Gelsenkirchen. Tauben verursachen viel Dreck in Gelsenkirchen. Welche Maßnahmen die Stadt vorhat, wie Vogelfreunde das bewerten, welche Vorschläge es gibt.
Tauben sind Streitthema und ein Problem. Auch in Gelsenkirchen. Ihr Kot verschandelt Straßen, Plätze und Häuser. Beispielsweise an der Eisenbahnunterführung an der Bokermühlstraße. Abhilfe dort sollen Umbauten schaffen, doch dagegen machen Taubenfreunde mobil. Was sie fordern und wie die Stadt die Möglichkeiten der Abhilfe einschätzt.
Gelsenkirchener Taubenfreunde sehen Gefahr für die Tiere durch Brückenumbau
Der Widerstand der Taubenfreunde richtet sich gegen den Umbau der Unterführung. Gutachterlich begleitet, sollen Brutplätze der Vögel an den Widerlagern der Brücke verschlossen werden. Taubenfreunde wie Karl Henke vom Förderkreis Taubenhaus Buer und Antonia Roth, die mit anderen den Verein Schalker Täubchen Tierschutzprojekt gründet, sehen eine Gefahr für die Tiere, insbesondere für den schützenswerten Nachwuchs.
Roth zufolge würden die geplanten Bauarbeiten die Altvögel zwanghaft vertreiben, es sei denn, sie befänden sich gerade auf Futtersuche. „Küken und Nester müssten allerdings gewaltsam entfernt werden“, glaubt Roth. Sie befürchtet durch die Baumaßnahmen wie „schon andernorts eingeschlossene Tauben/Küken, die zu verhungern drohen“. Ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. Roth wie Henke setzen sich daher dafür ein, dem Augsburger Modell zu folgen.
Augsburger Modell: Mehr als zehn betreute Heimstätten für Tauben, hoher Kostenfaktor
Die Stadt Augsburg hat ähnliche Probleme wie Gelsenkirchen und verfügt mittlerweile nach eigenen Angaben über zehn Taubenschläge und zwei Türme, deren Betreuung in den Händen des Tierschutzvereins Augsburg und Umgebung liegt. Die Tiere bekommen artgerechtes Futter, ihre Verschläge werden gereinigt und die Eier werden zur Populationsregulierung gegen Attrappen ausgetauscht. Die Kosten für die Taubenhäuser belaufen sich demnach auf bis zu 10.000 Euro pro Stück, jährlich kommen etwa rund 30.000 Euro Betriebskosten dazu. Die Stadt bezuschusst die Arbeit des Vereins.
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Solch ein Taubenhaus gibt es schon in Gelsenkirchen, und zwar am Busbahnhof in Buer. Henke und seine Mitstreiter kümmern sich um die Tiere. Weitere sollen nach dem Willen der Stadt und nach dem Wunsch der hiesigen Taubenfreunde dazu kommen. Letztere haben mehrere Ideen, von wem die Verschläge bewirtschaftet (Reinigung, Fütterung etc.) werden sollen. Ein Vorschlag lautet Gelsendienste, ein anderer die Stadtvogelhilfe und der Förderkreis Taubenhaus über Zuschüsse durch die Stadt.
Umgebauter Bauwagen im Gelsenkirchener Süden soll Tauben aus der City locken
Im Süden der Stadt soll „ein umgebauter Bauwagen an der Robert-Koch-Straße“, so Stadtsprecher Martin Schulmann, neue Heimstätte für die vielfach als „Ratten der Lüfte“ bezeichneten Flieger werden. Eine weitere betreute Taubenherberge entsteht Roth zufolge gerade in Schalke. „Der Bauverein Gelsenkirchen stellt den Dachboden eines Hauses zur Verfügung und finanziert die nötigen Umbauarbeiten“, sagt die Gelsenkirchenerin.
Taubenkot lässt Pilze wachsen, die Säure ausscheiden
Taubenkot ist unansehnlich. Die Hinterlassenschaft sind nicht direkt schädlich für Gebäude, mehr die Ausscheidungen von Pilzen, die auf diesem Nährboden wachsen. Die feinen Ausläufer der Pilze dringen ins Gestein ein und scheiden Säure ab, was den Stein dann schädigt. Und wenn dann Flüssigkeit in den Stein eindringt, kann der Stein bei Frost gesprengt werden.Die Stadt Gelsenkirchen hatte vielfach auch schon Greifvögel von Falknern im Einsatz, um die Taubenschwärme zu vertreiben. Der Schreck über Fressfeinde hat meist nicht lange angehalten. Greifvogel-Attrappen bringen ebenso wenig, Tauben und andere Vögel haben es schnell raus, dass keine Gefahr droht. Ultraschall und Vogelscheuchen sind ebenso wenig effektiv.
Mit den Taubenhäusern sollen die Taubenschwärme aus der Innenstadt gelockt werden. Damit ist das Problem aber nicht gelöst, „sondern es verlagert sich in andere Stadtteile“. Diese Befürchtung äußerte zumindest Stadtsprecher Martin Schulmann. Eine weitere Hürde dürfte die Kostenfrage sein, mehr Arbeit für Gelsendienste würde demnach eine „Erhöhung der Gebühren für die Bürger bedeuten“, so Schulmann. Darüber müsse man sich im Klaren sein. Ähnliches gilt für Zuschüsse, auch die müssen sich irgendwo im Haushalt niederschlagen.
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Zweifel an der Effektivität der Taubenhäuser dürfte ein Interview des Biologie-Professors Daniel Haag-Wackernagel mit der Zeitung Die Welt nähren. Darin hat der Experte dargelegt, dass sich Tauben als orttreue Vögel nicht so einfach umsiedeln lassen, „weil sie sich auf ihren Brutplatz prägen und nicht einfach einen neuen Schlag besiedeln. Als Beispiel nannte er ein neu gebautes Taubenhaus in Berlin für 60 bis 70 Tiere, in dem aber gerade einmal drei Paare brüteten. Man könne Tauben zwar ihre Eier wegnehmen und durch Attrappen austauschen. Aber sobald kein Nachwuchs schlüpfe, legten sie einfach neue Eier, so der Experte weiter.
Die Stadt Augsburg hat diese Erfahrung gemacht. Sinkende Zahlen der Eierentnahme deuteten zunächst darauf hin, dass sich die Population der Tauben dort verringert hat, danach erreichten die Legezahlen nahezu ursprüngliches Niveau.
Biologe: Nur Verknappung des Nahrungsangebotes verringert Taubenpopulation
Wirksam geholfen hat dem Biologen nach nur eine drastische Verknappung des Nahrungsangebotes, flankiert von mechanischen Abwehrmaßnahmen wie Gitter, Netze und Spikes auf Baukörpern. „Wer Tauben loswerden will, darf sie nicht füttern und sollte versuchen, auch Abfälle, die auf die Straße gelangen, zu reduzieren“, sagte der Professor gegenüber der Welt. In Augsburg hat sich die Population von anfänglich 25.000 Tauben auf 5000 bis 8000 reduziert. Bestandszahlen für Gelsenkirchen gibt es laut Stadt nicht.
Ein Stopp der Fütterungen dürfte zumindest für die Gelsenkirchener Innenstadt ein schweres Unterfangen sein, denn immer wieder streuen Taubenfreunde beispielsweise vor dem Musiktheater oder auf dem Heinrich-König-Platz Futter aus. Trotz zahlreicher Verbotsschilder. Getränke und Essen „to go“ sind zudem in Mode, da fällt immer was ab.
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Jasmin Tönnes von der Stadtvogelhilfe Gelsenkirchen glaubt, dass das illegale Füttern bald ein Ende hat: „Wir kennen die Fütterer. Sie wollen damit aufhören, sobald mehr Taubenhäuser in Betrieb gehen.“ Tönnes hat nach der Corona-Krise zusammen mit 15 weiteren Helfern wieder angefangen, die Situation an der Bokermühlstraße wieder zu entschärfen. Sie und ihre Mitstreiter „tauschen Eier in den Gelegen dort aus, machen den Taubendreck weg.“ Die Gruppe würde sich auch um das künftige Taubenhaus an der Robert-Koch-Straße kümmern wollen .
Ob das die Probleme an der Brücke und andernorts löst? Abwarten, die Tauben müssen ja auch noch mitspielen. Bekanntlich findet die Natur immer einen Weg.