Oberhausen. Studierende des Niederrhein-Kollegs in Oberhausen protestieren gegen dessen Schließung. Sie richten einen dringenden Appell an die Politik.

Der Protest gegen das Aus für das Oberhausener Niederrhein-Kolleg geht in die nächste Runde. Am Dienstag demonstrierten Studierende des Kollegs, an dem Erwachsene auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur nachmachen können, gegen den Schließungsplan der Landesregierung. Symbolisch trugen sie ihre Hoffnungen und Zukunftspläne zu Grabe.

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Wie berichtet soll das Kolleg bis Sommer 2023 auslaufen, unter anderem weil die erforderliche Mindestzahl an Studierenden nicht mehr erreicht wird: 240 sollten es nach dem Schulgesetz sein, zuletzt waren es knapp 200. Aus der Politik hagelte es Proteste; SPD, Grüne, Linke und das Bürgerbündnis BOB kritisieren die geplante Schließung deutlich.

Keine Volkswirtschaftslehre mehr im Angebot

Als „Ersatz“ für die Studierenden wandelt das Land das Essener Nikolaus-Groß-Abendgymnasium in ein Kolleg um. Doch zufrieden sind die Betroffenen damit nicht. Sie bemängeln vor allem das kleinere Fachangebot: In Essen gebe es keine Angebote in Volkswirtschaftslehre, Philosophie, Soziologie, Kunst und Chemie. Wollen die Studierenden ein größeres Angebot an unterschiedlichen Fächern, müssten sie nach eigener Auskunft ans Gelsenkirchener Weiterbildungskolleg Emscher-Lippe wechseln. „Eine Stunde und 40 Minuten mit dem Nahverkehr vom Niederrhein-Kolleg entfernt“, klagt Sven Krueger, Sprecher der Oberhausener Studierenden.

Die Studierenden wollen in Oberhausen bleiben. „Alle Alternativen haben im Gegensatz zum Niederrhein-Kolleg kein angeschlossenes Wohnheim, alle Alternativen sind in Städten mit höheren Lebenshaltungskosten als in Oberhausen angesiedelt“, erklärt Krueger. Sorge bereitet ihm auch der Druck, unter dem die Studierenden des Abiturjahrganges im Sommersemester 2023 nun stünden: Wenn das Kolleg im Sommer schließt, haben sie keine Wiederholungsmöglichkeit, sollten sie die Prüfungen nicht bestehen oder etwa wegen familiärer Verpflichtungen gar nicht erst antreten können.

Studierende: „Bildung ist Aufgabe des Staates“

Ihre Kritik verbinden die Studierenden mit der Aufforderung an die Politik, „sich endlich mit einer Reform des zweiten Bildungsweges auseinanderzusetzen“. Statt Reformen voranzubringen, würden innerhalb kürzester Zeit zwei Weiterbildungskollegs im Herzen des Ruhrgebiets geschlossen. Gemeint ist das Ruhr-Kolleg in Essen, das nach 60 Jahren ebenfalls vor dem Aus steht.

Zweiter vorgeschriebener Bildungsgang fehlt

Die zu geringe Zahl an Studierenden ist nicht der einzige Grund für das Land, das Niederrhein-Kolleg zu schließen. Ebenso fehlt nach Angaben der Regierung neben dem Bildungsgang „Kolleg“ ein zweiter, eigentlich vorgeschriebener Bildungsgang, um bestehen zu können. Weiterbildungskollegs in NRW sind unterteilt in die Bildungsgänge Abendrealschule, Abendgymnasium, Kolleg und „Abitur Online“ – jeweils mit unterschiedlichen Zugangsvoraussetzungen, Schwerpunkten und Abschlüssen.

Die Studierenden des Niederrhein-Kollegs halten dieses Argument des Landes für nicht stichhaltig: „Das Niederrhein-Kolleg hätte einen zweiten Bildungsgang bekommen können; der Schulträger, das Land NRW, hatte 70 Jahre, um diese Entscheidung zu treffen.“ Das Kolleg habe etwa mit dem Abendgymnasium Duisburg fusionieren können. „Stattdessen zu erwarten, dass sich die Studierendenzahlen während einer Pandemie stabilisieren, die geprägt ist von Schulschließungen und Unsicherheiten im Kontakt, kann nur schwierig als umsichtig bezeichnet werden.“

Die Politik beteuere zwar Interesse am zweiten Bildungsweg, kümmere sich aber nicht um die Bedürfnisse der Betroffenen. „Bildung ist Aufgabe und Verpflichtung des Staates, Bildung ist Ländersache. Eine Schule in staatlicher Trägerschaft zu schließen, um die Studierenden an Schulen in nicht-staatlicher Trägerschaft zu schicken, wird diesem Auftrag nicht gerecht.“ Träger des Nikolaus-Groß-Kollegs ist das Bistum Essen.