Oberhausen. Eine Oberhausenerin hat den Schock über ihre Corona-Erkrankung überwunden – da fallen ihr büschelweise die Haare aus. Nun kämpft sie dagegen an.
Frau Muhs saß in der Badewanne ihrer Wohnung und strich mit den Händen über den Kopf, um das Shampoo herauszuwaschen – da merkte sie plötzlich, dass etwas mit ihren Haaren nicht stimmte. Zwischen ihren Fingern blieben zu viele ihrer dichten, blonden, bis zum Rücken reichenden Haare hängen. Das war Ende Februar 2021. Sie fühlte sich noch schwach wegen ihrer Corona-Erkrankung. „Es war ein Schock! Meine Haare schwammen büschelweise im Badewasser“, erzählt sie nun am Telefon.
Frau Muhs ist 47 Jahre alt und lebt mit ihrem Mann und einem ihrer Söhne in Oberhausen. Sie arbeitet als ambulante Pflegekraft und hat darum gebeten, zur Warnung zwar ihren Fall, aber nicht ihren Vornamen zu veröffentlichen. Auf ihre vollen Haare war die Oberhausenerin stolz, hatte Spaß daran, neue Frisuren auszuprobieren. So lang wie derzeit, hatte sie sie noch nie wachsen lassen und das gefiel ihr. Am 4. Januar, auf dem Höhepunkt der zweiten Welle, infizierte sie sich mit Corona. Seitdem ist sie krankgeschrieben. Sie hatte einen schweren Verlauf, musste aber nicht ins Krankenhaus. Kann es sein, dass Corona etwas mit dem extremen Haarausfall zu tun hat?
Corona: Eine Frau aus Oberhausen hat plötzlich zwei Drittel ihrer Haare verloren
Noch heute, fast vier Monate nach der Ansteckung, fühlt Muhs sich erschöpft. Experten sprechen in solchen Fällen von Long-Covid. Hinter dem Haarausfall könnte sich eine Autoimmunreaktion verbergen, so hat es auch bereits der Norddeutsche Rundfunk (NDR) berichtet. Betroffene bilden wohl Auto-Antikörper gegen die eigenen Haarwurzeln.
Die Kollegen des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) zitieren in einem Bericht den Biologen Dr. Gerd Wallukat, der Haarausfall nach einer Coronaerkrankung untersucht. Er erklärt die These der Auto-Antikörper so: „Unsere Vermutung ist, dass, wenn die Gefäße eng gestellt werden, dass dann die Versorgung der Haarfollikel nicht mehr 100%-ig gewährleistet ist und das dann zum Haarausfall führt.“ Wallukat entwickelt derzeit ein Medikament, das die Auto-Antikörper unschädlich machen soll.
Ihren Mann hat sie nicht angesteckt – obwohl sie im gleichen Zimmer schlafen
„Ich hätte nie gedacht, dass ich Corona bekomme. Ich hatte in jeder Tasche Desinfektionsmittel“, berichtet Muhs. Am 29. Dezember, ein Dienstag, fühlte sie sich nach der Arbeit krank, schwach und hatte Kopfschmerzen. Der erste Schnelltest war negativ. Über Silvester verschlimmerten sich die Symptome: Sie konnte nicht mehr schmecken, ihre Glieder schmerzten, bekam kaum Luft. Der PCR-Test am Montag darauf war positiv.
Wo sie sich ansteckte, konnte sie nicht herausfinden. Ihren Mann hat sie nicht angesteckt, obwohl sie die ganze Zeit im selben Bett schliefen. Auch der Sohn blieb gesund. „Das Virus ist ein Buch mit sieben Siegeln“, sagt sie. Als sie sich Ende Januar besser fühlte, begann langsam der Haarausfall. „Ich habe mir erstmal nichts dabei gedacht. Es ist ja normal, 100 Haare am Tag zu verlieren.“ Aber dabei blieb es nicht.
Es fielen immer mehr Haare aus. Zog sie an ihnen, hatte sie wieder ein Büschel in der Hand. Über den Tag sammelten sie sich auf ihrem Pullover. „Wir hatten früher einen Hund, von dem lagen immer Haare auf dem Boden, jetzt sind da meine Haare.“
Hautärztin rätselt über die Ursache
Nun ist sie bei einer Hautärztin in Behandlung, die ihre Haare analysiert. Noch ist die Ursache unklar. Muhs benutzt drei Mittel, um den Ausfall abzumildern: Biotin, Koffeinshampoo und eine Brennnesselkur. „Das hilft ein bisschen.“ Nur einmal am Tag kämmt sie das Haar.
Muhs musste beinahe künstlich beatmet werden
Während ihrer Corona-Erkrankung hat Frau Muhs zu Hause per Blutsättigungsmesser getestet, wie viel Sauerstoff im Blut ist. Die Norm ist etwa ein Wert von 97, bei 80 müssen Patienten beatmet werden. Einmal ist er bei ihr auf 83 gesunken, berichtet sie. Danach haben die Beschwerden etwas nachgelassen.Erst vor kurzem haben Ärzte bei einer Routineuntersuchung festgestellt, dass Muhs eine Lungenembolie hatte und der Thrombus noch in der Lunge sitzt. Seitdem nimmt sie blutverdünnende Medikamente. Die könnten ebenfalls für den Haarausfall verantwortlich sein. Doch Muhs verliert so viele Haare, dass die Ärzte davon ausgehen, dass es auch an Corona liegt.
Wenn sie die Wohnung verlässt, bindet sie sich einen Pferdeschwanz. So kann sie die Stelle am Hinterkopf kaschieren, wo am meisten Haare fehlen. Ihr Sohn nehme sie immer wieder auf den Arm: „,Mama, ich geb‘ dir welche von meinen Haaren ab‘, sagt er“. Ihr Mann unterstütze sie, sorge sich um sie.
Vor die Tür zu gehen, macht ihr nichts aus. „Die Leute gucken nicht. Sie wissen ja nicht, wie viele Haare ich früher hatte.“ Aber schön fühle es sich nicht an. Sie schätzt, dass sie bereits zwei Drittel ihrer Haare verloren hat.