Mülheim. Ein Flugblatt der Flughafen-Gegner polarisiert in Mülheims Wahlkampf. Was dran ist an der Behauptung, in Zukunft gebe es lärmende Frachtflüge.

Vor der Kommunalwahl am Sonntag sorgt ein Flugblatt des Netzwerkes gegen Fluglärm für Aufregung. Auf diesem Papier behauptet das Netzwerk, ein Ausbau zum Regional- und Frachtflughafen mit entsprechend größeren Maschinen stünde bevor. Der Fakten-Check.

1000 Flugblätter soll das Netzwerk in den vergangenen Wochen unters Volk gebracht haben. „Wehren wir uns, denn es wird laut und dreckig“, heißt darauf der Appell an die Bürger, der Politik Druck zu machen, dass es nicht so kommen möge, wie das Netzwerk die Sachlage beurteilt.

Netzwerk prognostiziert: Fluglärm von früh morgens bis spät in die Nacht

Das Flugblatt des Netzwerkes gegen Fluglärm behauptet, der Ausbau zum Regional- und Frachtflughafen sei fest beabsichtigt.                  
Das Flugblatt des Netzwerkes gegen Fluglärm behauptet, der Ausbau zum Regional- und Frachtflughafen sei fest beabsichtigt.                   © Unbekannt | WAZ


Mit ihrem Februar-Beschluss zum Flughafen und zur WDL-Zukunft hätten SPD, FDP und BAMH Weichen gestellt für ihr Ziel, das da laute: Ausbau zum Regional- und Frachtflughafen. „Fluglärm von früh morgens bis spät in die Nacht“ drohe, ein „Lärm- und Abgasteppich“ bin hin zu den Wohngebieten in Saarn und Selbeck, Natur- und Kaltluftschneisen würden zerstört, verschlagwortet der Netzwerk-Verein seine Skizze einer belastenden Zukunft. Turboprop und Düsenflug werde es geben, dazu Frachtflug.

Im Gespräch mit dieser Redaktion untermauerte nun Netzwerk-Sprecher Waldemar Nowak seine Sicht auf die Dinge und beschwor folgende vermeintliche Faktenlage, die im Kern darauf basiert, dass die Zeitfracht-Gruppe, ein national wie international tätiger Logistikdienstleister, im Februar verkündet hatte, die Flugschule TFC-Käufer mit Sitz am Mülheimer Flughafen zu übernehmen. Nowak sieht die Zeitfracht nun mit einer Flugzeug-Flotte und Verkehrsrechten am Flughafen ausgestattet, was klar darauf hindeute, dass das Unternehmen Flüge mit Eil- und Kurierfracht mit einem Startgewicht von bis zu 40 Tonnen am hiesigen Flughafen etablieren wolle.

SPD-Parteichef spricht im Stadtrat vom „Netzwerk der Lügen“


SPD-Parteichef Rodion Bakum hatte Nowaks Netzwerk infolge der Flugblatt-Aktion schon im Stadtrat jüngst scharf angegriffen, hatte vom „Netzwerk der Lügen“ und Nowaks „Lügenpapieren“ gesprochen. Im Gespräch mit dieser Redaktion vor einigen Tagen gab sich Nowak fassungslos, man werde gegen Bakum rechtliche Schritte prüfen, sobald man das Wortprotokoll der Ratssitzung in den Händen halte. In einer Presseerklärung in der Vorwoche hatte Bakum noch nachgelegt: Nowak solle seine „Fakten auf den Tisch legen. Dann wird sein Lügengerüst schnell zusammenbrechen.“ Nowak reagierte mit einem offenen Brief, warf Bakum mangelnden politischen Anstand vor.

Ein Sprecher der Zeitfracht-Gruppe reagierte auf Anfrage dieser Redaktion zu etwaigen Plänen des Unternehmens für Frachtflüge vom Flughafen Essen-Mülheim aus zunächst nur mit einer knappen Antwort: „Das ist Unsinn.“ Auf Nachfragen sagte jener Sprecher, dass die Unternehmensgruppe überhaupt kein Frachtgut per Flugzeug transportiere und dies auch nicht geplant sei.

Zeitfracht-Gruppe: Unser Frachtgeschäft hat mit einem Flughafen gar nichts zu tun

Die Zeitfracht-Gruppe sei für den Deutschen Paketdienst (DPD) auf der Langstrecke zu den Depots unterwegs. Die Tochter KNV Zeitfracht unterhalte in Erfurt ein großes Logistiklager für Bücher und Medien. „Unser ganzes Frachtgeschäft hat mit einem Flughafen gar nichts zu tun“, so der Sprecher.

Waldemar Nowak vom Netzwerk gegen Fluglärm.
Waldemar Nowak vom Netzwerk gegen Fluglärm. © FUNKE Foto Services | Oliver MuellerOliver Müller


Er verwies auch auf die öffentlichen Verlautbarungen, die auf der Unternehmensseite im Netz nachzulesen sind, die Netzwerk-Sprecher Nowak offenbar aber nicht für glaubhaft hält. Dort heißt es, dass die Zeitfracht die Flugschule TFC-Käufer allein deshalb übernommen habe, um seiner Tochter German Airways die eigene Pilotenausbildung für die Zukunft abzusichern. German Airways (früher WDL Aviation), so der Sprecher, sei mit Stützpunkt in Köln im Übrigen nur im Passagierverkehr tätig. „Auch mit deren Flugzeugen wird keine Fracht geflogen – und das haben wir auch in der Zukunft nicht vor.“

Dönnebrink: Unvollständige, undifferenzierte oder teilweise sogar falsche Aussagen

Auch der Chef der städtischen Beteiligungsholding, Hendrik Dönnebrink, lässt kein gutes Haar an der offensichtlich weit überdrehten Wahlkampf-Aktion des Netzwerkes. Dönnebrink rekurriert dabei auf den Ratsbeschluss von Februar. Der setzte unter anderem fest, dass die gegenwärtigen Grenzen für Starts und Landungen eben nicht überschritten werden dürften. So sei die von Nowak heraufbeschworene Ausweitung des Flugbetriebs oder ein Ausbau zum Regionalflughafen unter dem Motto „Fluglärm von früh morgens bis spät in die Nacht“ ausgeschlossen.


Ebenso ist aktuelle Beschlusslage des Stadtrates, dass an den zulässigen Gewichtsklassen im Status quo nicht zu rütteln ist. Beschlossen worden war lediglich, die Genehmigung zum Betrieb des Flughafens auf „derzeitigen Stand der Technik“ zu heben (Anflug per GPS und Genehmigung kleiner Turboprops und Düsenflugzeuge). Der Anflug per GPS soll laut Dönnebrink gar Lärmminderungen ermöglichen

„Obskur“ nennt Dönnebrink die vom Netzwerk hergeleitete Dramaturgie zum Einstieg der Zeitfacht-Gruppe bei der Flugschule TFC-Käufer. „Das Flugblatt enthält nahezu ausschließlich unvollständige, undifferenzierte oder teilweise sogar falsche Aussagen“, so Dönnebrink.