Dortmund. 12000 Menschen besuchen am Wochenende die weltgrößte Taubenausstellung in Dortmund. Einige der Tauben stehen vor der Reise ihres Lebens.

Vermutlich ist es ja die erste Taubenversteigerung aus Dortmund, die direkt nach China übertragen wird. Ganz hinten im Saal stehen zehn chinesische Influencer in knallroten Jacken, sie übertragen das Geschehen an ihre Follower daheim und greifen gelegentlich ein. Zack, geht schon wieder ihre Bieterkarte hoch, die Nummer 28; zack, noch eine Taube, die demnächst eine Flugreise macht. Brieftauben sind populär in China, die Leute wetten hohe Summern auf sie. Zack, noch eine Taube. Ein 1500-Euro-Schnäppchen!

In der gediegenen Atmosphäre des Dortmunder Goldsaals versteigern sie 100 Tauben, in den Westfalenhallen nebenan geht es zu wie in dem berühmten Schlag, um mal ein geflügeltes Wort zu benutzen. Denn es ist ja die Deutsche Brieftauben-Ausstellung (DBA), und das ist DIE deutsche Brieftaubenausstellung. 2000 Tiere gurren und gucken, picken und scharren oder stecken einfach nur den Kopf in die Federn, messemüde, hundemüde.

„Diese Lebensleistung ist unbedingt zu würdigen“

All die Jungtaubenmeister und As-Weibchen, die Kropf- Farb- und Huhntauben, die Tümmler und Mövchen, Tauben, alles Tauben. Die ,Superstars’ in einer eigenen Ecke, vor denen dann Schilder in Taubenvaterdeutsch informieren: „79/64 und 2. mal 1. Konkurs“. Bedeutet: Die Taube hat bei 79 Flügen 64 Preise gewonnen und war zweimal erste.

2000 Tauben, vor allem Preisträger aller Art, sind in den Westfalenhallen am Wochenende des 4. und 5. Jasnuar ausgestellt.
2000 Tauben, vor allem Preisträger aller Art, sind in den Westfalenhallen am Wochenende des 4. und 5. Jasnuar ausgestellt. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann


„Diese Lebensleistung ist unbedingt zu würdigen“, sagt ein Züchter zum anderen, während eine Gruppe weiter ein anderer Züchter den Kollegen erzählt, wie er seine Tauben trainiert„Da bin ich jeden Samstagmorgen um 5 Uhr aufgestanden und hab’ die Tauben auf 80 Kilometer gefahren.“

Kabinenexpress transportiert bis zu 2600 Tauben an den Start

12000 Menschen sind am Wochenende zur DBA gekommen, der weltgrößten derartigen Messe. Nach Einschätzung des „Verbandes Deutscher Brieftaubenzüchter“ lebe der Brieftaubensport in einigen ländlichen Regionen wieder auf. Auch in Osteuropa, Arabien und Asien wachse das Interesse.

2000 Tauben. 12000 Besucher, deren Hobby Federn hat. 200 Aussteller in Halle 3: Ringe und Pokale sonder Zahl, Futter und Volieren, Vitamine und Wirkstoffe ohne Ende, ohne Ende. Ein Kabinenexpress in Lkw-Größe ist ausgestellt, mit denen bis zu 2600 Tauben zum Start ihrer Reise gebracht werden können. Mit Mittelgang, Einzeltränke und Schlaf-Liegen, letztere natürlich für die Fahrer. Und mautfrei fährt das Biest auch noch. Nächster Stand: Schlagsauger. „Mauserzeit ist Saugerzeit.“ Einige Verkaufsstände richten sich auch an die eigenen Bedürfnisse der Taubenväter: Sehhilfen gibt es, schmerzlindernde Öle.

Auf der Taubenmesse stehen erstmals auch die Ziervogelfreunde

Am Stand der Taubenklinik hat Dr. Elisabeth Peus in einen Vogelkäfig gepackt, was zur Möblierung eines gut situierten Sittich-Haushalts dazugehört – nur lässt die Tierärztin kein gutes Haar daran. „Das Schälchen mit Erdnüssen: ständig schimmelig. Die Bänder: können die Beine abschnüren. Plastikstangen: Viel zu hart. Die Haken? Große Verletzungsgefahr.“ Man ahnt es schon: Die Tierärztin kommt von den Ziervögeln, rein fachlich gesehen.

Freilich gehören kranke Ziervögel inzwischen zum Stammpublikum der Taubenklinik in Essen, die Peus leitet; und so haben neben den Brieftauben erstmals auf der DBA auch Ziervögelväter ihren Platz; die Vögel selbst aber nicht, weil sie als reine Wohnzimmerexistenzen und Heizungsluftgeschöpfe viel anfälliger sind als die Tauben, die ja bekanntermaßen ständig an die frische Luft gehen.

Verein kümmert sich um alte, kranke oder einsame Wellensittiche

Und so kommt es nun, dass zwischen lauter Taubenbedarf ein Stand des Vereins „Hürdenwellis“ steht: Das sind tierliebe Menschen, die sich um alte, kranke und von Vereinsamung bedrohte Wellensittiche kümmern und sechs Pflegestellen für 100 Sittiche in Deutschland unterhalten, unter anderem in Gelsenkirchen und in Lünen.

Influencer aus China übertragen die Versteigerung und bieten auch selbst mit.
Influencer aus China übertragen die Versteigerung und bieten auch selbst mit. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann


Daniela und Maik Blom etwa haben ein Zimmer des Elternhauses sittichgerecht umgebaut. „Da wir viele Fußgänger haben, ist der Boden gepolstert und es gibt spezielle Leitern, an denen sie sich hochziehen können.“ Annika und Benjamin Schimpf halten es ähnlich: pflegeleichte Farbe an den Wänden des Sittich-Krankenzimmers, spezielle Matten, um den Kot leicht entfernen zu können. Denn Sittiche können alles bekommen, was den Menschen auch quält: Arthrose, Tumore, Schlaganfall. „Wir wollen zeigen, dass man alte und kranke Sittiche nicht aufgeben muss“, sagt Blom.

„Du bist das Himmelbett für Tauben“

Doch zurück nochmal zu den Tauben. Der Verband der Brieftaubenzüchter, der sich lange selbst genügte und darüber dramatisch gealtert ist, ist seit einigen Jahren spürbar aktiver. Dreht Filme übers Taubenzüchten, bespielt die sozialen Medien, erstellt Imageplakate. „Wir hoffen, dass sich das irgendwann wieder in jüngeren Mitgliedern niederschlägt“, sagt Elena Finke, de umtriebige Verbandssprecherin.

Eines der Plakate zeigt den Influencer Herbert Grönemeyer, der die Brieftaubenzucht im Ruhrgebiet so beschreibt: „Dann lassen sie die Tauben in den Himmel fliegen. Das ist ihre Art von Meditation.“ Gesungen hat er’s ja auch schon mal ähnlich: „Du bist das Himmelbett für Tauben.“