Oberhausen. Vom Ruhrgebiet bis Myanmar: Das Traditionsfestival präsentiert in seiner 68. Ausgabe in den acht Wettbewerben 164 Kurzfilme aus 67 Ländern.

Die 68. Internationalen Kurzfilmtage haben ihre Wettbewerbsauswahl abgeschlossen – und lassen neue Film-Welten entdecken. Denn ungewöhnlich stark vertreten im Internationalen Wettbewerb sind Beiträge aus Afrika und Asien. In den fünf Wettbewerben des wieder live zu erlebenden Festival-Teils laufen 120 Filme aus 52 Ländern über die Kinoleinwände. Dazu kommen 44 Arbeiten in den vorgeschalteten Online-Wettbewerben. Insgesamt zeigen die Kurzfilmtage also vom 30. April bis 9. Mai 164 Arbeiten aus 67 Ländern in ihren Wettbewerben, 79 davon als Weltpremieren.

Neue Kino-Nationen im Internationalen Wettbewerb

Für den Internationalen Wettbewerb, den ältesten und größten des Festivals, wurden 50 Arbeiten aus 40 Ländern ausgewählt – 32 sind Weltpremieren. Mit Beiträgen aus Ägypten, Kenia, Marokko, Ruanda, Südafrika und dem Sudan liegt der Anteil afrikanischer Produktionen so hoch wie nie zuvor. Aus Asien kommen Arbeiten nicht nur aus den großen Kino-Nationen, sondern auch aus Myanmar und Vietnam.

Bilder einer apokalyptischen Zukunft: The Wind Probably“ von Yuri Yefanov ist der Wettbewerbs-Film aus der Ukraine.
Bilder einer apokalyptischen Zukunft: The Wind Probably“ von Yuri Yefanov ist der Wettbewerbs-Film aus der Ukraine. © Internationale Kurzfilmtage | Yuri Yefanov

Zahlreiche Filme setzen sich formal höchst unterschiedlich mit politischen Themen auseinander, vom dokumentarischen Rückblick auf die Unterdrückung von Protesten in Thailand bis zur Erinnerung an die Diktatur in Brasilien als genähte Animation. Der Brite Luke Fowler, 2012 nominiert für den Turner-Preis, nutzt in „For Dan“ die Geschichte einer Freundschaft für eine Skizze australischer Politik in den 1960er Jahren, während die Kolumbianerin Nadia Granados das schonungslose Re-Enactment eines Interviews mit einem Auftragsmörder inszeniert.

Je ein Film aus Russland und der Ukraine

In der Auswahl sind darüber hinaus ein russischer und ein ukrainischer Beitrag. Der russische Film „Bobok“ von Alexandra Karelina und Ivan Yakushev basiert auf einer Kurzgeschichte von Fjodor Dostojewski. Der ukrainische Experimentalfilm „The Wind Probably“ von Yuri Yefanov stellt in einer apokalyptischen Zukunft die Frage, wie wir Realität erleben. Für die Auswahlkommission verweist Hilke Doering, die Leiterin des Internationalen Wettbewerbs, auf das frühe Motto „Weg zum Nachbarn“ der Kurzfilmtage: „ Wir möchten den Grenzen überschreitenden Dialog aufrechterhalten. In diesem Geist haben auch je ein Film aus Russland und der Ukraine ihren Weg in unsere Auswahl gefunden.“

Bildender Künstler, Musiker und 16-mm-Filmemacher: Der 44-jährige Schotte Luke Fowler beruft sich auf das „British Free Cinema“ der 1950er Jahre.
Bildender Künstler, Musiker und 16-mm-Filmemacher: Der 44-jährige Schotte Luke Fowler beruft sich auf das „British Free Cinema“ der 1950er Jahre. © Unbekannt | Alan Dimmick

Vielfalt der „Arbeit“ im Deutschen Wettbewerb

Für den Deutschen Wettbewerb wurden 15 Filme ausgewählt, die Hälfte davon von Frauen. 13 Arbeiten zeigen die Kurzfilmtage als Weltpremieren. Die formale Bandbreite der Beiträge zeigt sich am Thema Arbeit, das ganz unterschiedlich angesprochen wird: Im dokumentarischen „Las Flores“ folgen Miguel Goya und Tina Wilke einer Gruppe junger Migranten. In „Gute Arbeit, gute Nacht“ spielt Michel Wagenschütz das Telefonat einer Künstlerin mit der Arbeitsagentur in diversen Kontexten durch. Und Nikita Diakur bringt in „Backflip“ in einem Mix aus Realfilm und Animation einem Avatar mühevoll den Rückwärtssalto bei. „Wir hatten selten eine so große Vielfalt an Formen und Themen“, sagt Carsten Spicher. Der Leiter des Deutschen Wettbewerbs erkennt zudem „eine große künstlerische Qualität beim deutschen Kurzfilm“.

Kombinierter Natur- und Pixelzauber aus Oberhausen

Im NRW-Wettbewerb konkurrieren neun Filme, vier von Frauen, acht als Weltpremieren. Die Kandidaten porträtieren Subkulturen in Oberhausen – wie Felix Bartke und Nils Ramme mit „Cruiser“. Sie zeigen Geschichte und potenzielle Zukunft einer aufgegebenen McDonald’s-Filiale in der Herner Innenstadt auf oder dokumentieren, wie Roma in der Dortmunder Nordstadt leben. Die gesamte Ruhr von ihrer Quelle bis zur Mündung wird zum winterlichen Schauplatz eines kombinierten Natur- und Pixelzaubers in der Multimedia-Arbeit „Aquateque“, für die sich der Oberhausener Einar Fehrholz mit dem Londoner Duo „Above & Below“ zusammenfand.

Weitere Wettbewerbe für Kinderfilme und Musik-Clips

Für den Kinder- und Jugendfilmwettbewerb wurden 35 Filme aus 25 Ländern ausgewählt. Nominiert für den MuVi-Preis sind elf Musik-Clips.In den Online-Wettbewerben (dem virtuellen Festival-Prolog vom 30. April bis 3. Mai) zeigen die Kurzfilmtage 44 Arbeiten.