Oberhausen. Ein Roman-Debüt, das in Oberhausen für viel gute Laune sorgt: Die Essener Autorin Sarah Jäger liest aus „Nach vorn, nach Süden“.
Das Schöne an Büchern ist ja, dass man sie überall genießen kann. Weshalb die erste Lesung mit Publikum denn eben nicht im, sondern vor dem Literaturhaus an der Oberhausener Markstraße in erfrischend heiterer Atmosphäre stattfand. Und zwar mit der Essener Schriftstellerin Sarah Jäger – zertifizierte Call-Center-Agentin, gelernte Theater-Pädagogin und umgeschulte Buchhändlerin –, die große Freude darüber äußerte, nun endlich auch live ihr Roman-Debüt „Nach vorn, nach Süden“ (Rowohlt Rotfuchs, geb. 22 Euro, TB 10 Euro) präsentieren zu können.
Dass sich ihre Lesung als besonderes Vergnügen erwies, lag auch an Hartmut Kowsky-Kawelke, der den Abend fast schon als Talk-Show anlegte. Nach nettem Einleitungsgeplänkel brachte Sarah Jäger ihren Zuhörerinnen und Zuhörern zunächst die Figuren ihres Romans nahe. Eine Clique von Jugendlichen, die sich im Hinterhof eines Penny-Marktes ihr eigenes kleines Paradies geschaffen hat. Um zu feiern und natürlich auch die ganzen Probleme des Erwachsenwerdens lang und breit zu diskutieren.
Was Sarah Jäger eine Ich-Erzählerin mit angenehm unanbiederndem Duktus schildern lässt, die nicht so recht in die Runde passt: „Im Hinterhof sucht man sich seinen Namen nicht aus: Entenarsch, so nennen sie mich.“ Während Pavel, der stolz auf seinen selbstgebauten Regenschutz aus Plastik ist, mit dem ruhrgebietstypischen „unser“ geadelt ist. In der Coming-of-Age-Story, die sich später zum Roadmovie auswächst, blitzen dabei regelmäßig feine Beobachtungen auf. „Worte sind nun mal kein Radiergummi“ oder „Niemand kann eine Jogginghose mit Eleganz tragen außer Marie“ (und nicht etwa Karl Lagerfeld).
Eine eigenwillige Reise
Mit Marie und Can macht sich „Entenarsch“, die als einzige ein Auto hat, schließlich auf die Suche nach dem verschwundenen Jo, der ihr den bösen Namen verpasst hatte. In einem „Corsa ohne Alles“, weshalb die eigenwillige Reise („Ich fahre keine Autobahn. Punkt. Nein. Ausrufezeichen. Drei Ausrufezeichen“) zur Schwitztour gerät. „Den LKWs dabei zuzusehen, wie sie links an einem vorbeiziehen, so werden Abenteuergeschichten geschrieben“, ist nur eine der vielen köstlichen Stellen in diesem Jugendbuch, dass zunächst gar nicht als solches gedacht war.
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Wie es jedoch dazu kam, entlockte Hartmut Kowsky-Kawelke seinem unkapriziösen Gast: „Als die ersten 20 Seiten von der Rowohlt-Jugendbuch-Lektorin entdeckt wurden, die mein Buch unbedingt haben wollte, war die Richtung klar.“ Weshalb der Autorin, die „zu einem großen Ensemble an Figuren neigt“, auch rasch die zwei Erwachsenen aus dem Hinterhofidyll gestrichen wurden. Dieses sei für „Entenarsch“ natürlich ein Sehnsuchtsort, so Sarah Jäger, für die „ziemlich klar ist, dass Erwachsenwerden eine Art Reise ist. Die Reise zu sich selbst ist auch eine Reise an andere Orte“ – eben „Nach vorn, nach Süden“.
Und dann wurde die Autorin, deren Debüt mitten im Lockdown und folglich ohne öffentliche Präsentationen erschien, persönlich: „Ich habe noch nicht richtig erfahren, wie das Buch ankommt. Aber ich habe eine Mail von einem 13-jährigen Mädchen bekommen, die mir schrieb, es sei ihr Lieblingsbuch und sie habe es schon zehnmal gelesen. Das hat mich sehr gefreut.“
Demnächst im Literaturhaus
Am 25. Juni ist die Historikerin Bettina Hitzer in der Marktstraße 146 zu Gast, wo sie ihr Sachbuch „Krebs fühlen. Eine Emotionsgeschichte des 20. Jahrhunderts“ vorstellen wird. Im Kern geht es dabei um die Frage: Wer im Dreieck Patient – Arzt – Angehöriger empfindet was in Bezug auf den Krebs?Für den 9. Juli ist dann ein Auftritt des Oberhausener Schauspielers Klaus Zwick an anderem Ort geplant, der aus Arno Geigers berühmtem Alzheimer-Buch „Der alte König in seinem Exil“ lesen wird. Aktuelle Informationen dazu und zu künftigen Veranstaltungen: www.literaturhaus-oberhausen.de
So wie der warmherzige Applaus ihrer knapp zwei Dutzend begeisterten Zuhörer. Die dem Genre Jugendbuch längst entwachsen sind, weshalb der schreibenden Zunft à deux die schöne Aufgabe zufiel, den Altersdurchschnitt wenigstens in Richtung der freundlich annoncierten 50 zu verschieben. Enden wir mit dem schönsten Statement von Sarah Jäger, die ihre inzwischen mit mehreren Preisen ausgezeichnete Schriftstellerei so auf den Punkt brachte: „Ich schmeiß es in die Luft und sehe zu, wie es aufs Papier kommt.“ Wirklich beneidenswert.
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