Oberhausen. Aus der Broschüre „Der andere Stadtführer“ wurde nun eine Poster-Kollektion, zu bestaunen als temporäres Museum. Sogar ein Riesenteddy ist dabei.

Für Marie-Luise O'Byrne-Brandl ist es wahrlich nicht die erste Zusammenarbeit mit der Ludwiggalerie – aber jetzt kommt auch ihr gemeinsames Projekt mit dem Fotografen Rainer Schlautmann im Schloss Oberhausen zu Museumsehren. Und nicht nur dort.

„Geliebtes Kunstwerk“: Verehrungswürdig sind für die Liebesbriefschreiberin auch Billie Erlenkamps Stahl-Kokons.
„Geliebtes Kunstwerk“: Verehrungswürdig sind für die Liebesbriefschreiberin auch Billie Erlenkamps Stahl-Kokons. © Unbekannt | Rainer Schlautmann

Zuletzt hatten großformatige Werke von Oberhausens einzigem Stadtkünstler Walter „Kuro“ Kurowski die geschwungene Fensterfront der Panoramagalerie für sich beansprucht und während des langen Lockdowns die Flanierenden im Kaisergarten zumindest mit einem Appetizer der leider verschlossenen Schätze bekannt gemacht. Jetzt heißt es während des Sommers „Museum under Construction“ – allerdings mit einem üppigen Ferienprogramm, das die Ludwiggalerie in der kommenden Woche vorstellen will. Und nun gehört die Fensterfront 15 Plakaten mit Motiven Oberhausener Wahrzeichen – sowie manchen „Wahrzeichen“ sehr individueller Prägung.

„Stadtl(i)eben“ heißt die Poster-Kollektion und verweist auf die bereits im Vorjahr publizierte, 40-seitige Broschüre „Der andere Stadtführer“. Marie-Luise O'Byrne-Brandl, deren in Oberhausen sicher berühmtestes Kapitel vielfältiger Performance-Kunst ihre Auftritte als „amouröse Stadtschreiberin“ mit Blütenkranz im roten Samtgewand sind, adressierte während der ersten Lockdowns ihre herzensvollen Liebeserklärungen an ein „stummes Publikum“: gebaut in Stein, Stahl und Glas oder gegossen in Bronze.

Romantisch im Zwielicht: der „spitzkeglige Liebling“

Erkannt? Das Titelbild des „anderen Stadtführers“ zoomt in Details der Backsteinfassade am Oberhausener Hauptbahnhof.
Erkannt? Das Titelbild des „anderen Stadtführers“ zoomt in Details der Backsteinfassade am Oberhausener Hauptbahnhof. © Unbekannt | Rainer Schlautmann

Als „Mega-Fan“ erklärte O'Byrne-Brandl so ihre Liebe zum Theater Oberhausen, grüßte „in ständiger Wiedersehensfreude“ die „Slinky Springs to Fame“-Brücke am Kaisergarten und erkärt selbst den äußerlich unscheinbaren Elternhäusern von Christoph Schlingensief und Wim Wenders ihre Verehrung. Der Zusammenklang von Prosa und Rainer Schlautmanns nicht minder eleganter Fotografie rief nach einem größeren Format als dem einer – wenngleich erstklassig gedruckten – DIN A 5-Broschüre. Das kreative Duo überzeugte als Mäzen den „Brückenschlag“-Beirat, so dass bereits im tristen Lockdown-Frühjahr erste Poster an der Marktstraße mehr zu verkünden hatten als Maskenpflicht und Abstandsgebote.

Inzwischen zeigt auch der Lichtburg Filmpalast – kurz vor dem Kino-Neustart am 1. Juli – eine Auswahl der auf zwölf Motive angewachsenen Plakate-Kollektion. Im Detail unterscheiden sich diese Schaufenster-Drucke durchaus vom „anderen Stadtführer“. Schließlich sind dessen Motive auf mehr als eine Art fotogen: ob es Billie Erlenkamps fast drei Meter hohe Stahl-Kokons sind oder das Zwielicht über der Knappenhalde, „mein spitzkegliger Liebling“, wie O'Byrne-Brandl schreibt. Und ihren Liebesbrief für den Riesenteddy vorm Spielwarengeschäft Lausberg gibt’s sogar nur exklusiv im großen Posterformat – wie es so einem bärigen Typen zusteht.

Noch 18.000 Euro im Verfügungsfonds-Topf

Rainer Schlautmanns Blick aufs Bert-Brecht-Haus im Abendlicht hat inzwischen schon historischen Wert: Es entstand vor dem aufwendigen Austausch der – jetzt farbigen – Fensterrahmen.
Rainer Schlautmanns Blick aufs Bert-Brecht-Haus im Abendlicht hat inzwischen schon historischen Wert: Es entstand vor dem aufwendigen Austausch der – jetzt farbigen – Fensterrahmen. © Unbekannt | Rainer Schlautmann

Das Ergebnis nennen die Künstler und ihre Mäzene „ein neues, temporäres, urbanes Museum in den Schaufenstern der Innenstadt“: mit einem Schwerpunkt übrigens an der (nach Hausnummern) oberen Marktstraße, denn das Literaturhaus macht ebenso mit wie das Einrichtungshaus Hülskemper und Café Bauer. Lars Hausfeld vom Stadtteilmanagement im „Brückenschlag“-Büro, Marktstraße 97, lädt weitere Kreative ausdrücklich ein, für ihre Aktionen ebenfalls Mittel aus dem Verfügungsfonds zu beantragen.

An den millionenschweren „Brückenschlag“-Projekten mag man angesichts eines zu Makulatur zerbröselten Zeitplans verzweifeln: Die jährlichen Verfügungsfonds-Mittel von 50.000 Euro finden immerhin ihre Abnehmer. Seit 2019 wurden 63.200 Euro Fördermittel ausgezahlt und damit 25 Projekte umgesetzt. Weitere zehn Projekte, weiß Lars Hausfeld, sind mit einer bereits bewilligten Fördersumme von 31.000 Euro auf dem Weg. Aktuell stehen noch 18.000 Euro Fördermittel zur Verfügung. Dem seit März vorigen Jahres schwer getroffenen Kulturleben sollte jede Hilfe willkommen sein.

Beirat entscheidet über „Brückenschlag“-Fonds

Über die jährlich 50.000 Euro aus dem „Brückenschlag“-Verfügungsfonds entscheidet ein Beirat, besetzt mit Politikern der Bezirksvertretung Alt-Oberhausen, Aktiven lokaler Vereine und Institutionen sowie Vertretern der Bürgerschaft. Sie fördern „bürgerschaftliches Engagement im Projektgebiet“ von Lirich und Oberhausens alter Mitte – also nicht nur künstlerische Beiträge.Als Höchstgrenze der Förderung gelten 2000 Euro, für besondere Projekte dürfen es bis zu 10.000 Euro sein. Förderanträge lassen sich jederzeit über das Stadtteilbüro Brückenschlag, Marktstraße 97, stellen. Zu beachten sind allerdings die Fristen für die Beiratssitzungen (die nächste endet am 30. Juli).Kontakt zum Stadtteilbüro und eine Übersicht der abgeschlossenen Projekte gibt’s online auf brueckenschlag-ob.de