Mülheim. Die „Stücke 2021“ wurden per Videokonferenz eröffnet. Der erste Festival-Beitrag, eine Arbeit von Christine Umpfenbach, war Bildschirm-tauglich.
Mit einem starken Stück, einer fesselnden und berührenden Dokumentation zum Oktoberfest-Attentat 1980 von Christine Umpfenbach wurden am Donnerstagabend die 46. Mülheimer Theatertage eröffnet – es ist die erste digitale Ausgabe der „Stücke“.
Startschuss fiel per Videokonferenz
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Der offizielle Startschuss fiel per Videokonferenz. Aus ihrem Homeoffice meldeten sich Peter Vermeulen, Mülheimer Kulturdezernent, und Isabel Pfeiffer-Poensgen, NRW-Kulturministerin, zu Wort. Sie dankten „den Menschen, die mit großem Einsatz das Festival vorbereitet haben“ – allen voran Festivalleiterin Stephanie Steinberg und ihrem Team. Diese hatten lange zweigleisig geplant, mussten irgendwann dann aber doch hinnehmen, dass die Aufführungen nicht live über die Bühne würden gehen können. „Die teilnehmenden Theater haben mit großer Flexibilität auf alles reagiert“, erklärte Steinberg mit Blick auf die sich ständig ändernde Pandemie-Situation. Danken müsse man auch den Auswahlgremien, die diesmal „so viel vor dem Bildschirm sitzen mussten“.
Im Corona-Jahr habe man die Kultur schmerzlich vermisst, erklärte Isabel Pfeiffer-Poensgen. Das Theater diene dazu, Krisen zu überwinden, Werte hochzuhalten, die Gegenwart besser zu verstehen. „Es ist ein Ort der Reflexion und Neuerfindung. Die ,Stücke’ bieten Denk- und Verhandlungsräume“, so die Ministerin. Im vergangenen Jahr sei alle Energie der Kulturschaffenden in die Entwicklung digitaler Formate geflossen – man müsse und könne nun auch die Chancen dieses Formates sehen.
Rechter Terror, rechte Netzwerke
„9/26 Das Oktoberfestattentat“ von Christine Umpfenbach, die bei der Inszenierung der Münchner Kammerspiele selbst Regie geführt hat, ist ohne Frage Bildschirm-tauglich und auch als Video ein informatives und hochspannendes politisches Werk. In die Einführung von Harald Wolff, Dramaturg an den Münchner Kammerspielen, hatten sich rund 150 Zuhörer eingeloggt. „Beim Oktoberfest-Attentat handelt es sich um den schwersten Terroranschlag in der Geschichte Deutschlands, aber es ist nicht in die kollektive Erinnerung eingegangen. Viele Menschen wissen gar nichts davon. Es ist kein Bezugspunkt unserer Geschichtsschreibung geworden“, erklärte er. Lange sei – auch aus politischem Kalkül – bestritten worden, dass es sich um rechten Terror und vermutlich nicht um einen Einzeltäter handelte.
Die Autorin ist dem Fall nachgegangen, hat akribisch recherchiert, vor allem Überlebende der Katastrophe genau befragt. Zu den dramatischen Minuten selbst, aber auch dazu, welche Folgen das Attentat für ihr Leben hatte und wie die Gesellschaft mit ihnen umgegangen ist. Es habe sie schockiert, dass die Opfer damals weder gehört noch entschädigt wurden, erklärte die Autorin in der Diskussion mit Theaterkritiker Sven Ricklefs nach der Aufführung. Ihr Text entlarvt die Mechanismen des Wegschauens.
Am Samstag, 15. Mai, um 18 Uhr wird der zweite Stücke-Beitrag auf stuecke.de freigeschaltet, „Stummes Land“ von Thomas Freyer.