Oberhausen. Elf Kurzfilme sind eine Auslese nicht nur der Filmhochschulen im Land. Ihre Qualität bestätigt die spezielle Empfehlung des Kufita-Teams.

Klar, Heimatfilme sehen anders aus. Bei den Kurzfilmtagen gilt – nicht erst seit der aktuellen 67. Ausgabe des Festivals: Auch eine unter „lokalem“ Signum wie NRW-Wettbewerb firmierende Konkurrenz ist von jeder Tümelei weit entfernt. Und obwohl sich hier (aber nicht nur hier) die jungen Absolventen der akademischen Film-Ausbildungsgänge tummeln, muss sich die Jury dieser Elfer-Auswahl keineswegs mit Startversuchen plagen.

Die Wüste blüht und lebt: „Like you really mean it“ von und mit Ale Bachlechner.
Die Wüste blüht und lebt: „Like you really mean it“ von und mit Ale Bachlechner. © Internationale Kurzfilmtage | Ale Bachlechner

Nicht ohne guten Grund zählt der am Freitag, 7. Mai, um 17 Uhr gestreamte NRW-Wettbewerb zu den speziellen Empfehlungen des Kufita-Teams für Festival-Einsteiger: Bunt ist die Palette der Erzählformen, anregend die Themenvielfalt. Und selbst wer hinter dem Titel todtraurigen Stoff vermuten sollte, wird gerne lächeln oder lachen – ohne dass etwa ein sehr spezieller Blick in Intensivstationen hier an Klamauk verscherbelt würde.

Vom schwebenden Vierminüter (nach dessen Genuss man sofort den „Repeat“-Knopf drücken möchte) bis zum epischen Bild-Essay über 25 Minuten hat die Jury die Qual der Wahl: Wohl nur cineastische Profis wissen, wie sie schnell geschnittene Cartoon-Strichzeichnungen mit süffig überblendeten Drohnen-Panoramen vergleichen können. Der interessierte Einsteiger darf einfach klicken, schauen und staunen.

Wochenschaubilder aus Swinging London

Denn aus NRW kommen selbst so amüsante wie exzentrische neuneinhalb Minuten „Britishness“: Rainer Knepperges sichtete für „Tricks for Transformation“ pastellige Bilder aus dem merry old England der Swinging Sixties: Seine Essenz der Pathé-Wochenschauen kombiniert aufs Köstlichste die kulinarischen Trends aus Koch- und Kosmetikstudios: Erdbeeren ins Gesicht und exzentrische Wickel fürs Büffet wechseln sich in virtuosen Überblendungen. Bis man sich fragt: Badet die Schöne in Spargelcremesuppe? Bemalt die geheimnisvolle lächelnde Verschönerin den Kahlkopf mit schwarzer Farbe aus dem Modellbaukasten? Und kreist die Märklin-Eisenbahn etwa in einer exzentrischen Turmfrisur?

Der Berg ruft: Die Kameradrohne schwebt in „La Bâche“ über der Heuernte auf fast 3000 Metern alpiner Höhe.
Der Berg ruft: Die Kameradrohne schwebt in „La Bâche“ über der Heuernte auf fast 3000 Metern alpiner Höhe. © Internationale Kurzfilmtage | Ruhrpott-Film

Säuselnde Fahrstuhlmusik böte die ideale Überblendung von diesem Ausflug in die Super-Dekadenz zum „Doom Cruise“: Schlager-, Party- und Heavy-Metal-Kreuzfahrten gab’s ja schon, bevor die Pandemie die weißen Riesen an die Piers zwang. Es fehlte halt noch der Törn in den Weltuntergang. Hannah Stragholz and Simon Steinhorst vom „Studio Corallo“ erzählen diese Allegorie für den abgründigen Kurs unseres kleinen blauen Raumschiffs in nur 17 Minuten ohne schweres Pathos – aber in bezaubernd animierten Bildern.

Da schmausen Krokodile und saurierähnliche Geschöpfe im grandiosen Bankettsaal und parlieren im Small Talk übers Artensterben. Der Maschinenraum öffnet sich zu einer schaurig-schönen Unterwelt. Und die Kapitänin ringt mit den Worten ihrer finalen Ansprache an die werten Passagiere. Ganz anders als einst „Titanic“ – aber ebenso gekonnt komponiert.

Der heldenhafte Infusionsständer

Die blühende Wüste des Death Valley hat bei Ale Bachlechner zwar auch eine Aura des Endzeitlichen, doch die bevölkert sich in „Like you really mean it“ mit drei liebevoll karikierten Plattitüden-Produzentinnen. Hier geht das Party-Geplauder nicht in die Tiefe, sondern brummkreiselt hohltourig. „Ich habe deinen Newsletter abbestellt“, ist der härteste Satz in dieser Konversationshölle. Wie viele Zoom-Seminare muss die 37-jährige Autorin, Regisseurin und Darstellerin dafür durchlitten haben?

Online wie im Kino zu festen Zeiten

Die Filme des NRW-Wettbewerbs sind auf kurzfilmtage.de wie im Kino zu festen Zeiten zu sehen: am Freitag, 7. Mai, um 17 Uhr, Samstag, 8. Mai um 14 und 18.30 Uhr sowie Montag, 10. Mai, um 14 Uhr.Karten gibt’s inzwischen als „Halbzeitpass“ für 10 Euro; der Kinder- und Jugendpass kostet 5 Euro.

Leiden und Angst, aber ohne Larmoyanz, komprimiert dagegen „Bis zum letzten Tropfen“ in fünfeinhalb Filmminuten auf der Intensivstation. Simon Schnellmann gibt in seinen so minimalistischen wie liebreizenden Strichzeichnungen einem Infusionsständer heldenhafte Persönlichkeit: Er ringt mit „seinem“ Patienten, der gegen die eklige Chemotherapie aufbegehrt. Wäre da nicht der still und freundlich winkende Gevatter Tod – der Kranke hätte längst aufgegeben. Es liest sich jetzt vielleicht anders, aber auch dieses kleine Kunstwerk steckt voller Pietät und Zuneigung – und lässt sein Publikum dennoch lachen.

Vier Geniestreiche und -striche aus einem Wettbewerb mit elf Beiträgen. Die Oberhausener Filmemacher Frédérique Laffont und Volker Köster stellen sich mit den bezaubernden vier Minuten von „La Bâche“ einer harten Konkurrenz.