Gelsenkirchen. Gelsenkirchens OB Karin Welge, SPD und CDU sind dagegen, viele afghanische Flüchtlinge aufzunehmen. Warum diese Entscheidung falsch ist.
Die Stadt Gelsenkirchen hat einen Haufen Probleme – eigentlich darf kein weiteres hinzukommen, oder gar verschärft werden. Die notleidenden Menschen aus Afghanistan sind kein Problem. Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD) betont, dass die Stadt ihren „Teil der gemeinsamen Verantwortung tragen“ wird. Bedeutet: Nach dem Königsteiner Schlüssel des Flüchtlingsaufnahmegesetzes könnten von 1800 Menschen voraussichtlich 24 Afghaninnen und Afghanen in dieser Stadt eine neue Heimat finden. 24!
Gelsenkirchen: Darum sollte die Stadt mehr Flüchtlinge aus Afghanistan aufnehmen
Gewiss: Dass die Stadt sich nicht aus der Verantwortung stiehlt, ist folgerichtig. Diese Entscheidung aber mit Gelsenkirchens massiven Schwierigkeiten bei der Integration der EU-Ost-Zuwanderinnen und Zuwanderer zu verknüpfen und zu begründen, ist falsch. Beide Migrations-Themen zu einem zu machen, geht ob der hochkomplexen Lage und den verschiedenen Ausgangspositionen nicht weit genug.
+++ Lesen Sie hier die Meinung von WAZ-Redaktionsleiter Sinan Sat, warum Gelsenkirchen keine zusätzlichen afghanischen Flüchtlinge aufnehmen sollte +++
Viele Menschen aus Afghanistan haben auf die Deutschen gebaut, haben mitgetragen und mitgelebt, was der Westen entschied, haben sich beim Aufbau einer lebendigen Demokratie und einer besseren Zukunft beteiligt. Diese Menschen haben den Deutschen ihr Leben anvertraut.
■ Flüchtlinge: Was die Afghanistan-Krise für Gelsenkirchen bedeutet
■ Bundeswehreinsatz: Soldat über Afghanistan: „Was bleibt, ist eine große Leere“
■ EU-Ost: Armutsmigration: Das ist Gelsenkirchens neue Strategie
Nun wollen sie zu Tausenden nur noch raus, fliehen, die Heimat verlassen, aus purer Todesangst. Sie verstecken sich vor den Grausamkeiten der Taliban, kämpfen schon jetzt am Hindukusch um ihr Leben, hängen sich an startende Flugzeuge, Mütter reichen ihre Babys über Stacheldrahtzäune an Soldaten, damit wenigstens die Kleinsten eine Chance haben. Wie verzweifelt können Menschen sein?!? [Lesen Sie auch:Afghanische Helfer-Familie entkam den Häschern der Taliban]
Der entscheidende Punkt ist ja: Diese Menschen sind in einer absoluten und vor allem sehr akuten Not- und Ausnahmesituation, verlassen von schützender Hand, allein, im Stich gelassen, ausgeliefert.
Die Probleme mit den rund 10.000 Zuwanderern aus Südosteuropa, die Gelsenkirchen zweifelsohne hat, dürfen die Stadt nicht hemmen, sie dürfen die Akteure nicht daran hindern, das zu tun, was ganz entschieden getan werden muss: Menschen vor Angst, Folter und Tod zu retten – unabhängig von Verteilungsschlüsseln und anderen Maßgaben.
Klar hätte es Gelsenkirchen mit einer solchen Aufgabe schwerer als andere Kommunen, allerdings darf die Stadt trotz ihrer eingeschränkten Möglichkeiten nicht vergessen, dass es in besonderen Situationen angebracht wäre, ein besonderes Zeichen der Humanität zu setzen. Und eine solche Situation ist jetzt.