Oberhausen. . Die höchstdotierten Auszeichnungen der 65. Kurzfilmtage gehen an Regisseure aus Ruanda und Kongo. Ein vierminütiges Kleinod lässt Elvis zappeln.

„Es muss etwas geschehen“, forderte während der sechs Tage der 65. Kurzfilmtage der Trailer vor jedem der 153 Programme – aber doch nicht so. Wenige Minuten vor dem Beginn der Preisverleihungen entrollte ein Grüppchen auf der Bühne des größten Lichtburg-Saals ein langes Transparent, flankiert vom ikonischen Che-Porträt: „Hände weg von Venezuela!“ Kern der kurzen Ansprache: Das Regime Nicolás Maduros sei „eine legitime Regierung“ und es gelte zu verhindern, dass es „von reaktionären Kräften“ weggeputscht werde.

Weder Bürgermeister Klaus-Dieter Broß noch Lars Henrik Gass als Leiter der Kurzfilmtage gingen in ihren Ansprachen auf diesen bizarren Prolog ein. Allerdings gab es im Reigen der Preisträger auch vier ausgezeichnete Werke aus Lateinamerika – und die hatten Besseres zu bieten als Propaganda für einen sich links gerierenden Diktator.

Lars Henrik Gass, Leiter der Kurzfilmtage: „Festivals wollen immer größer werden.“
Lars Henrik Gass, Leiter der Kurzfilmtage: „Festivals wollen immer größer werden.“ © Gerd Wallhorn

Für die größte und nachdrücklichste Überraschung sorgten allerdings zwei junge afrikanische Filmemacher, deren Heimatländer bisher noch auf keinem Globus der Filmkunst markiert waren. Digitale Vernetzung und der vergleichsweise geringe kommerzielle Druck machen den Kurzfilm eben zum nahezu universalen Ausdrucksmittel.

So erhielt die 22-minütige Produktion „I got my Things and left“ von Philbert Aimé Mbabazi Sharangabo den mit 8000 Euro dotierten Großen Preis der Stadt Oberhausen. „Ich nahm meine Sachen und ging“ ist eine filmische Hommage an den Freigeist Dambudzo Marechera, eine Schlüsselfigur der afrikanischen Literatur.

In elf Minuten durch das Mittelmeer

Den mit 4000 Euro dotierten Hauptpreis gab die Internationale Jury an den Musiker und Filmemacher Baloji, sicher die glamouröseste Erscheinung dieses Festivals: Sein 14-minütiger Clip „Zombies“ feiert, so die Juroren, „in prachtvollen Bildern die pulsierende Subkultur“ von Kinshasa, der Metropole der Demokratischen Republik Kongo. Den Soundtrack liefert Baloji selbst mit futuristischen Afro-Beats. Beide Preisträger leben inzwischen in Europa: Der 29-jährige Philbert Sharangabo in der Schweiz, der 40-jährige Baloji in Belgien.

Der dritte Preis der Internationalen Jury, dotiert mit 3000 Euro, ging an „L’Etoile de mer“ von Maya Schweizer, die mit ihrer Collage aus „Found Footage“ (also dem Bild- und Klang-Material anderer Filme) in nur elf Minuten durch das Mittelmeer navigierte.

Ein Star unter ständiger Beobachtung

Die Jury des NRW-Kulturministeriums prämierte mit 5000 Euro ein vierminütiges Kleinod des Kanadiers Mark Oliver, der den King wieder aufleben lässt. „Elvis: Strung out“ zeigt zu wummerndem Bass den sich verausgabenden Sänger, einen Star unter ständiger Beobachtung – und kann den Mythos dennoch nicht demontieren.

Mit „Noir Blue“ bezauberte die Brasilianerin Ana Pi die Ökumenische Jury so sehr, dass deren Laudatio in einem poetischen Raunen dahinschmolz. Der klarste Satz: „Lass Schmerz und Verletzung der Vorfahren zurück, erhoffe den Segen derer, die nach dir kommen.“ Dotiert ist der Preis mit 1500 Euro.

 
  © Kurzfilmtage

Die 1000 Euro des Zonta-Preises gingen an Manu Luksch für „Algo-Rhythm“. In nur knapp 14 Minuten skizziert die Senegalesin eine wahrlich globale Gefahr: Denn automatisierte Propaganda-Kampagnen wollen Wahlen in Kenia und Nigeria ebenso manipulieren wie in den USA und womöglich der EU.

Auch der mit 5000 Euro dotierte Preis des deutschen Wettbewerbs erzählt eine afrikanische Geschichte: „Mein neues europäisches Leben“ von Abou Bakar Sidibé und Moritz Siebert zeigt, so die Juroren, „dass ein Heim noch lange nicht neue Heimat ist“. Diese 22 Minuten über eine Flucht aus Mali seien nicht nur politisch bedeutsam, sondern „vor allem filmisch ein bewundernswerter Akt“.

Blick auf einen Alt-Revolutionär

Neben 2500 Euro für die Filmemacherin Kristina Kilian beinhaltet der 3-sat-Förderpreis auch die Zusage, das Werk im Fernsehen zu zeigen. „Which Way to the West“ ist, so die Jury, „ganz schön meta“ – und damit typisch alte Kurzfilmtage: In 36 Minuten reflektiert dieser vielleicht sperrigste der prämierten Filme das Oeuvre von Alt-Revolutionär Jean-Luc Godard.