Oberhausen. Nichts wird im Stadtteil-Check schlechter bewertet als die Arbeit der Kommunalpolitiker. Die aber kontern: Die Oberhausener haben eine Holschuld.
Es ist mehr als ein Wermutstropfen für alle, die sich in den letzten sechs Jahren ehrenamtlich als Kommunalpolitiker engagiert haben: Nichts haben die Oberhausener in unserem Stadtteil-Check schlechter bewertet als ihre Arbeit. Von einer durchschnittlichen Note von 3,74 für die Kommunalpolitik dürften sich dagegen diejenigen motiviert fühlen, die nach ihrer möglichen Wahl am nächsten Sonntag, 13. September 2020, für Veränderungen in der Stadt sorgen wollen. Oder würde ein solcher Einsatz ohnehin nicht bei den Bürgern ankommen?
Denn Martin Florack, Oberhausener Politikwissenschaftler, weiß, dass „im Nahräumlichen viel Frust abgeladen wird“. Viele Lokalpolitiker würden deshalb in Mithaftung für viele Probleme genommen. „Sich positiv über Politik zu äußern, ist generell eine sehr seltene Kategorie. Der übliche Ansatz bei der Bewertung von Politik ist: Es läuft alles schief.“
Bewertung der Kommunalpolitik in Styrum fast „mangelhaft“
Nur sind nicht alle Oberhausener gleich unzufrieden. Es sind besonders die südlichen Stadtteile, die ein „ausreichend“ vergeben haben. In Styrum grenzt die Bewertung mit einem Schnitt von 4,41 gar an ein „mangelhaft“. Auch die Bürger aus der Innenstadt (4,32), dem Brücktorviertel (4,27) Lirich (4,25) und Dümpten (4,03) haben auf die Frage „Wie bewerten Sie den Einsatz von Kommunalpolitikern und Stadtverwaltung für Ihren Stadtteil?“ mit viel Unzufriedenheit geantwortet.
„Diese Ergebnisse sind schade und sie überraschen mich“, gibt Dominik Stenkamp (CDU), stellv. Bezirksbürgermeister in Alt-Oberhausen, zu. „Wir sind gut erreichbar – auch in den modernen Medien.“ Zudem sei über das Online-Ratsinformationssystem Allris gut ersichtlich, dass die Bezirksvertretung viele Anträge stelle und sich kümmere. Aber Stenkamp räumt auch ein: „Es ist für den Bürger nicht immer ganz einfach zu durchschauen, wer verantwortlich.“ Für nicht entfernten Riesen-Bärenklau am Ruhrdeich in Alstaden würden so beispielsweise Stadt und Kommunalpolitik verantwortlich gemacht – obwohl das Schifffahrtsamt in Duisburg zuständig sei.
Schlechte Bewertung ein Zeichen von Unwissenheit?
Obgleich die Kommunalpolitik in den südlichen Stadtteilen wesentlich schlechter bewertet wird als in Vonderort (3,00), Königshardt (3,00), Rothebusch (3,13), Schmachtendorf (3,14) oder in der Walsumermark (3,22), wehrt sich Stenkamp gegen den Eindruck, der Süden werde von der Politik vernachlässigt. „Aber das Problemfeld Innenstadt ist eben eine andere Hausnummer als der Norden.“
Was aber ist tatsächlicher Missstand und was nur der Ruf eines Stadtteils? „Wir erzählen seit Jahren bei jeder Gelegenheit, dass die Marktstraße vor die Hunde gegangen ist“, merkt Politikwissenschaftler Florack an. „Wenn man das Problemkind einmal definiert hat, wird wenig dagegen gehalten.“ Da dringe auch ein örtlicher Politiker, der etwas verbessert, nicht unbedingt durch.
Die Ergebnisse des Stadtteil-Checks könnten laut Florack auch die Wahlberechtigten als Anlass zur Selbstreflexion nehmen. Denn wer ließe sich im Fall eines Problems schon in der Bezirksvertretung blicken, statt lediglich zu meckern? Die schlechte Bewertung der Kommunalpolitik könne deshalb auch als „Symptom von Unwissenheit“ verstanden werden. „Das sieht man ja auch an der Wahlbeteiligung, die in der Innenstadt eben weitaus geringer ist als in Königshardt.“ Davon abgesehen sei die kommunale Stimmungslage allerdings mit einer Blackbox vergleichbar. „Es gibt kaum verlässliche Einschätzungen, was Erwartungen an Kommunalpolitik sind“, so Florack.
Grüne: Interesse nur bei eigener Betroffenheit
Der ehemalige, langjährige SPD-Fraktionschef Wolfgang Große Brömer nimmt aus dem Stadtteil-Check zwar die „die Suche nach neuen Kommunikationswegen“ als Hausaufgabe für die Politik mit. Gegen ein Pauschalurteil der Kommunalpolitiker wehrt er sich aber. „Sie sind diejenigen, die ständig parat stehen, um Bürgerinteressen entgegenzunehmen.“ Dies werde jedoch immer weniger von Bürgern wahrgenommen, „Meine Erfahrung ist, dass sich für Problemlösungen immer seltener an die Politik gewandt wird. Viele Bürger haben sich von uns entfernt.“
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Auch die Grünen leiten von den schlechten Ergebnissen weniger die Pflicht ab, die eigene Arbeit noch transparenter darzustellen – und verweisen auf die Holschuld der Bürger. „Es gibt bei vielen kein Wissen oder Verständnis dafür, was Kommunalpolitik ist und was sie kann“, sagt Andreas Blanke, Fraktionschef der Grünen. „Dabei haben wir immer viele niedrigschwellige Angebote – Sprechstunden, Beteiligungsformate. Nur stoßen die auf eine schwache Resonanz.“
Groß sei das Interesse der Bürger oft nur, wenn es um Einzelinteressen gehe – etwa, wenn jemand von hohen Straßenbaubeiträgen betroffen sei, meint der erfahrene Kommunalpolitiker. „Nur sind der Kommunalpolitik dann oft die Hände gebunden.“
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