Oberhausen. Marie-Luise O’Byrne-Brandl liebt ihre Heimat und ihre Mitmenschen. Der Beweis: ein 40-seitiger Stadtführer, der jetzt kostenlos ausliegt.
Liebesbriefe werden selten öffentlich. Außer, sie bedeuten mehr als ein inniger Bund zweier Menschen. So nimmt Künstlerin Marie-Luise O’Byrne-Brandl kein Blatt vor den Mund, wenn es die Liebe betrifft. Sie schrieb bereits unzählige amouröse Briefe im Auftrag von Menschen an ihre Liebsten – doch jetzt ist die Zeit reif für einen Liebesbeweis an ihre Heimat: Oberhausen.
Am Dienstag präsentierte die Künstlerin mit Fotograf Rainer Schlautmann „den anderen Stadtführer“ vor der Ludwiggalerie im Schloss Oberhausen. Kulturdezernent Apostolos Tsalastras und Museumschefin Christine Vogt lobten die Künstler für ihren besonderen Blick auf Oberhausen.
Hier gibt’s die Liebesbriefe für Wahrzeichen
Erhältlich ist „der andere Stadtführer“ im Museumsshop der Ludwiggalerie, bei den Touristeninformationen am Bahnhof und im Centro sowie in der Kirche Heilige Familie an der Gustavstraße 54 in Lirich. Die Stadtführer sind kostenlos. Das Projekt wurde von der Stadt Oberhausen gefördert.
Im Frühjahr folgen Liebesbriefe für die Wahrzeichen der Innenstadt. Das Team aus Fotograf Rainer Schlautmann und Marie-Luise O’Byrne-Brandl entwirft Poster für das Projekt „Stadtl(i)eben“, das vom Brückenschlag-Programm finanziert wird. Die Plakate hängen ab Januar in den Schaufenstern der Geschäfte.
Warme Wort für Oberhausens Wahrzeichen
„Schließlich erlaube ich nicht jedem das Fotografieren aus meinem Büro“, unkte Christine Vogt. Warme Worte für die Ludwiggalerie finden sich, vermutlich unabhängig davon, im Stadtführer von Poetin Marie-Luise O’Byrne-Brandl jedenfalls reichlich. Auf Seite Neun schwärmt die Künstlerin von der Galerie im Schloss: „Mein Herz hüpft vor Freude, wenn ich wie in Siebenmeilenstiefeln von der Konrad-Adenauer-Allee kommend, in Deine wechselnden Ausstellungen laufe… Deine Luise.“
Wie kam es zur Idee des Gefühl-Stadtführers? „Emotionen kann man immer gebrauchen“, sagt Marie-Luise O’Byrne-Brandl in der kalten Dezemberluft vor dem Schloss. Die zwischenmenschliche Nähe falle durch die bekannten Abstandsregeln weg – und wie zum Beweis, tippelt die 63-Jährige jedem davon, der ihr momentan nah kommt. Was den Menschen in der Krise jedoch bleibe, seien die Gebäude und deren Atmosphäre, die Gefühle auslösen könnten, erklärt die Künstlerin weiter. Auf vierzig Seiten dichtet sie mal für Wim Wenders Elternhaus, mal für ein kleines Schildchen am Bahnhof, das sie Seelenpflaster nennt.
Für Einheimische statt für Touristen
Der andere Stadtführer sei mehr für Einheimische als für Touristen gedacht, sagt Marie-Luise O’Byrne-Brandl. 13 Orte sind drin, manche bekannt, manche leicht zu übersehen. Die Tipps erhielt sie von Oberhausenern per Mail während ihrer Residenzzeit im Kunsthaus Mitte.
Weil ein Stadtführer stets eine Bild-Komponente benötigt, illustriert Fotograf Rainer Schlautmann die Broschüre. Er lernte die amouröse Stadtschreiberin 2018 bei „Actopolis“ kennen. Diese Kunstaktion zeichnete bereits ein lieblicheres Bild der Stadt. Wie verzahnt sind Foto und Liebesbrief im Künstlerbuch?
Geliebtes Schauspiel: „Du hältst mich am Leben“
„Die Fotos sind alle ohne Textkenntnis entstanden, ich wusste nur, was ich porträtieren sollte,“ sagt Rainer Schlautmann über die Allianz mit Marie-Luise O’Byrne-Brandl. Bewusst entschieden, versichern beide. Keine Vorgabe sollte den eigenen Blick auf die heimischen Wahrzeichen trüben.
Kunstaktionen für Bäume und Verliebte
So berichteten wir bereits über die Kunstaktionen der Oberhausenerin Marie-Luise O’Byrne-Brandl:
https://www.waz.de/staedte/oberhausen/kuenstlerin-umsorgt-einen-sterbenden-baum-id8828822.html
https://www.waz.de/staedte/oberhausen/bilder-einer-helikoptermutter-in-oberhausen-id11792001.html
https://www.waz.de/staedte/oberhausen/liebesbriefe-begleiten-vernissage-id209302143.html
https://www.waz.de/staedte/oberhausen/philipp-valenta-gewinnt-kuenstlerwettbewerb-id212545883.html
https://www.waz.de/staedte/oberhausen/performance-projekt-misst-lebenszeit-id212615407.html
https://www.waz.de/staedte/oberhausen/city-art-preistraeger-stellen-aus-id214001335.html
https://www.waz.de/kultur/liebesgruesse-aus-dem-einwohnermeldeamt-id214805027.html
https://www.waz.de/staedte/liebesbriefe-aus-der-buecherei-id228439689.html
https://www.waz.de/kultur/marie-luise-o-byrne-brandl-fuehrt-den-gefuehlen-die-feder-id229284094.html
„Dein Spiel hat mich vielfach genährt. Du hältst mich am Leben. Bin ich bei Dir, fühle ich schon den Abschied, bin ich ohne Dich, spüre ich bereits Deine Nähe“, so huldigt Marie-Luise O’Byrne-Brandl dem Schauspiel am Theater. Wonnige Worte an sonnigen, aber trüben Tagen – in Oberhausen willkommen.