Oberhausen. Solwodi, der Hilfsverein für Prostituierte, fühlt sich von Oberhausens Polizei im Stich gelassen. Der Polizeipräsident reagiert auf Forderungen.
Prostitution ist unter den geltenden Corona-Regeln eigentlich unmöglich, findet jedoch auch in Oberhausen weiterhin im Verborgenen statt. Dass die Frauen, die sonst in den Bordellen an der Flaßhofstraße ihre Dienste anbieten, dadurch einer größeren Gefahr ausgesetzt sind, glaubt Petra Jochheim, Leiterin der Beratungsstelle Solwodi, nicht. „Ein Bordell ist kein geschützter Raum“, sagt die Juristin. Gewalterfahrungen und Vergewaltigungen seien kein Phänomen der Pandemie, sondern „Normalzustand“. Als Rednerin in der jüngsten Sitzung des Gleichstellungsausschusses forderte sie deshalb von der Polizei mehr Einsatz nach Wiederöffnung der Etablissements. Polizeipräsident Alexander Dierselhuis signalisiert Zustimmung – macht jedoch auch auf Schwierigkeiten aufmerksam.
Machen andere Städte es besser?
„Ich will, dass ein Opferschutzbeauftragter mit mir in die Bordelle geht“, sagt Petra Jochheim. „Damit die Frauen dort Vertrauen fassen können zu den Behörden.“ In ihren Heimatländern seien die meisten Prostituierten Korruption gewohnt und hätten kein Vertrauen in staatliche Einrichtungen. Der Polizei in Oberhausen wirft Jochheim vor, nicht hinzusehen. Andere Städte würden vormachen, wie es anders gehen könne. In Krefeld seien alleine in 2019 zehn Fälle von Menschenhandel aufgedeckt worden. „In Oberhausen im gleichen Zeitraum null.“ Den Erfolg habe die am Niederrhein gelegene Stadt mit ähnlich hoher Einwohnerzahl dem Einsatz von zwei Beamten zu verdanken, die sich speziell um Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitutionkümmern. „In Oberhausen passiert nichts“, ärgert sich Jochheim. „Wenn man nicht hinschaut, findet man auch nichts.“
Schwierige Ermittlungen
Konfrontiert mit den Aussagen der Solwodi-Leiterin zeigt Alexander Dierselhuis grundsätzlich Verständnis. „Die Themen Rotlicht, Zwangsprostitution und Menschenhandel beschäftigen mich schon lange und gehen mir persönlich auch nahe.“ In seiner Zeit als Staatsanwalt in Düsseldorf habe er hautnah miterlebt, was Ermittlungen in diesen Bereichen bedeuten, aber auch, wie schwierig sie sind. Dass einer der beiden Opferschutzbeauftragen bei der Oberhausener Polizei und auch der Bezirksdienstbeamte sich künftig häufiger als bisher in den Bordellen an der Flaßhofstraße blicken lassen, dagegen habe er grundsätzlich nichts einzuwenden, „aber ich sehe rechtliche und praktische Herausforderungen.“
Oberhausener Polizeibeamte im Dilemma
Die Beamten seien Polizisten und somit wie alle ihre Kollegen dem Legalitätsprinzip unterworfen. Was bedeutet: Sobald sie Anzeichen für eine Straftat bemerken, müssen sie ein Verfahren einleiten. „Und dann“, erklärt Dierselhuis, „muss auch die Prostituierte vernommen werden.“ Falls diese dann auch noch in eine Straftat verwickelt ist, zum Beispiel auf Druck ihres Freiers Drogen verkauft hat, müsse auch dies zur Anzeige gebracht werden. Eine vertrackte Situation und nicht gerade vertrauensfördernd. Dabei könnte auch die Polizei einen riesigen Vorteil daraus ziehen, würden die Prostituierten sich an sie wenden. „Für uns ist es sehr wichtig, dass die Frauen bereit dazu sind, mit uns zu kooperieren und auszusagen“, sagt Polizeipräsident Dierselhuis.
Natürlich sei der zusätzliche personelle Einsatz, den er grundsätzlich befürworte, eine Frage der Kapazitäten. „Das muss noch abgeklärt werden und nach einigen Besuchen auch, ob es etwas gebracht hat.“ Er sei nicht zu hundert Prozent davon überzeugt, dass die Stippvisiten der Beamten etwas bringen, „aber ich denke auch, dass mehr getan werden muss.“ Im Kampf gegen die Rotlicht-Kriminalität habe er hundert andere Ideen auf seiner Agenda – die er aus verständlichen Gründen nicht publik machen wolle. „Wenn wir die Täter aus dem Verkehr ziehen, helfen wir den Opfern am besten.“
Bisher nur sehr wenige Strafanzeigen
Im Sommer 2019 hat Alexander Dierselhuis seine Stelle als Polizeipräsident angetreten, im März 2020 hat er eine Neuausrichtung der polizeilichen Arbeit in Oberhausen bekanntgegeben. Bei der Bekämpfung krimineller Strukturen stehen seitdem die Schwerpunkte Clankriminalität, Rauschgiftkriminalität sowie Rotlicht/Menschenhandel im Fokus.Die Anzahl der Strafanzeigen in den Deliktsfeldern Zwangsprostitution, Zuhälterei und Menschenhandel, die im Polizeipräsidium Oberhausen in den vergangenen Jahren bearbeitet worden sind, ist sehr gering: zwei in 2015, drei in 2016; drei in 2017, vier in 2018, vier in 2019, zwei in 2020.
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