Oberhausen. Nur für eine Woche zeigen der Klangkünstler Einar Fehrholz und das Londoner Duo „Above & Below“ den Film ihrer Ruhrreise im Zentrum Altenberg.

„Winterausstellung“ – das meint in der unheizbaren Halle des Vereins für aktuelle Kunst meistens: Im Abenddunkel blicken Passanten im Zentrum Altenberg auf eine farbig verwandelte Fensterfront der einstigen Klempnerei. Doch in dieser Woche ist Eintritt nachdrücklich empfohlen, denn nur für wenige Tage präsentiert sich dort der kombinierte Natur- und Pixelzauber der Multimedia-Installation „Aquateque“.

Das Kunstwort meint konkret eine winterliche Bilderreise entlang der Ruhr von ihrer Quelle im Rothaargebirge bis zur Mündung in Ruhrort. Videokunst beim sonst ganz der Farbmalerei verschworenen Verein für aktuelle Kunst (VfaKR): Das hat’s erst im Vorjahr zum allerersten Mal gegeben, als für die bezaubernde Schau „Papier skulptural“ der Schotte Greig Burgoyne seinen slapstickhaften Kampf gegen gewaltige Papierbahnen als bewegte Bilder über die Nordsee schickte.

Gefrorene Bewegung: Aus einigen bezaubernden Details ihrer Filmbilder machten „Above & Below“ eine Serie von Prints.
Gefrorene Bewegung: Aus einigen bezaubernden Details ihrer Filmbilder machten „Above & Below“ eine Serie von Prints. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Auch den aktuellen achtminütigen „Aquateque“-Loop gestaltete ein Team von der britischen Insel: Daria Jelonek und Perry-James Sugden sind Absolventen des renommierten Royal College of Art in London, nennen sich als Studio „Above & Below“ – und verbündeten sich für ihre Tour de Ruhr mit einem Oberhausener Kurator und Klangkünstler: „Above & Below gehen einen steilen Weg in der Kunstwelt“, weiß Einar Fehrholz. Das Karrierepotenzial ist denn auch jeder Filmsekunde anzusehen.

Umgeben von raufreifbestäubten Wiesen

Zusammengefunden hatte das Trio im Residenzprogramm „Kreativcampus Ruhr“ während des Lockdown-Winters 2020 / ‘21, um sich an die frische Luft zu begeben: Die gleichzeitig gedeckten und farbintensiven Bilder von der Ruhr als plätschernder Quelle und später als gemächlicher Fluss, umgeben von raufreifbestäubten Wiesen, verströmen förmlich Frische. Die Klangkunst trägt zu dieser Wirkung einen Gutteil bei. „Wir hatten totales Glück mit den Drehtagen“, sagt Einar Fehrholz, der mit Mikrofonen über und Hydrophonen unter Wasser den Sound der Ruhr sammelte.

Von der Altenberger Halle nach Lissabon

Zu sehen ist die Ausstellung „Aquateque“ in der Halle des Vereins für aktuelle Kunst, Hansastraße 20, noch bis Sonntag, 21. November, jeweils von 16 bis 20 Uhr sowie nach Terminabsprache per Mail an info@vfakr.de. Zur Finissage am Sonntag um 17 Uhr gibt Einar Fehrholz eine Lecture Performance. Danach präsentiert eine Galerie in Lissabon die stimmungsvollen Bilder und Klänge von der Ruhr.

Die angestrahlte Installation von Michael Dekker bleibt als Winterausstellung bis zum 27. Februar 2022 durch die Fensterfront der geschlossenen Halle zu sehen.

Und doch klingt das Ergebnis wie entspannte Musik – nicht bloß wie Glucksen, Plätschern und Rauschen. „Overprocessing“ nennt der Musiker den verschärften Einsatz langer Effektketten. Auch für die Partner von „Drüber & Drunter“ galt als Arbeitsprinzip, ihr Publikum „die Umwelt spektakulär anders wahrnehmen zu lassen“, wie Fehrholz sagt. Ihre Bildbearbeitungen beanspruchen einen beeindruckenden Technik-Einsatz von CGI-Computerbildern über Photogrammetrie und 3-D-Scans bis zu selbstlernenden neuronalen Netzwerken.

Kunst aus dem Rechner: Auf drei kleineren Bildschirmen lässt sich das Entstehen des „Aquateque“-Films nachvollziehen.
Kunst aus dem Rechner: Auf drei kleineren Bildschirmen lässt sich das Entstehen des „Aquateque“-Films nachvollziehen. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

So zaubern Jelonek und Sugden schwebende Kristallformen in ihre Naturaufnahmen – und lassen die schimmernden Rechner-Kreationen während der Fluss-Tour immer technoider aussehen. „Die Reise endet in konkreten, kubischen Formen“, erklärt Einar Fehrholz. Er erlebte es als „spannend, in der Pandemie die eigene Umwelt neu zu entdecken“. Und trotz großen Rechnereinsatzes bemühten sich seine „Above & Below“-Partner, klimaneutral zu arbeiten: Sie kaufen Zertifikate und wählen Serverfarmen, die mit grünem Strom auskommen.

Wie ein Adlerhorst unter der Hallendecke

Die PC-technischen Aspekte fächern drei kleinere Bildschirme im „Aquateque“-Raum auf: von der Idee zur vollendeten „Gamification“ des Ruhridylls. Auf der anderen Seite verstetigen neun große Prints die bewegten Bilder vom Naturzauber. Und die bis zum Februar beleuchtete Kunst einer klassischen Winterausstellung des VfaKR gibt’s auch: Michael Dekker lässt eine raumgreifende Arbeit aus Holzlatten, die wie ein gewaltiger Adlerhorst unter der Hallendecke schwebt, abends anstrahlen. Auch der Bildhauer ist der Musik verbunden: Denn in Bronze schuf Dekker „Rhapsody“, die schwungvolle Preisträger-Plastik des Klavierfestivals Ruhr.