Mülheim. Der Autor Boris Nikitin widmet sich in „Erste Staffel. 20 Jahre großer Bruder“ dem Reality-TV. Das Staatstheater Nürnberg führt das Stück auf.

Boris Nikitin wurde als Sohn ukrainisch-slowakisch-französisch-jüdischer Einwanderer 1979 in Basel geboren. Er führt bei allen Stücken und Projekten selbst Regie und ist künstlerischer Leiter des von ihm initiierten und konzipierten Festivals für dokumentarische und propagandistische Künste „It’s the real thing“. Er erhielt schon mehrere Theaterpreise (siehe Box).

1. Sie sind das erste Mal in Mülheim dabei. Was dachten Sie, als Sie von der Nominierung erfahren haben?

Ich hab mich sehr gefreut.

2. Worum geht es in Ihrem Stück „Erste Staffel. 20 Jahre Großer Bruder“?

Es ist ein Blick zurück ins Jahr 2000, in die Geburtsstunde dessen, was wir „reality“ nennen - also diese Vermischung aus Alltag, Realität, Inszenierung, Selbstüberwachung und Dauerwettbewerb, die uns heute als Normalität vorkommt. Der Big-Brother-Container war damals aber eine Neuheit, irgendwie schräg, manche haben sich darüber geärgert, andere haben es abgefeiert - heute sitzen wir alle drin.

„Heute sitzen wir alle im Container“

3. Das Stück basiert auf Gesprächen der Bewohner der ersten Staffel der RTL Reality-Show „Big Brother“. Wissen die ehemaligen Container-Bewohner von ihrem Bühnen-Comeback?

Mit zweien habe ich mich im Vorfeld getroffen. Das waren sehr interessante, schöne Begegnungen. Bei beiden war „Big Brother“ eine prägende Erfahrung, die ihre Biografien bis heute mitbestimmt.

Der Autor und Regisseur Boris Nikitin nimmt mit einem Stück über Reality-TV an den Mülheimer „Stücken 2021“ teil.
Der Autor und Regisseur Boris Nikitin nimmt mit einem Stück über Reality-TV an den Mülheimer „Stücken 2021“ teil. © Stücke | Sorav Partap

4. „Big Brother“ wird als eine der ersten Trash-TV-Produktionen bezeichnet. Haben Sie jetzt Trash-Theater produziert?

Nein. Die Inszenierung sollte ursprünglich zwar viel distanzloser, schamloser werden. Dann aber kam Corona, Proben mit zwei Meter Abstand, Masken. Distanzlosigkeit war unmöglich. Gleichzeitig, wenn ich mir die erste Staffel von 2000 anschaue, dann wirkt sie viel weniger trashig, als ich vermutet hätte. Trashig war eher der Medienzirkus drum herum. Mich hat überrascht, wie viel Menschlichkeit in dem Container tatsächlich vorkam. Und dann diese Großzügigkeit mit der Zeit. 100 Tage, die vor sich hinplätschern.

Fast nix passiert. Trotzdem zieht es dich irgendwie rein. Das ist fast schon Konzeptkunst. Durch die besonderen Umstände sind wir näher ans Original gerückt.

5. Haben Sie einen Lieblingsort zum Schreiben?

Draußen.

6. Welches Theatererlebnis (im Internet) hat Ihnen zuletzt richtig Spaß gemacht und warum?

Das Stück „Du Sale!“ der französischen Regisseurin Marion Siéfert letzten Sommer beim Theaterfestival Basel. Die beiden Darstellerinnen waren groß.

7. Welche Superhelden-Fähigkeit würden Sie gerne besitzen?

Totale Verwundbarkeit. amü

Das Stück von Boris Nikitin kann von Dienstag, 18. Mai, 18 Uhr bis Mittwoch, 19. Mai, 24 Uhr auf stuecke.de als Video angeschaut werden.