Oberhausen. Das Niederrhein-Kolleg in Oberhausen wird geschlossen. Das hat das Land wegen sinkender Schülerzahlen beschlossen. Nun wehren sich viele.
Die schwarz-gelbe NRW-Landesregierung hat beschlossen, das Oberhausener Niederrhein-Kolleg zu schließen – und damit eine Protestwelle ausgelöst. Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte des Kollegs demonstrierten bereits vor der letzten Ratssitzung in diesem Jahr in der Luise-Albertz-Halle am vergangenen Montag. Sie bekräftigten dort, was sie von der Entscheidung des Landes halten: „Wir sind hier, wir sind laut, weil Ihr uns die Bildung klaut!“ Teile der Politik stellen sich schon jetzt an die Seite des Kollegs, andere warten ab.
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Das Niederrhein-Kolleg ist eine Einrichtung des Zweiten Bildungsweges: Erwachsene ab 18 Jahren können dort sowohl die Fachhochschulreife als auch das Abitur nachholen. Abschlüsse und Lerninhalte entsprechen denen der gymnasialen Oberstufe. Träger des Kollegs ist das Land NRW. Und das sieht als schulgesetzliche Vorgabe vor, dass mindestens 240 Studierende das Kolleg besuchen müssen. Doch die Zahlen sind rückläufig, 197 Studierende waren es laut Ministerium im Schuljahr 2020/2021. Auch deshalb soll das Kolleg nun zum 31. Juli 2023 sukzessive aufgelöst werden, Neuanmeldungen sind ab sofort nicht mehr möglich.
SPD spricht von „Nacht- und Nebelaktion“
Zurück zur vergangenen Ratssitzung: Auf der Tagesordnung stand die Schließung des Kollegs zwar nicht, SPD-Ratsherr Jörg Schröer nutzte trotzdem die Gelegenheit, die Schließung als „inakzeptabel“ zu bezeichnen. Die Sozialdemokraten würden sich mit der Entscheidung nicht abfinden wollen, „der Rat wurde ja noch nicht einmal angehört“. Das Vorgehen der Landesregierung kritisierte er als „Nacht- und Nebelaktion“.
Linken-Fraktionschef Yusuf Karacelik schlug spontan vor, gemeinsam im Rat Protest gegen die Entscheidung der Landesregierung zu äußern. Doch ohne einen Tagesordnungspunkt scheiterte er damit aus formalen Gründen. CDU-Fraktionsvorsitzende Simone-Tatjana Stehr schlug stattdessen vor, sich im nächsten Jahr mit dem Thema zu befassen. So sah es auch Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU), der dennoch einem Punkt der SPD widersprach: Das Land habe nicht im Geheimen über die Zukunft des Kollegs entschieden; die Stadt habe eine vertrauliche Vorab-Information erhalten.
Politik fürchtet Loch im Bildungsangebot
Mit ihrem Protest legen Teile der Politik dennoch nach. So meint etwa das Bündnis Oberhausener Bürger (BOB), die Schließung reiße „ein großes Loch in das hiesige Bildungsangebot“. Rückläufige Schülerzahlen seien kein ausschlaggebendes Argument. Dass die Zahl der Schülerinnen und Schüler am Kolleg in der Pandemie abgenommen habe, sei mit Blick auf Ansteckungsgefahr und Schulschließungen absehbar gewesen. Und gerade wegen der Corona-Pandemie sei die Schule an der Wehrstraße gerade jetzt unerlässlich.
Diese Möglichkeit habe die Landesregierung nun vertan. „Diese Vorgehensweise ist rücksichtslos und zeugt gerade im Hinblick auf eine Bürgerbeteiligung von einem äußerst ungebührlichen Umgang mit den Beteiligten“, sagt Peter Bruckhoff, Vorsitzender der zweiköpfigen BOB-Gruppe im Stadtrat.
Petition gestartet
Die Nachricht über das geplante Aus des Niederrheinkollegs hat auch ehemalige Studierende aufgeschreckt. Eine Ehemalige hat mittlerweile eine Online-Petition gestartet, die binnen weniger Tage hundertfach unterzeichnet wurde. Man findet sie auf der Online-Plattform change.org (Stichwort: Niederrheinkolleg).In einer Rundmail hat sich zudem Marvin Möller unter anderem an den Landtag, die Politik und die Gewerkschaft gewandt. Im Februar wollte er starten, das Abitur in Oberhausen nachzuholen, doch daraus wird nichts. „Ich bitte Sie von ganzem Herzen, die Entscheidung der Schließung zu überdenken“, schreibt er.Und weiter: Das Niederrheinkolleg „ist für viele Menschen ein Schlüssel zu einer besseren Zukunft, eine zweite Chance, für die wir so dankbar sind, sie in diesem Land haben zu dürfen. In dieser Zeit, in der wir mit so vielen Einschränkungen leben müssen, mit immer mehr Menschen, die aufgrund von Corona in die Arbeitslosigkeit abrutschen, können wir nicht auch noch auf das wichtigste Gut verzichten: die Bildung.“
Neben BOB kritisieren auch die Grünen die geplante Schließung des Niederrhein-Kollegs. „Es kann nicht sein, dass die zweitälteste Einrichtung dieser Art in Deutschland und die älteste in NRW sang- und klanglos die Türen schließt“, sagt die schulpolitische Sprecherin der Ratsfraktion Sandra Gödderz.
Auch die Grünen könnten die vom Land vorgelegten Zahlen nicht überzeugen. Sie schlagen daher vor, „eine bessere Öffentlichkeitsarbeit zu machen, damit am Niederrheinkolleg mehr Menschen im Erwachsenenalter die Chance auf einen höheren Bildungsabschluss ergreifen“. Gödderz sieht im Vorgehen der schwarz-gelben Landesregierung die Beschneidung des zweiten Bildungsweges. Dieser sei jedoch eine wichtige Errungenschaft. „Das darf in unserem Bundesland kein Auslaufmodell werden. Daher stehen wir explizit zu diesem Thema mit unserer bildungspolitischen Sprecherin der Landtagsfraktion, Sigrid Beer, in Kontakt.“