Gelsenkirchen-Buer. Warum die FDP Gelsenkirchen die Studie „Urbanus-Kiez“ scharf kritisiert. Und wie das von der Stadt beauftragte Planungsbüro darauf reagiert.
„Falsche Behauptungen, schlampige Arbeit“ und „sozialistische Marktwirtschaft“: Die (nichtöffentliche) Machbarkeitsstudie zum Gastronomie-Standort St.-Urbanus-Kirchplatz, über die die Redaktion exklusiv berichtet hat, stößt bei der FDP auf scharfe Kritik. Dabei wirft der stellvertretende Ratsfraktions-Vorsitzende Ralf Robert Hundt dem Dortmunder Planungsbüro Schulten – Stadt- und Raumentwicklung (SSR) nicht nur dreisten Begriffs-Diebstahl vor.
„Urbanus-Kiez“: Dies sei „zugegeben ein schöner Name, aber leider geklaut“, so der FDP-Landtagskandidat für den Wahlkreis Gelsenkirchen I und Recklinghausen V. Wortschöpfer sei nicht SSR, sondern der Bueraner (und FDP-Stadtverordnete) Christoph Klug. „Das kann jeder sehen, wenn er sich in den Sozialen Medien bewegt. Dort gibt es seit Monaten Posts zur Kiez-Liebe.“
Gelsenkirchener FDP: Mit Systemgastronomie geht Individualität verloren
Darüber hinaus sei die Studie fehlerhaft: „Unter den 44 von der WAZ zitierten Gastro-Betrieben vermissen wir einige, zum Teil recht beliebte Treffpunkte.“ Falsch sei auch die Behauptung, dass es im Karree zwischen Urbanus-Kirchplatz und Hagenstraße keinen Innenhof gebe. „Aber vielleicht wurde der genauso überplant wie existierende Unternehmen“, vermutet Hundt.
Als „peinlich“ bewertet die FDP zudem, dass als Lösungsvorschlag Systemgastronomie angeboten wird. „Es gibt einen internationalen Konsens, dass Innenstädte nur durch Events funktionieren können.“ Mit Systemgastronomie gingen vielmehr „die letzten Rückzugsorte von Vielfalt und Individualität verloren.“
FDP Gelsenkirchen fehlen Belege
Kernpunkte der Machbarkeitsstudie
In der (nicht öffentlichen) Machbarkeitsstudie „Machbarkeitsstudie Gastrostandort St.-Urbanus-Kirchplatz“, die der Redaktion exklusiv vorliegt, bemängelt das Dortmunder Planungsbüro SSR in Buer das Fehlen von „hochwertiger Ambiente-Gastronomie“, Clubs, Bars, speziellen Angebote etwa für Vegetarier und großflächiger Systemgastronomie. Für den Gebäudeblock zwischen Domplatte und Hagenstraße mit acht Baukörpern von unterschiedlichen Eigentümern schlägt das Planungsbüro ausschließlich Gastronomie vor, darunter für drei von sechs Flächen auch großteilige Systemgastronomie. Der Bereich Hagenstraße und Spielplatz Freiheit könnte dem Vorschlag nach für mehr Außengastronomie und Veranstaltungen umgestaltet werden. Favorisiert wird dabei eine Erweiterung der bisherigen Fläche für Kinder zum Abenteuer-Spielplatz.
Es fehlten wissenschaftliche Belege, dass (weitere) Systemgastronomie gewünscht werde, schließlich gebe es diese sehr wohl im Berger Feld und im Süden neben dem Gerichtskomplex. Eine Rettung der Innenstadt sei von Systemgastronomie nicht zu erwarten.
„Verärgert hat mich auch, dass hier, in einer strukturschwachen Stadt, funktionierende Systeme wegrationalisiert werden sollen“, kritisiert Hundt weiter. Das erinnere an die sozialistische Marktwirtschaft. Im von den Studienmachern untersuchten Karree existierten Geschäfte: der Outdoor-Laden Jack Wolfskin, der Modeladen Hoch 3, die Knappschaft, und weitere zwei Lokale von Christoph Klug. „Jetzt planen wir mit Systemgastronomie und wenn das nicht funktioniert, haben wir neue Leerstände“, zeigt er sich „entsetzt.“
FDP Gelsenkirchen fordert Diskussion mit Bürgern über deren Wünsche
Notwendig sei vielmehr eine Diskussion mit Bürgerinnen und Bürgern, „was sie sich für Buer wünschen, wir wollen von ihnen hören, was fehlt“, so Hundt. Die städtischen Investitionskosten in die Studie seien „zum Teil verschwendetes Kapital“. Daher habe die FDP eine Anfrage im Rat gestellt, „warum so inflationär externe Gutachter beauftragt werden“. Und: „Könnten wir da nicht Geld sparen, indem wir in Personal vor Ort einsetzen? Könnten wir die Westfälische Hochschule nach ihrer Expertise fragen?“, regt Hundt an.
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Das von der FDP angegriffene Planungsbüro SSR weist auf Anfrage der Redaktion darauf hin, dass es sich bei der Studie um „kein fertiges Endprodukt“, sondern „eine fundierte Diskussionsgrundlage“ handele. Anliegen sei es vielmehr gewesen, die städtebauliche, technische und auch wirtschaftlich Machbarkeit unter Beweis zu stellen, betont Marc Lucas Schulten.
Planungsbüro: Studie zu Gelsenkirchener Urbanus-Kiez ist nur Diskussionsgrundlage
„Es ist der Einstieg in einen Prozess, und das Ganze funktioniert nur, wenn alle Akteure zusammenarbeiten wollen“, spricht er sich für einen „gemeinsamen Dialog von Stadt, Gastronomen und Immobilieneigentümern“ aus.
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Was das Etikett „Urbanus-Kiez“ angeht, so wolle man niemandem die Urheberschaft dafür streitig machen. „Es ist kein Branding von uns, sondern ein interner Arbeitstitel. Wir beanspruchen hier gar kein Namensrecht“, stellt Schulten klar.
Die Studie würdige die bisherigen Ansätze und die besondere Stärke der vorhandenen Betriebe „an vielen Stellen“, und „sie bilden ja den Ankerpunkt für das Konzept an diesem Ort. Sie sollen und dürfen nicht verdrängt werden!“ Man wolle mit den Ideen Synergien aufzeigen und sei überzeugt, dass davon „Impulse entstehen können, von denen gerade auch diese Betriebe wie auch die Innenstadt insgesamt profitieren werden.“