Gelsenkirchen-Bulmke-Hüllen. Die Zeichen stehen auf Abschied und Abriss der Bulmker Kirche. Die Stadt Gelsenkirchen plant auf dem Gelände eine Turnhalle. Protest wird laut.
Die Würfel in der Propsteipfarrei St. Augustinus sind bereits 2018 gefallen. In dem damals vom Ruhrbischof bestätigten Votum des Pfarreientwicklungsprozesses wurde entschieden, dass die Kirche Heilige Familie außer Dienst gestellt und veräußert werden soll. In der imposanten neugotischen Basilika an der Wanner Straße enden im Juni über 120 Jahre Kirchengeschichte. Das heutige katholische Gotteshaus wurde 1909 fertiggestellt. Es gibt Pläne, dass es abgerissen werden soll – um einer Turnhalle Platz zu machen. Dagegen regt sich Widerstand.
Gelsenkirchener warnt vor „eklatantem Fehler“
Die FBI, die Freie Bürger Initiative, „kämpft um den Erhalt der Kirche Heilige Familie. Es ist eine Schande, das Ortsdenkmal abreißen zu wollen“, empört sich Manfred Kosubek, für den das Gotteshaus „baulich eine Augenweide ist“. Er warnt: „Die Stadt sollte hier keinen eklatanten Fehler machen, der nicht mehr rückgängig gemacht werden kann“. Wenn schon nicht als Kirche, sollte das Gebäude als „bauliches Symbol des Friedens und der Ruhe dem Ortsteil erhalten bleiben und für andere soziale Zwecke genutzt werden“, fordert die FBI, über Alternativen nachzudenken.
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Erinnerungen werden mit in die Klosterkirche genommen
Zumindest aus kirchlicher Sicht ist das Rad nicht zurückzudrehen. Die Entscheidung zur Aufgabe des Gebäudes war 2018 eindeutig. In der Gemeinde geht es ans Abschiednehmen, aber eben „auch den Aufbruch in eine neue Zeit“ zu gestalten, wie Stadtdechant und Propst Markus Pottbäcker betont.
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Am Sonntag, 22. Mai, sind die Bulmker Katholiken zu einer gemütlichen (Abschieds)-Runde mit Kaffee und Kuchen auf dem Außengelände des Kindergartens, Im Mühlenfeld 14, eingeladen. Seit ein paar Wochen stehen in der Kirche Heilige Familie kleine Einmachgläser. Wer mag, kann hier seine persönlichen Erinnerungen „an und um die Heilige Familie herum“ aufschreiben, ins Glas stecken und so konservieren.
Letzter Gottesdienst wird am 12. Juni gefeiert
Diese Erinnerungen sollen dann nach dem letzten Gottesdienst am 12. Juni mit in die Klosterkirche an der Wanner Straße 42 genommen werden. „Für Bulmke ist das eine große Chance, dass die Oblatenpater noch da sind und wir die Gottesdienste dorthin verlegen können“, sagt Pottbäcker. Die Gläser werden dort sichtbar aufgestellt. „Sie sollen uns als ein Symbol dienen, dass unsere Erinnerungen mit uns umziehen, dass sie bleiben und uns nicht genommen werden können.“
Stadt Gelsenkirchen will möglichst zügig entscheiden
Die Stadt, so Pottbäcker, „habe großes Interesse signalisiert“, Gebäude und Kirche „möglichst zügig zu übernehmen“. Ob in Erbpacht oder per Kauf, sei noch offen. Entstehen könnte dort eine Turnhalle für Ricarda-Huch- und oder das Gauß-Gymnasium an der Hohenzollernstraße. Weiteres Thema: Gauß-Gymnasium trauert um seinen ehemaligen Schulleiter
Sportlicher Engpass am Gelsenkirchener Gauß-Gymnasium
Die Schulgemeinde steckt in einem Dilemma. Man tue sich durchaus „damit schwer, wenn Kirchengebäude abgerissen werden“, sagt Schulleiter Frank Kaupert. Andererseits ist die Turnhallensituation gerade für die höheren Klassen gelinde gesagt suboptimal. „Wenn wir da durch einen Neubau eine Aufwertung erführen, wäre das sehr gut für uns“, sagt Kaupert.
Die kleine Halle vor Ort nutzen vor allem die unteren Schulklassen, für die oberen teilt sich das Gauß die Sporthalle am Wildenbruchplatz mit dem Ricarda-Huch-Gymnasium und Berufskollegs – theoretisch zumindest. Die Halle ist derzeit als Flüchtlingsunterkunft belegt. Sport findet seither am Gauß auf dem Schulhof oder im Bulmker Park statt. Und bei schlechtem Wetter? „Gibt’s Theorieunterricht.“
SPD Bulmke will am Runden Tisch informieren
„Wir sind in Gesprächen mit der Kirche, die noch nicht abgeschlossen sind“, erklärt Stadtsprecher Martin Schulmann auf Anfrage zum Thema. Der Auftrag, über den Kauf des Grundstücks zu verhandeln, um dort eine Turnhalle zu bauen, fiel im Januar in nichtöffentlicher Sitzung des Aussschusses für Bau und Liegenschaften.
Die SPD vor Ort will im Juni am Runden Tisch Bulmke über den Sachstand informieren. Dort denkt man auch darüber nach, zumindest Teile der Kirche wie die Uhr oder Fenster für einen wie auch immer gearteten Nachfolgebau zu nutzen. Die Schließung bietet für die Bulmker SPD-Stadtverordnete Anna-Lena Karl einmal mehr Anlass, „generell noch einmal die Diskussion zu führen, inwiefern man Kirchenraum umnutzen kann“.
>>> Heilige Familie ist baulich ein Exot
Die Heilige Familie ist die einzige Kirche der Pfarrei St. Augustinus, die nicht denkmalgeschützt oder entsprechend inventarisiert ist.
Baulich ist sie dennoch einzigartig: Das Gebäude wurde im Zweiten Weltkrieg komplett zerstört und 1953 neu aufgebaut. Nach der Instandsetzung der Außenfassade 1972 kam es zu einem besonderen „Eingriff“: Auch um Heizkosten zu sparen, wurde der Kirchenraum innen um rund 40 Prozent verkleinert und – als Kirche in der Kirche – ein neuer Kirchenraum ins Gebäude gebaut.
Der Kirchturm wurde 1989 renoviert. Die Seitenschiffe erhielten neue Fenster. Zuletzt wurde 1993 die „Barbara-Kapelle“ umgebaut.
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