Oberhausen. Andere Städte im Revier haben Hochschulen – Oberhausen hat eine Freie Universität. Im Vorlesungsverzeichnis: erfrischend unakademische Angebote.
Andere Ruhrgebietsstädte haben Hochschulen – von privat über Fach bis (ehemals) Gesamt. Oberhausen dagegen hat eine Freie Universität, die sich augenzwinkernd FUni abkürzt und mit ihren erfrischend unakademischen Angeboten eine echte Perle im Kulturleben der einstigen Industriemetropole ist. Sozusagen ein Leuchtturm der rührigen Initiative „Kultur im Turm“ (Kitev), die mit zahlreichen Aktivitäten nicht das Revier, sondern das Quartier von Alt-Oberhausen bunter machen und vielfältig bereichern will.
Wie’s geht, lässt sich an der Freien Universität ganz ohne irgendwelche Schulabschlüsse an fünf Fakultäten, nun ja, studieren – Volkshochschule ist nichts dagegen. Mittlerweile im vierten Semester, dessen Programm nun bei einer kleinen Feier auf dem Museumsbahnsteig im Oberhausener Hauptbahnhof präsentiert wurde.
In der Ferne leuchtete auf dem Hochhausturm vom Saporishja-Platz das optimistische „Vielfalt ist unsere Heimat“, auf den Gleisen und dem Bahnsteig dagegen signalisierten Liegestühle in fröhlichem Orange das (un)heimliche Uni-Motto „Mut im Revier“. Machte sich gut beim bunt gemischten Publikum, wo etwa Drag Queen Fiona Fabulous mit wallender Haarpracht imposant mit den Besucherinnen in klassischer Gewandung kontrastierte.
Elektronische Musik aus der Melodika
Die Freie Universität versteht sich auch als Schmelztiegel für Menschen aller Nationen, die sie mit offenen Armen in allen Sprachen aufnimmt. Folglich klang es auf dem Bahnhof wie beim Turmbau zu Babel und war doch ein Pfingstereignis: Man verstand sich bestens miteinander und genoss vergnügt die heitere Stimmung. Der das hypnotische Duo „Dissolutionary Jets“ mit dem Analog-Syntheziser-Spezialisten Thomas Machoczek und Andreas Hilburger an einer elektronisch verfremdeten Melodika eine sanft pulsende Grundierung gab.
Angebote der Freien Uni Oberhausen
Die Angebote der Freien Uni Oberhausen stehen säuberlich aufgelistet auf der Internet-Seite mutimrevier.de. Kurse für Erwachsene, die Radfahren und Schwimmen lernen möchten, finden sich dort ebenso wie ein Volleyballturnier im Ruhrpark, ein Musikprojekt mit Klanginstallation auf dem Friedensplatz, Kochkurse mit anschließender Verköstigung, ein Kalligraphie-Kurs oder auch ein Debattierclub.Das Programm spannt sich von Urban Gardening und Upcycling, über Konzerte, Ausstellungen und Vorträge: Gemeinsam mit dem ukrainisch-stämmigen Historiker Paul Ostapenko werfen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer „einen genaueren Blick auf die vielschichtigen kulturellen und historischen Stränge, die unsere verschiedenen Kulturen verbinden“, heißt es im Vorlesungsverzeichnis.
Was einen entspannt durch die gegen Unendlich ausgedehnte akademische Viertelstunde bis zur Semesterprogramm-Vorstellung trug. Derweil man einen Siebdrucker bei seiner Arbeit beobachten konnte, der schwer mit dem sommerlichen Wetter zu kämpfen hatte. Trocknete seine Farbe doch schneller als der schwarzen Kunst guttat, die hier weiß als Friedenssymbol auf grauen Stofftaschen daherkam. Oder ein kleines Mädchen, das tiefenentspannt mit einem Pinsel blaue Linien auf Papier inszenierte. Man dachte unwillkürlich an den alten Spruch „Jeder Mensch ist ein Künstler“ von Joseph Beuys.
Eine Nähe ihrer Initiative zu dessen „Free International University“ wies die FUNi-Rektorin Annkathrin Schwedhelm allerdings fast schon empört zurück, um denn doch zu konstatieren, dass Beuys die Oberhausener Universität bestimmt gefallen hätte. Deren Fakultäten hören auf so schöne Namen wie „Heimat Vielfalt“, „Einfach mal machen“ oder (besonders nett) „Sport und Bier“.
Lehrgeld ist keines zu zahlen
Was sie im kommenden Semester alles offerieren, erläuterte Annkathrin Schwedhelm schließlich gemeinsam mit ihren Rektoratskollegen Stefan Schroer und Reza Fotovania im launigen Schnelldurchgang. Mit dem Hinweis, alle Angebote fänden sich im frischgedruckten „KoVo 2022“, dem Kommentierten Vorlesungsverzeichnis, welches sofort reißenden Absatz fand.
In aller Ausführlichkeit ist dieses auch online auf mutimrevier.de zu studieren. Genau das Richtige für alle, die sich für solche Fragen wie „Wer ist die Stadt?“, „Wem gehört die Stadt?“ oder „Wie klingt die Stadt?“ interessieren. Herrlich unakademisch und in einen multikulturellen Kontext doch ungemein lehrreich, bedarf es jetzt nur noch gesunder Neugier aller Oberhausener auf ihre Freie Universität – Lehrgeld ist übrigens keines zu zahlen. Anders gesagt: kostet nix außer etwas Zeit und dem Willen, gemeinsam neues Leben ins Quartier zu bringen.