Gelsenkirchen-Scholven. Klaus-Dieter Wiedemann legt nach 27 Jahren sein Ehrenamt nieder: In Gelsenkirchen-Scholven gibt es keine bunten Nachmittage für Senioren mehr.
Dafür, dass sonntags für Seniorinnen und Senioren in Scholven nicht „tote Hose“ ist, hat sich Klaus-Dieter Wiedemann 27 Jahre lang im höchsten Maße engagiert und ein bisschen auch aufgerieben. „Sonntagsnachmittagstreff“, das Wort war im Ortsteil quasi gleichzusetzen mit seinem Namen. War. Denn der emsige Ehrenamtler hatte nun letzten Mal ins Gemeindehaus der Adventskirche zu Kaffee, Kuchen und Programm geladen.
„Auch wenn die anderen das nicht wahrhaben wollen, ich bin nicht mehr der, der ich vor 20 Jahren war“, sagt Wiedemann und ergänzt, er sei nun 77 Jahre alt. Und überhaupt: Eigentlich sei es ja von Anfang an gar nicht der Plan gewesen, dass er so sehr mit diesem Format verbunden ist. „Damals, 1994, gab es viele Gemeindemitglieder, die sich einen bunten Nachmittag gewünscht haben. Dann haben wir jemanden eingeladen vom CVJM, der uns Denkanstöße gegeben hat. Das hat uns so beflügelt, dass wir gesagt haben, wir versuchen das mal.“
Mit Erfolg. „Beim ersten Mal kamen 40 Leute. Das war sagenhaft. Und es hat sich schnell herumgesprochen, dass hier einmal im Monat etwas los ist.“ Jedoch: „Ich wollte eigentlich die Verantwortung aufteilen auf einige Gäste. Aber es war anders: Die wollten alle, dass ich für das Programm sorge. Und so musste ich mir alle vier Wochen etwas Neues überlegen.“
Ostsee-Musiker sorgten für einen Publikumsrekord
Dabei nimmt Klaus-Dieter Wiedemann jede Inspiration auf, setzt sie nicht selten in Erfolge um. „Ich war zum Beispiel mit meiner Frau im Urlaub an der Ostsee. Da haben wir eine Kapelle kennen gelernt, die haben dortige Klassiker gespielt. Ich habe die einfach angesprochen und eingeladen.“ Heraus kommt damals ein unvergesslicher Höhepunkt: „Da waren 200 Leute im Saal.“ Der Publikumsrekord.
Mit dem Ausscheiden von Klaus-Dieter Wiedemann wird auch sein zweites Herzensprojekt eingestellt: die Kleiderkammer der Gemeinde. „Die haben wir aufgelöst – weil es sich nicht mehr lohnte.“ Es seien einfach kaum mehr Bedürftige gekommen. Somit legt auch Michaela Schweika ihr Ehrenamt nieder. Elf Jahre lang war sie das Herz der Kleiderkammer, kam zweimal in der Woche, um liebevoll die Kleidung zu sortieren und dekorieren.
Abschied von der guten Seele der Scholvener Kleiderkammer
Das nämlich zeichnete das Angebot immer aus: „Ich bin gelernte Dekorateurin“, sagt sie, der der Abschied schon schwer fiel. „Ich habe das sehr gerne gemacht. Das Organisieren liegt mehr sehr und ich mag Menschen.“ Denen kam sie zuweilen sehr nah. „Ich habe viele Geschichten gehört – gute wie schlechte.“
Diakonie ehrt Ehrenamtler mit besonderer Urkunde
Neben viel musikalischen Programm gab es am letzten „Dienst“-Sonntag von Klaus-Dieter Wiedemann auch ein geistliches Wort von Diakoniepfarrer Ulrich Knudsen.Er übergab ihm als besondere Ehrung eine Urkunde der bundesdeutschen Diakonie zum Dank und als Anerkennung seiner langjährigen Dienste. Die sei, so Pastor Siebold, eine Besonderheit. „Das bekommt nicht jeder.“
Ein besonders bewegender Moment: In der Flüchtlingskrise baute Michaela Schweika die Kleiderkammer in der Flüchtlingsunterkunft in Scholven auf, brachte ihre Erfahrung und auch die vielen Kleiderspenden aus der Kleiderkammer der Gemeinde ein. Spenden nämlich gab es immer reichlich. „Manchmal hatte ich den Eindruck, ganz Scholven müsste eigentlich nackig gehen“, sagt die Frohnatur und lacht.
„So einen bekommen wir nie wieder“
Die Evangelische Trinitatis-Kirchengemeinde Buer verliert am Standort Scholven mit diesem Tag zwei Prestigeprojekte und mit Klaus-Dieter Wiedemann eine echte Säule der Gemeinde. „Am Standort ist er ein bisschen das Gesicht der Diakonie“, sagt Trinitatis-Pastor Matthias Siebold. „Da geht uns etwas verloren. Und wir müssen schauen, wer kann künftig die Kontakte halten.“ Denn der Ehrenamtler war über all die Jahre auch ein geschickter Netzwerker, knüpfte Bande zwischen Menschen untereinander und zur Gemeinde. Das bringt ein Herr auf den Punkt, der beim Kaffee recht laut in die Runde ruft: „So einen bekommen wir nie wieder!“
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