Oberhausen. Das Oberhausener Hans-Sachs-Berufskolleg unterrichtet ukrainische Schüler. Die Kriegsflüchtlinge sind überraschend zuversichtlich.

Dima schaut ungläubig von seinem Handy auf. „Nein?“, fragt er Pater Ernst-Otto Sloot. Der Deutsch-Lehrer nimmt sich einen Moment, um nachzudenken. „Nein, es gibt nur noch wenige. Wir dachten, wir bräuchten keine Bunker mehr.“ Der junge Ukrainer zieht ein erstauntes Gesicht und wendet sich wieder seinem Handy zu. Merkwürdige Deutsche.

Der Krieg hat die Ukraine am 24. Februar 2022 überrascht. Seitdem rollen die russischen Panzer und verwüsten das Land. Sie sind der Grund, warum Dima und die anderen Schüler jetzt hier sitzen: 21 Jugendliche zwischen 16 und 17 besuchen das Hans-Sachs-Berufskolleg in Oberhausen. Ihre Familien sind vor den Bomben geflüchtet. In Deutschland haben sie Zuflucht gefunden. Ihre Zukunft sehen sie nicht hier. Aber Zukunft ist ein großes Wort.

Ukrainische Schüler lachen viel im Unterricht des Hans-Sachs-Berufskollegs

Pater Sloot, eigentlich Religionslehrer am Berufskolleg, hat die Aufgabe, den Schülerinnen und Schülern die deutschen Worte näher zu bringen. „Du“ und „Ich“ und die ganzen Konjugationen. Seine Unterrichtsstunden sind ein Mix aus Theorie und Praxis. „Eltern treffen sich im Café“ schreibt Pater Sloot an die Tafel. Und: „Jugendliche treffen sich in der Disco.“ Was am Ende zweierlei verbindet: Für ukrainische Eltern findet in der Kirche St. Katharina regelmäßig ein Café statt, darauf macht er bei der Gelegenheit aufmerksam. Eine Disco ist in Vorbereitung. Zum anderen will Pater Sloot die Stimmung auflockern.

Lisa kommt aus Saporishja. Sie hofft, dass sie schnell zurückkann.
Lisa kommt aus Saporishja. Sie hofft, dass sie schnell zurückkann. © Unbekannt | Oliver Mueller

Die meisten Lacher liefert aber nicht Pater Sloot. Sondern die Schüler und der Übersetzer Ivan Kolybabyuk. Er und seine Eltern flohen schon 2014 aus der Ukraine. Kolybabyuk hat mittlerweile Fuß gefasst und spricht fließend deutsch. Er übersetzt, was Pater Sloot sagt, und versteht, was den Schülern dazu einfällt. Dass man noch gar keine Zeit gehabt habe, in die Disco zu gehen, weil man die ganze Zeit im Ausländeramt sei. Der ganze Papierkram in Deutschland.

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Die Heiterkeit ist nicht gespielt. „Wir hatten sogar im Keller etwas zu lachen“, sagt Dima aus Luhansk. Man müsse jeder Situation etwas Gutes abgewinnen, findet er. Und zeigt sein ansteckendes Lachen.

Flüchtlingskrise 2014/15: Motivation, Deutsch zu lernen, war eine andere

Als die ukrainischen Geflüchteten nach Oberhausen kamen, sprach der Schulleiter des Hans-Sachs-Berufskollegs mit Pater Sloot. Der Katholik hat Erfahrung mit dem Deutsch-Unterricht, schon bei der Flüchtlingswelle 2014/15 nahm er sich der Aufgabe an. Mit Kreide und Tafel versucht er jetzt, den Jugendlichen aus der Ukraine den Unterschied zwischen „Du“ und „dich“ zu erklären. Manchmal fummelt er sein Handy aus der Brusttasche und lässt die App übersetzen.

Dima aus Luhansk spricht schon ein paar Wörter Deutsch.
Dima aus Luhansk spricht schon ein paar Wörter Deutsch. © Unbekannt | Oliver Mueller

Die Situation heute sei eine ganz andere, sagt er. „Die ukrainischen Jugendlichen sind nicht hier, weil es einen Traum gibt, hier bleiben zu wollen. Sie wollen so schnell wie möglich zurück.“ Daraus folge auch eine ganz andere Motivation, die Sprache zu erwerben. „Sie ist nicht intrinsisch motiviert. Sie wollen nicht so schnell wie möglich das Fachabitur schaffen, um anzukommen.“

Pater fragt sich, wie lange der Frieden wohl dauert

Im Nebenraum erzählt Schülerin Lisa im kleinen Kreis von ihrem Wunsch, etwas in Richtung Ökonomie, Wirtschaft zu machen. Sie ist eine von drei Mädchen in der Klasse. „Mir geht es gut hier. Aber ich habe Heimweh“, sagt die junge Ukrainerin aus Saporishja. Sie will schnell wieder zurück. Allerdings wurde nun auch ihre Heimatstadt bombardiert:. Am Mittwoch meldeten die Ukrainer russische Raketenangriffe auf Oberhausens Partnerstadt.

Auch Faniil möchte zurück, will aber eine Ausbildung in Deutschland abschließen: „Ich vermisse meine Freunde und Verwandten“, sagt der Junge aus Charkiw. Die Jugendlichen können täglich mit ihrer Heimat schreiben. Die Verbindungen reißen zum Glück nicht ab. „Es ist ganz gut hier, aber die Menschen aus unserer Heimat fehlen“, sagt Dima.

Pater Sloot ist eigentlich Religionslehrer. Momentan gibt er den ukrainischen Jugendlichen Deutsch-Unterricht.
Pater Sloot ist eigentlich Religionslehrer. Momentan gibt er den ukrainischen Jugendlichen Deutsch-Unterricht. © Unbekannt | Oliver Mueller

Pater Sloot fragt sich, wie lange wohl diese Verbindung halten muss, bis sie nicht mehr nötig ist. Es könne Jahre dauer, bis ein Frieden erzielt ist. Das zeige das Beispiel Deutschland und Polen nach dem Zweiten Weltkrieg. „Frieden ist ein Zustand, für den sehr viel getan werden muss.“

In der heutigen Unterrichtsstunde sind Krieg und Frieden kein Thema. Jedenfalls nicht bei den Jugendlichen. Dafür die Bunker, denn das Café für ukrainische Eltern findet im Keller der Kirche an der Wilmsstraße statt. Die Schüler lachen. „Das wird nicht einfach. Wie haben zu viele Keller gesehen“, sagt einer. Humor hilft.