Doch der Soundwalk sorgt in dieser Abteilung für die etwas kuriose Begegnung des supertoughen New Yorkers Lou Reed mit den „satanischen Majestäten“ aus London. Konkret: „Walk on the Wild Side“ spielt zu Andy Warhols Reißverschluss-Design für „Sticky Fingers“ von den Rolling Stones – denen Linda McCartney bekanntlich ihren Karrierestart als Fotografin verdankt.
Zweifelnd grübeln mag man bei dieser beschwingten Begleitung für eine zu gleichen Teilen begnadete Rockstar- und Familienleben-Fotografin nur vor der letzten Station: Es zeigt die im Profil fotografierte Linda McCartney, das Covermotiv des ein halbes Jahr nach ihrem Tod 1998 veröffentlichten einzigen Soloalbums „Wide Prairie“.
Sir Pauls Abschied: eine lateinische Messe
Allerdings liefert der Soundwalk keinen der 16 aus dem Nachlass versammelten Prärie-Songs der begeisterten Reiterin – sondern „American Pie“ von Don McLean (der für diese Songauslese eigentlich disqualifiziert sein müsste, gerichtsnotorisch als gewalttätiger Ehemann). Sir Paul komponierte mit der lateinischen Messe „Ecce Cor Meum“ zwar keinen poppigen, aber einen tief empfundenen Abschied von seiner „Lovely Linda“.
Rockstar-Porträts und McCartneys Familienleben
Die Ausstellung „Fotografin unter Musikern – Linda McCartney“ ist bis zum 11. September, also noch fast drei Monate, in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen zu sehen. Der Eintritt kostet 8 Euro, ermäßigt 4 Euro, für Familien 12 Euro. Die Leihgebühr für den Soundwalk beträgt 3 Euro; online informiert ludwiggalerie.de.
Statt eines eigenen Kataloges gibt’s ein 16-seitiges Booklet für 5 Euro – schließlich sind im Taschen Verlag mit dem Klassiker „Life in Photographs“, der sowohl die Rockstar-Porträts als auch viele Bilder aus dem Familienleben der McCartneys versammelt, sowie den „Polaroid Diaries“ zwei Prachtbände erschienen.