Oberhausen. Regisseur Hakan Savaş Mican verwandelt fürs Theater Oberhausen den Exilroman von Anna Seghers in eine musikalisch-filmische Reiseerzählung.

Von Frankreichs mediterraner Metropole Marseille über den Atlantik zur Karibikinsel Martinique, weiter nach New York, entlang der US-Südstaaten zu Mexikos größtem Atlantikhafen Veracruz und schließlich ins Hochland nach Mexiko-Stadt: Dies ist keine per Katalog buchbare mondäne Kreuzfahrt mit ausgedehnten Landpartien. Es war 1941 die Fluchtroute von Anna Seghers (1900 bis 1983) und ihrer Familie aus dem von Hitlers Armeen überfallenen ersten Exil in Frankreich. „Transit“, ihren literarischen Rückblick auf diese Zeit, bringt das Theater Oberhausen nun auf die Probebühne in Buschhausen. Die Premiere an der Lessingstraße 13 steigt am Freitag, 6. Mai, um 19.30 Uhr.

Hakan Savaş Mican ist der Flüchtlingsroute des Zweiten Weltkriegs mit der Kamera gefolgt – nicht bis in die neue Welt, aber bis nach Portugal. Der 44-jährige Hausregisseur des Maxim-Gorki-Theaters hatte für das kleinste der Berliner Staatstheater „Die Nacht von Lissabon“ nach Erich-Maria Remarque inszeniert und für diese Arbeit die „Videoreise“ unternommen. Und die startete – „Ironie des Schicksals“, wie Mican sagt – seinerzeit in Oberhausen. Schon damals hatte der Grimme-Preisträger, der sich nach einem Architekturstudium zunächst einen Namen als Filmregisseur machte, parallel auch „Transit“ gelesen. Jetzt greift er fürs Theater Oberhausen zurück auf damals ungenutzte Filmszenen.

Anna Seghers in einer Aufnahme von 1947, unmittelbar nach ihrer Rückkehr von Mexiko nach Berlin.
Anna Seghers in einer Aufnahme von 1947, unmittelbar nach ihrer Rückkehr von Mexiko nach Berlin. © Unbekannt | Deutsches Historisches Museum, Berlin

„Für mich ist es wie eine Fortsetzung“, sagt Mican über die „dramaturgische Kollision“, einem großen Text der deutschen Exilliteratur seine eigenen Erfahrungen als Sohn türkischer Eltern zwischen Berlin und Ankara gegenüberzustellen. Anna Seghers’ namenloser Erzähler (auf der Probebühne Julius Janosch Schulte) scheint für dieses Changieren zwischen Distanz und Nähe wie geschaffen: Auf seiner Flucht aus einem Konzentrationslager hat der 27-Jährige die Identität des Schriftstellers Weidel angenommen und teilt nun in Marseille das Schicksal jener, die – ihre Tage in Warteschlangen und möglichst billigen Cafés verbringend – auf Visa, Transit-Papiere und ihre weiteren Reisedokumente warten.

Analytischer Blick und herzzerreißendes Temperament

Doch „Weidel“ lässt sich von Hektik und Panik nicht anstecken, bleibt als Beobachter „cool“ (eine Haltung, die Anna Seghers als angesagten Begriff erst in den USA kennenlernen sollte). Diese Distanziertheit und nicht zuletzt herbe Ironie angesichts der Pass-Absurditäten auf dem Weg zur ersehnten Rettung nennt der „Transit“-Regisseur „interessant für die Bühne“. Hakan Savaş Mican arbeitet stets auch mit eigenen Text-Elementen: Spürt er doch – „als ein Kind der ersten Arbeitsmigranten“ – ebenfalls jene Not, die sich einem Jahre und Jahrzehnte andauernden Leben im Provisorium aufprägt.

So hörte er in „Transit“ eine tiefe Melancholie, die sich für den 44-Jährigen in die Musik der Mittelmeerländer übersetzt: vom portugiesischen Fado bis zum griechischen Rembetiko. Das Oberhausener Ensemble werde auf der Probebühne „meisterlich musizieren“, verspricht Mican. Schließlich hat es dank Bühnenmusiker Martin Engelbach auch in diesem Metier seit fünf Jahren reiche Erfahrung. „Der deutsche analytische Blick trifft auf das herzzerreißende Temperament des Mittelmeers“, so umreißt der Regisseur die „Transit“-Atmosphäre. „Hafenstädte sorgen eben für die schönsten Mischungen.“

Hakan Savaş Mican, gebürtiger Berliner und Hausregisseur des Maxim Gorki Theaters.
Hakan Savaş Mican, gebürtiger Berliner und Hausregisseur des Maxim Gorki Theaters. © Unbekannt | Maxim Gorki Theater

Als Lars-Ole Walburg vor vier Jahren in Oberhausen „Das siebte Kreuz“, ebenfalls nach Anna Seghers, inszenierte, bedauerte er im Gespräch das Fehlen noch so schwarzen Humors in dieser dramatischen Romanvorlage. Das ist bei „Transit“ anders, bestätigt Hakan Savaş Mican: „Ohne Humor könnten wir mit dem ganzen Schmerz nicht umgehen.“ Im bereits unmittelbar nach Seghers’ geglückter Flucht vollendeten Roman heißt es zum Schluss mit trotzigem Optimismus: „Ich will jetzt Gutes und Böses hier mit meinen Leuten teilen, Zuflucht und Verfolgung.“

Im Theater gilt nach wie vor Maskenpflicht

Tickets für die Premiere – und die folgenden Aufführungen – auf der Probebühne in Buschhausen, Lessingstraße 13, kosten 23 Euro, ermäßigt 5 Euro, erhältlich unter 0208 8578 184 oder per Mail an besucherbuero@theater-oberhausen.de. Weitere Vorstellungen folgen am Sonntag, 8., Mittwoch, 11., Samstag, 14., Mittwoch, 18., Samstag, 21., Sonntag, 22., Freitag, 27., und Sonntag, 29. Mai.Eine Kartenstelle richtet das Theater an den Aufführungsabenden auch in Buschhausen ein – und empfängt die Besucher in einem besonderen Foyer-Zelt. Im Probensaal 2 gilt fürs Publikum nach wie vor Maskenpflicht.