Gelsenkirchen-Hassel. Bezirksbürgermeister Schneider hofft, dass das marode Gelsenkirchener Bauernhaus gerettet ist. Von Sanierung mag Eigentümer LWL aber nicht reden.

Das Bild vom Dornröschenschlaf, es wurde schon oft bemüht, um das verwunschen daliegende Haus Grothof auf dem LWL-Schulgelände an der Lasthausstraße zu beschreiben. Zum Wachküssen kam es jedoch nie, weil der Landschaftsverband Westfalen-Lippe als Eigentümer das marode Denkmal aus dem Jahr 1783 kontrolliert verfallen lassen wollte. Eine Sanierung, so hieß es, sei wegen der immensen Kosten „unzumutbar“. Nun aber meldet Bezirksbürgermeister Dominic Schneider (SPD): „Das alte Bauernhaus scheint gerettet!“

„Der LWL hat für 2021 und 2022 Mittel für die Sicherung und Instandhaltung des Hauses Löchter zur Verfügung gestellt“, teilt er mit. Ein Architektenbüro habe einen entsprechenden Auftrag erhalten. Im dritten Quartal sollen die Arbeiten beginnen.

LWL hat 200.000 Euro für Sicherung und Instandhaltung des Hauses veranschlagt

In der Tat, so bestätigt der LWL auf Anfrage, seien insgesamt 200.000 Euro im aktuellen Doppelhaushalt 2021/22 für Haus Grothof veranschlagt. Geplant sei, alle nicht relevanten Einbauten auszubauen, also alte Bodenbeläge, Möbel, provisorische Verkleidungen, Dekorationen und nicht relevante Trennwände. „Alle Ausbauten werden in Abstimmung mit dem Denkmalamt vorgenommen“, betont LWL-Sprecherin Hannah Pöppelmann-Reichelt.

Wie berichtet, handelt es sich bei dem Gebäude um ein Relikt aus der frühen vorindustriellen Zeit der Besiedlung: ein typisches westfälisches Fachwerk-Bauernhaus mit Wohn- und Wirtschaftsteil unter einem Dach. Das Problem ist zum einen die schlechte Bausubstanz, zum anderen aber auch der kleinteilige Zuschnitt der Räume mit recht niedrigen Decken, die eine Schulnutzung nahezu unmöglich machen, und die fehlende Erschließung: Das Gebäude ist nur über das Schulgelände erreichbar.

LWL hält Sanierungskosten nach wie vor für „unverhältnismäßig hoch“

Dominic Schneider, Bezirksbürgermeister Gelsenkirchen-Nord (SPD), hofft, dass mit der Instandhaltung auch die Rettung von Haus Grothof in Gelsenkirchen eingeleitet ist.
Dominic Schneider, Bezirksbürgermeister Gelsenkirchen-Nord (SPD), hofft, dass mit der Instandhaltung auch die Rettung von Haus Grothof in Gelsenkirchen eingeleitet ist. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Angesichts dessen mag die LWL-Sprecherin noch nicht so recht von einer „Rettung“ sprechen. „Durch die Instandhaltung stoppen wir den Verfall des Gebäudes. Eine Sanierung wäre tatsächlich mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden. Seiner Pflicht, das Denkmal zu erhalten, kommt der LWL jedoch nach wie vor nach, auch wenn es aktuell keine konkreten Nutzungs- bzw. Refinanzierungsmöglichkeiten gibt.“

„Denkbar“ sei eventuell eine Unterbringung des Technischen Dienstes beider LWL-Förderschulen mit einer Werkstatt und einem Lager. Dazu gebe es allerdings noch keinen Beschluss.

Geschichtskreis Hassel und Lokalhistoriker Heidemann wollen grundlegende Lösung

Damit mögen sich aber weder Bezirksbürgermeister Schneider, noch der Geschichtskreis (GK) Hassel/Bergmannsglück und der Lokalhistoriker Lutz Heidemann abfinden. GK und Heidemann bemühen sich seit Jahren um eine grundlegende Lösung.

Der Schimmel regiert im alten Fachwerkhaus

Der jetzige Zustand von Haus Grothof ist katastrophal: Ein Teilbereich der Decken ist in der Statik gefährdet, an den Querschnitten der Hölzer wurden gravierende Schäden festgestellt. Wegen der ungünstigen Außendämmung ist das Gebäude sehr anfällig für Schimmel, zudem muss die Imprägnierung des Außenfachwerks mit einer teerhaltigen und krebserregenden Substanz entfernt werden.1996 hätte die Sanierung den LWL etwa 800 000 DM gekostet und wurde vom LWL-Finanzausschuss abgelehnt. Heute, da sind sich Experten einig, dürfte es deutlich teuer werden.

Als Stützpunkt für Hausmeister können sie sich das Bauernhaus nicht vorstellen. „Das ist doch zu schade. Die Öffentlichkeit bliebe dann ja außen vor“, meint Heidemann, der intensiv die Geschichte von Gebäude und Umfeld erforscht hat. Er ist überzeugt: An der Erhaltung, Pflege und „angemessenen Nutzung“ des Wohn- und Wirtschaftsgebäudes und des Backhauses mit Teich und Bachlauf besteht ein öffentliches Interesse.

Akteure wollen Gebäude der Öffentlichkeit zugänglich machen

Lokalhistoriker Lutz Heidemann, einst Stadtplaner in Gelsenkirchen, kann sich für ein saniertes Haus Grothof verschiedene Nutzungen vorstellen. Das alte Bauernhaus müsse auf jeden Fall erhalten und saniert werden.
Lokalhistoriker Lutz Heidemann, einst Stadtplaner in Gelsenkirchen, kann sich für ein saniertes Haus Grothof verschiedene Nutzungen vorstellen. Das alte Bauernhaus müsse auf jeden Fall erhalten und saniert werden. © FUNKE Foto Services | Thomas Schmidtke

Der pensionierte Gelsenkirchener Stadtplaner, der sich einst aktiv in die (erfolgreiche) Rettung von Schloss Horst einbrachte, präsentiert gleich mehrere Ideen: Die Palette reicht von einem musischen Zentrum über die Anlage eines historischen Stadtteilparks mit „Mädchen- und Frauengarten für Zuwandererfamilien“ bis hin zu einem „Weg der Geschichte“ zwischen Freiheit in Buer und Schloss Westerholt in Analogie zur nahen „Allee des Wandels“ zwischen Hassel und Westerholt.

„Die LWL-Schulen könnten das Haus auch im Rahmen einer Öffnung von Schulen nutzen. Die große Tenne eignet sich besonders für Ausstellungen und Konzerte“, meint Heidemann. Julia Salmen, stellvertretende Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Hassel-Süd/Bergmannsglück, hält das Gelände im Grünen für ideal, „ein besseres Verständnis für die Umwelt im Schulunterricht zu vermitteln.“

Egon Kopatz, Mitglied im Geschichtskreis Gelsenkirchen-Hassel/Bergmannsglück, engagiert sich seit Jahren für eine Rettung von Haus Grothof.
Egon Kopatz, Mitglied im Geschichtskreis Gelsenkirchen-Hassel/Bergmannsglück, engagiert sich seit Jahren für eine Rettung von Haus Grothof. © FUNKE Foto Services | Thomas Schmidtke

Auch der Geschichtskreis steht bereit, in einem sanierten Erdgeschoss etwa Ausstellungen zur Geschichte Hassels zu präsentieren oder historische Vorträge zu halten. Von dem LWL-Hinweis gegenüber der Redaktion, dass der Geschichtskreis bei den Überlegungen zu einer Folgenutzung „keine Rolle spielt“, will sich Egon Kopatz nicht entmutigen lassen. „Um ein solches Denkmal zu retten, braucht man einen langen Atem. Und den haben wir. Haus Grothof ist unser Schätzchen.“