Oberhausen. Die Teilnehmerzahlen sind einfach zu schlecht: NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer legt sich fest. Das Aus fürs Niederrhein-Kolleg ist besiegelt.

Trotz zunehmender Proteste von Schülern, Lehrern, Ehemaligen und Oppositionspolitikern bleibt Schul- und Bildungsministerin Yvonne Gebauer (FDP) dabei: Die landesweit älteste Schule, um dort das Abitur als Erwachsener auf dem zweiten Bildungsweg nachzuholen, wird definitiv am 31. Juli 2023 geschlossen – der Betrieb des Niederrhein-Kollegs (NRK), 1953 als „Oberhausen-Kolleg“ gestartet, läuft aus. Das versicherte die Ministerin jetzt der Redaktion. Die Schließung sei aus mehreren sachlichen Gründen zwingend geboten.

Dabei weiß die FDP-Politikerin genau: Diese Entscheidung ist nicht nur wegen der betroffenen Studentinnen und Studenten sowie dem Lehrerkollegium heikel, sondern auch wegen des Zeitpunkts. Im anstehenden Landtagswahlkampf spielen traditionell Bildungsthemen eine entscheidende Rolle – und plötzlich sieht es so aus, als würde ausgerechnet die schwarz-gelbe Landesregierung im Bildungsbereich kürzen, kappen und einem Teil der Erwachsenen ihre Aufstiegschancen rauben.

Ministerin: Unser Versprechen ,Aufstieg durch Bildung’ gilt

Doch Gebauer versichert, dass das Versprechen der Landesregierung, Aufstieg durch Bildung zu realisieren, nicht vom Tisch ist – und der Beschluss gegen das Oberhausener Kolleg schwergefallen sei. „Über die Schließung eines Schul- und Bildungsstandortes wird niemals leichtfertig entschieden. Allerdings ist über mehrere Jahre in Folge die Nachfrage nach Bildungsangeboten am Niederrhein-Kolleg stark zurückgegangen. Dies bleibt nicht ohne Konsequenzen für die Qualität des Lehrens und Lernens“, urteilt die Ministerin. Für Menschen, die auf dem zweiten Bildungsweg ihre Bildungschancen ergreifen wollen, gebe es – anders als zur Zeit der Gründung des NRK in den 1950er Jahren – viele Angebote in der näheren Umgebung.

Yvonne Gebauer (FDP), Schulministerin von NRW, im Landtag.
Yvonne Gebauer (FDP), Schulministerin von NRW, im Landtag. © dpa | Oliver Berg

Das Ministerium verweist auf die Weiterbildungskollegs von Düsseldorf, Gelsenkirchen oder Essen, wo seit dem 1. Februar 2022 das Nikolaus-Groß-Weiterbildungskolleg den Bildungsgang „Kolleg“ neu eingerichtet hat. „Die Entscheidung der Landesregierung ist in unser aller Interesse, denn um an unseren Schulen die Bedingungen für beste Bildungen zu schaffen, müssen wir besonders die personellen Ressourcen so wirksam wie möglich einsetzen“, argumentiert Ministerin Gebauer.

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Die seit 2013 sinkenden Studierendenzahlen am Niederrhein-Kolleg führten nach Angaben des Schulministeriums zu immer schlechteren Bedingungen für die Studentinnen und Studenten vor Ort: Kleine Kursgrößen würden die Gestaltung des Unterrichts wenig dynamisch machen; das Lehrerkollegium sei immer kleiner geworden, einzelne wichtige Fächer seien nur durch eine Lehrkraft vertreten – so sei die Entwicklung und Qualität des Fachunterrichts erschwert. Die Folge: Studierende hätten eine geringe Vielfalt des Fach- und Kursangebots und könnten dort ihre Laufbahn schlechter gestalten als an anderen Kollegs.

Schlechte Teilnehmerzahlen des Niederrhein-Kollegs

Die Zahlen sehen nach Daten des Schulministeriums tatsächlich schlecht aus: In den letzten drei Schuljahren erfüllte das NRK an der Wehrstraße 69 in Alt-Oberhausen die vorgegebene Mindestgröße von 240 Studierenden durchgängig nicht, um die Qualität und Vielfalt des Unterrichts aufrechtzuerhalten.

Hat seit Jahren mit sinkenden Studentenzahlen zu kämpfen: das Niederrhein-Kolleg an der Wehrstraße 69 in Alt-Oberhausen.
Hat seit Jahren mit sinkenden Studentenzahlen zu kämpfen: das Niederrhein-Kolleg an der Wehrstraße 69 in Alt-Oberhausen. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Zuletzt wurden in den Fachsemestern nur 139 Studierende gezählt. Typisch ist es zudem, dass die Zahl der Teilnehmer an dem zweiten Bildungsweg im Laufe der Jahre sinkt, weil nicht alle, die ihr Abitur nachmachen wollen, bis zum Ende durchhalten. So verblieben von 75 angemeldeten NRK-Studierenden im ersten Semester (2017/18) im fünften Semester (2019/20) nur noch 23 Studierende. Von 69 angemeldeten Studierenden im ersten Semester (2019/20) waren es im Schuljahr 2021/22 (fünftes Semester) nur noch elf Studierende.

Der Landesrechnungshof hatte deshalb die Lage des Niederrhein-Kollegs bereits 2019 sehr kritisch ins Visier genommen – vor allem mit Blick auf den Einsatz von teuren Lehrkräften und die Effizienz der eingesetzten Gelder. Fazit der Prüfer: Eine Schließung des Kollegs sei sinnvoll, zumal der Bildungsgang auch an benachbarten Weiterbildungskollegs angeboten werde.

Alle Studierenden, die im Wintersemester des Schuljahres 2021/2022 die Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe besuchen, können nun ihren Abschluss noch an dieser Schule erwerben. Die anderen Studierenden, die ihren Bildungsgang bis zur Schließung des NRK Mitte 2023 nicht mehr abschließen können, müssen die Schule wechseln.

In ganz NRW gibt es 47 Weiterbildungskollegs

Das Niederrhein-Kolleg (NRK) in Oberhausen besteht seit 1953 in Trägerschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.Im Schuljahr 2020/21 gab es landesweit 47 Weiterbildungskollegs, die ihren Studierenden die Möglichkeit eröffnen, auf dem Zweiten Bildungsweg Abschlüsse bis zur Allgemeinen Hochschulreife zu erwerben. Nach Auffassung des NRW-Schulministeriums spielen „Weiterbildungskollegs in einer sich stetig wandelnden Berufs- und Lebenswelt eine wichtige Rolle“.