Barbaricum. „Asterix und der Greif“ führt die Gallier in den frostigen Osten und in eine Gegenwart zwischen Emanzipation, Fake-News und sozialen Medien.
Es gibt nur wenige Flecken auf der Welt, an denen Asterix und Obelix noch keine Römer verdroschen haben. Nur hinter das, was man früher den Eisernen Vorhang nannte, haben sie noch nie geblickt. Bis jetzt, denn mit „Asterix und der Greif“, Band 39, landen sie im Ostblock, der sich dank sibirischer Kälte als Frostblock entpuppt.
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Von den Römern schlicht als Barbaricum bezeichnet, unternehmen auch die Legionäre im Auftrag des Cäsar einen Vorstoß, um hinter dem eisigen Vorhang den legendären Greif zu finden – und wie es das Schicksal so will: Die Gallier sind schon da! Denn Druide Miraculix bekam von seinem sarmartischen Amtskollegen, dem greisen Schamanen Terrine, im Traum einen Hilferuf.
Das kriegerische Ostvölkchen ist, wenig überraschend, ein tiefgefrorenes Spiegelbild der unbeugsamen Gallier – und eigentlich wäre hier auch schon die Geschichte zu Ende.
Mit Köpfchen statt mit Zaubertrank
Denn zu zweit könnten Asterix und Obelix den Ost-West-Konflikt lösen, indem sie die Römer heimprügeln, die als Geisel gehaltene Reiterkriegerin befreien – und ein schönes Festbankett abhalten. Wenn nur der Zaubertrank nicht auf der Reise eingefroren und damit wirkungslos geworden wäre – und allein mit Obelix‘ roher Gewalt lässt sich die Situation nicht entschärfen. So muss Asterix seine stärkste Waffe einsetzen: sein Köpfchen.
„Asterix und der Greif“ ist der fünfte Band, seit Jean-Yves Ferri und Didier Conrad die Serie übernommen haben. Und er ist einer der besten. Zeichnerisch und erzählerisch ist das Duo mittlerweile ebenso schlagkräftig wie seine gallischen Brüder. Aber worauf es ja mindestens genauso ankommt: Auch ihr Humor ist die konsequente Fortschreibung der frühen Phase. Wenn der Zenturio seinen Legionären hübsche Widersinnigkeiten befiehlt wie „Ich will ein Provisorium, das Bestand hat!“ oder Obelix seinen weißfelligen Freund zurückpfeift „Idefix, lass sofort den Wolf in Ruhe!“ Und es hagelt wieder schöne Römernamen: Von Ferdecus und Sagleiseservus bis Ausdiemaus!
Männer an den Kochtopf!
Auch mit Fragen der Gleichberechtigung werden Gallier konfrontiert: Bei den Sarmarten gehören die Männer an den Kochtopf, die Frauen auf die Jagd und in den Krieg – was teils zu Sexismus unter umgekehrten Vorzeichen führt, wenn die Amazonen Asterix und Obelix für zu schwach zum Kämpfen und auch sonst für unnütz halten. Kein Wunder, wenn die Kriegerinnen Namen wie Kalaschnikowa tragen.
Meisterhaft verstehen Didier Conrad und Jean-Yves Ferri den Brückenschlag zwischen Antike und Gegenwart. Etwa wenn sich Cäsar bei seinem speichelleckenden Lakaien Globulus beschwert, weil der von Einhörnern in Germanien berichtet hatte: „Das hat mir auf allen Foren kritische Kommentare eingebracht.“ Der Satz funktioniert auf dem Forum Romanum genauso wie bei Facebook.
Die Erde als Scheibe?
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Dass ein Legionär namens Fakenius eine Verschwörungstheorie nach der anderen erfindet, kann da kaum noch jemanden überraschen. Gleichzeitig werden viele haltlose Behauptungen hübsch ad absurdum geführt. Der Streit darüber, ob die Erde nun eine Kugel ist oder flach, wurde noch nie zuvor so elegant gelöst wie hier von Zenturio Brudercus: „Pah! Rund oder flach, Hauptsache der Riese Atlas lässt sie nicht von seinem Rücken kullern…“
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Ferri und Conrad mag man allenfalls vorwerfen, dass sie einen Hauch zu beflissen sind, das Erbe des Asterix zu bewahren. Etwa wenn sie unversehens und mit nur einem einzigen Bilderkästchen noch mal schnell die Piraten auftauchen lassen – nur um zu zeigen, dass die gerade nichts zu tun haben. Das ist eine überflüssige Pflichtübung. Andererseits scheint das Duo mit dem „Greifen“ auf der Höhe seiner Schaffenskraft angekommen zu sein – und das vermutlich ganz ohne Zaubertrank.
Jean-Yves Ferri & Didier Conrad: Asterix und der Greif, Egmont Comic Collection, 48 Seiten, 12 €