Oberhausen. Kann die Schule für den Zweiten Bildungsweg, das Niederrhein-Kolleg, doch noch in Oberhausen erhalten bleiben? NRW schließt, die Stadt überlegt.

Die Oberhausener Stadtspitze prüft nun doch, ob die Kommune das vor der Schließung stehende Niederrhein-Kolleg (NRK) im Stadtgebiet übernimmt, das bisher vom Land betrieben wird. Der Rat der Stadt hat die Rathaus-Führung mit breiter Mehrheit zu dieser Prüfung ermuntert. NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) hatte angesichts der rechtlich zu niedrigen Studentenzahlen des Kollegs und auf Druck des Rechnungshofes die Schließung der Schule am 31. Juli 2023 angeordnet, auf der Erwachsene auf dem Zweiten Bildungsweg vor allem ihr Abitur nachholen können. Angesichts der wenigen Studenten und Schüler dort ist der Betrieb der Schule dem Land zu teuer geworden.

Nun macht die Politik in der Stadt Druck, das Kolleg doch noch zu erhalten – dem Grünen-Antrag, eine mögliche Übernahme des NRK durch die Stadt zu prüfen, stimmten SPD, Linke, FDP und BOB zu, dagegen votierten CDU, AfD und Einzelratsherr Guido Horn.

Yusuf Karacelik, Linken-Ratsfraktionschef
Yusuf Karacelik, Linken-Ratsfraktionschef © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Linken-Ratsfraktionschef Yusuf Karacelik sieht eine gute Chance, den Zweiten Bildungsweg in Oberhausen zu erhalten. „Frau Gebauer ist überfordert, wir als Stadt sollten klare Kante zeigen. Bildung darf ruhig etwas kosten“, sagte er in der Ratsdebatte. „Wir erwarten vom Oberbürgermeister, dass er alle Register zieht, das Niederrhein-Kolleg zu erhalten.“ Dagegen argumentierte CDU-Ratsfraktionsvorsitzende Simone-Tatjana Stehr mit den Vorschriften an Mindest-Teilnehmerzahlen, die vom Berufskolleg seit Jahren unterschritten wurden. „Wir kommen hinter die geltenden Regelungen nicht zurück.“

Im Vorfeld hatte es im linken politischen Lager Irritationen darüber gegeben, wie sehr sich Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU) überhaupt für das Niederrhein-Kolleg eingesetzt hat. Im Landtag hatte Gebauer zur Überraschung der Stadtspitze laut Protokoll am 16. Februar 2022 Folgendes gesagt: „Soweit ich das sagen kann – ich war kein Gesprächspartner –, hat man in diesem Gespräch (Oberbürgermeister Daniel Schranz mit Staatssekretär Mathias Richter) wohl auch ein gemeinsames Verständnis für die Situation und im Ausgang dann auch für die Schließung entwickelt.“ Zudem sei laut Ministerin „verabredet worden, zu versuchen, eine attraktive Nachnutzung für diesen Standort zu finden“.

Am Ende blieben nur noch elf Studierende

In den letzten drei Schuljahren erfüllte das Niederrhein-Kolleg (NRK), früher Oberhausen-Kolleg genannt, an der Wehrstraße 69 in Alt-Oberhausen die vorgegebene Mindestgröße von 240 Studierenden durchgängig nicht, um die Qualität und Vielfalt des Unterrichts aufrechtzuerhalten.Zuletzt wurden in den Fachsemestern nur 139 Studierende gezählt. Typisch ist es zudem, dass die Zahl der Teilnehmer im Laufe der Jahre sinkt, weil nicht alle, die ihr Abitur nachmachen wollen, bis zum Ende durchhalten. So verblieben von 75 angemeldeten NRK-Studierenden im ersten Semester (2017/18) im fünften Semester (2019/20) nur noch 23 Studierende. Von 69 angemeldeten Studierenden im ersten Semester (2019/20) waren es im Schuljahr 2021/22 (fünftes Semester) nur noch elf Studierende.

Vor allem die Oberhausener Linken zeigten sich darüber empört: „Da sind wohl hinter unserem Rücken Fakten geschaffen worden, die wir nicht akzeptieren werden“, schrieb kurz danach Karacelik. „Es ist zum Beispiel eine kommunale Schulträgerschaft möglich – oder ein Zusammenschluss mit anderen Schulträgern. Warum wurde dies nicht als reale Möglichkeit behandelt und ein Konzept erarbeitet?“

Tatsächlich hatte Schulministerin Gebauer vor dem Landtag beteuert, dass es vonseiten der Stadt Oberhausen kein Angebot gegeben habe, das Berufskolleg kommunal zu betreiben: „Es gab kein Signal der Stadt Oberhausen, dass sie vorhat, in die Trägerschaft einzusteigen. Wir haben darauf aufmerksam gemacht und gesagt, wir würden uns freuen, wenn es Angebote gäbe. Diese können aber letztendlich nur von kommunaler Seite erfolgen, und sie sind nicht erfolgt.“

Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP)
Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Wann wusste Oberbürgermeister Daniel Schranz was – und wie hat er reagiert? Das wollte nach diesen Aussagen der Ministerin auch Peter Bruckhoff, Ratsherr von „Bündnis Oberhausener Bürger“ (BOB), wissen – und stellte vier detaillierte Fragen, die das Stadtoberhaupt nun ausführlich beantwortete. Selbstverständlich freut sich kein Oberbürgermeister irgendeiner Stadt darüber, wenn das Land Behörden, Einrichtungen oder Schulen im Stadtgebiet schließen will, insofern gab es kein „gemeinsames Verständnis für die Schließung des Niederrhein-Kollegs“.

Erläuterte dem NRW-Schulministerium bereits beim ersten Telefonat die Bedeutung des Niederrhein-Kollegs für Oberhausen: Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU).
Erläuterte dem NRW-Schulministerium bereits beim ersten Telefonat die Bedeutung des Niederrhein-Kollegs für Oberhausen: Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU). © FUNKE/Fotoservices | Gerd Wallhorn

Vielmehr hat Schranz nach eigenen Angaben sofort beim ersten Telefonat mit dem Schulministerium Ende November 2021 darauf hingewiesen, wie bedeutend die Bildungseinrichtung Niederrhein-Kolleg für Oberhausen ist. Zugleich bestätigt die Stadtspitze aber auch, dass die mögliche Nachnutzung des Standorts durch das Land thematisiert wurde und es bisher kein Angebot der Stadt gab, das NRK in kommunaler Hand weiterzubetreiben. Diese Prüfung soll erst jetzt erfolgen – Gesprächstermine mit dem Ministerium sind vereinbart.

Weitere Berichte zum Thema Schließung des Niederrhein-Kollegs (NRK):

Erstmals hat Oberbürgermeister Daniel Schranz von dem für die Stadt vollkommen überraschenden Schließungsbeschluss am 23. November 2021 erfahren – in dem vertraulichen Gespräch mit dem Staatssekretär des NRW-Schulministeriums, Mathias Richter.

Am 4. Februar 2022 versuchte Schranz dann in einem Videotelefonat mit dem Ministerium, die Bedingungen für einen Erhalt des Kollegs auszuloten – und wollte ein Moratorium, eine Pause vom Schließungsbeschluss, erreichen, um über Perspektiven der Schule zu reden. Vergeblich. Das bisher letzte und dritte Gespräch erfolgte telefonisch mit dem Staatssekretär am 15. März, der auch noch ein Schreiben hinterherschickte. Ergebnis: Man will nun weiter im Gespräch über die Zukunft des Berufskollegs bleiben.