Gelsenkirchen-Buer. Die Instandhaltungs-Arbeiten am maroden Gelsenkirchener LWL-Bauernhaus von 1783 haben begonnen. Warum ein Aufatmen trotzdem verfrüht ist.
Fast ein Jahr ist es her, dass Bezirksbürgermeister Dominic Schneider und der Geschichtskreis Hassel/Bergmannsglück erleichtert meldeten: „Haus Grothof scheint gerettet! Der LWL setzt das alte Bauernhaus instand!“ Was an Baumaßnahmen im dritten Quartal 2021 beginnen sollte, verzögerte sich allerdings um Monate. Nun haben die Arbeiten im Januar tatsächlich begonnen – ein allgemeines Aufatmen wäre aber wohl verfrüht, wie eine Nachfrage der Redaktion ergab.
Zwar bleibt es dabei: Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) als Eigentümer investiert rund 200.000 Euro in das marode Denkmal aus dem Jahr 1783. Von Nutzbarmachung ist jedoch ausdrücklich nicht die Rede. Vielmehr gehe es um einen „Substanzerhalt“ und um eine „grundlegende Sanierung einiger Bauteile“.
Schlechte Bausubstanz erschwert Arbeiten am Gelsenkirchener Haus Grothof
„Eine Kernmodernisierung, die das Gebäude nutzbar machen würde, wäre – nicht zuletzt aufgrund der stark gestiegenen Rohstoffpreise, der aktuellen Preissteigerungen sowie der großen Eingriffe in die Bausubstanz – so teuer, dass die Wirtschaftlichkeit nicht mehr gegeben wäre“, stellt LWL-Pressereferentin Hannah Pöppelmann-Reichelt klar. Für den umlagefinanzierten Kommunalverband sei eine „derart kostenintensive Einzelmaßnahme der kommunalen Familie gegenüber schlicht nicht (zu) rechtfertigen.“
Lesen Sie auch:
Wenig Impfungen: Gelsenkirchen erwartet noch Überraschungen
Neue Gastro-Meile in Buer: „Sozialistisch“ und „peinlich“?
Gelsenkirchen:Bagger reißen Schwimmer-Mekka Zentralbad ab
Instandhaltung lautet also das Motto bei dem typisch westfälischen Fachwerk-Bauernhaus mit Wohn- und Wirtschaftsteil unter einem Dach, das eine schlechte Bausubstanz, kleine Räume und niedrige Decken aufweist, die eine Schulnutzung nahezu unmöglich machen. Und: Schlecht erschlossen ist das Gebäude ebenfalls, da es nur über das Schulgelände erreichbar ist.
Geschichtskreis Gelsenkirchen-Hassel hatte sich gegen Verfall des Hauses gewehrt
Konkret wird das mittlerweile eingerüstete Haus nach einem mit der Denkmalpflege abgestimmten Konzept entkernt und das Grundstück hergerichtet. Geplant ist, Bodenbeläge, Möbel, provisorische Verkleidungen, Dekorationen und nicht relevante Trennwände zu entfernen. Für die Arbeiten ist rund ein Jahr veranschlagt.
Schimmel und gefährdete Statik
Der jetzige Zustand von Haus Grothof ist katastrophal: Ein Teilbereich der Decken ist in der Statik gefährdet, an den Querschnitten der Hölzer wurden gravierende Schäden festgestellt. Wegen der ungünstigen Außendämmung ist das Gebäude sehr anfällig für Schimmel, zudem muss die Imprägnierung des Außenfachwerks mit einer teerhaltigen und krebserregenden Substanz entfernt werden.1996 hätte die Sanierung den LWL nach damaligen Schätzungen etwa 800 000 DM gekostet und wurde vom LWL-Finanzausschuss abgelehnt. Heute, da sind sich Experten einig, dürfte es deutlich teurer werden.
Wie es danach weitergehen könnte mit dem Relikt aus der frühen vorindustriellen Zeit der Besiedlung, ist völlig unklar. Der Geschichtskreis (GK) Hassel/Bergmannsglück etwa, der sich seit 2013 vehement dagegen wehrt, Haus Grothof kontrolliert verfallen zu lassen – das hatte der LWL ursprünglich vor –, bleibt dabei: Das Gebäude stelle zusammen mit dem einstigen Bachlauf, Teich und Backhaus „ein wichtiges sozial- und siedlungsgeschichtliches Bauzeugnis dar“, betont Egon Kopatz, unterstützt von dem Ex-Stadtplaner und Architekten Dr. Lutz Heidemann.
Gelsenkirchener Denkmalschützer wollen Haus Grothof wieder nutzbar machen
Sie regen an, das Bauernhaus in die neueren Planungen der Allee des Wandels und des Stadtteilparks Glückauf in Hassel einzubinden und dabei die LWL-Schulen zu berücksichtigen. Möglich seien etwa ein Bauerngarten mit Kleintierhaltung für Fächer wie Biologie oder Sachunterricht und am Backhaus Backfeste für alle im Stadtteil. Im Haus selbst seien Lehrerkonferenzen und Klassikkonzerte im Erdgeschoss sowie Ausstellungen im Obergeschoss denkbar. „Es könnte ja ein kleiner historischer Stadtteilpark daraus werden.“
Der LWL verweist derweil auf die hohen Kosten und kann sich auf Nachfrage der Redaktion keine andere Nutzung vorstellen als die, in Haus Grothof einen Hausmeister unterzubringen. Auch eine neue Erschließung sei derzeit nicht geplant. Den Vorschlägen von Geschichtskreis und Heidemann stehe er „erst einmal positiv gegenüber“, allerdings müsse „ein solches Ansinnen im Vorhinein sehr genau geprüft“ werden.
Eigentümer LWL lehnt Kernsanierung für neue Nutzung wegen hoher Kosten ab
Als Hindernis wertet der LWL die Lage auf dem Gelände des Förderschulzentrums, wo sich die zum Teil stark hörbehinderten oder motorisch eingeschränkten Schülerinnen und Schüler frei bewegen können. Sie würden aber womöglich „erheblich“ gefährdet durch Verkehr von Personen, die über die Einschränkungen der Kinder nicht informiert seien. Hupen oder lautes Rufen als Warnung sei da oft nicht möglich.
Wir taggen GElsen: Videos und Bilder aus Gelsenkirchen finden Sie auch auf unserem Instagram-Kanal GEtaggt. Oder besuchen Sie die WAZ Gelsenkirchen auf Facebook.
Dennoch: GK-Mitglied Kopatz zeigt sich erleichtert und stolz, dass sich der „zähe Kampf“ um die Rettung von Haus Grothof gelohnt habe. Er sieht die Bestandssicherung als Vorbereitung einer Folgenutzung – und bleibt weiter hartnäckig.