Berlin. Atemnot, Haarausfall und neurologische Probleme: Eine Corona-Patientin sprach bei „Maischberger“ über beängstigende Langzeitfolgen.
Ganz sicher wäre Karoline Preisler die „Heldin der Woche“, wenn es bei „Maischberger. Die Woche“ eine solche Kategorie geben würde. Wie sie vor nun mehr zehn Tagen am Rand der Berliner Anti-Corona-Demonstration stand und versuchte, mit den Protestlern ins Gespräch zu kommen – mit einem Schild in der Hand: „Ich hatte Covid-19 und mache mir Sorgen um Euch.“
Und wie sie das aushielt, ständig beschimpft, bespuckt und als bloße „Schauspielerin“ diffamiert zu werden. „Es ist mein Job“, erklärte die FDP-Politikerin aus einer Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern tapfer, „wir müssen miteinander reden, denn nur als Team kommen wir durch diese Pandemie.“
Nachdem sie sich im März infiziert hatte, war sie schon einmal bei „Maischberger. Die Woche“ zu Gast, per Skype zugeschaltet, nur einen Tag nach Ende der akuten Phase der Erkrankung. Nun saß sie – genesen – diesen Mittwoch live im Studio und berichtete, wie es ihr seither ergangen ist.
„Es war eine schwierige Zeit“, erzählte sie, nicht nur für sie, auch für ihre Familie, ihre Kinder. Aus Angst vor Ansteckung hätten zum Beispiel einzelne Stadtverordnete ihrer Gemeinde laut überlegt, eine Bannmeile um ihr Haus zu ziehen.
„Maischberger“: Corona-Patientin spricht über Langzeitfolgen
Auch unerwartete körperliche Beschwerden traten erst acht Wochen nach der Genesung auf, berichtete sie: So sei sie über Wochen morgens auf einem Kissen voller ausgefallener Haarsträhnen aufgewacht. Und konnte mehrere Tage lang nichts anderes als „Brandenburg“ sagen, obwohl sie eigentlich „Verfassungsbeschwerde“ sagen wollte.
„Das hat mich sehr geängstigt“, gab sie zu. Weil sie nicht einschätzen konnte, ob diese neurologischen Beschwerden wieder verschwinden würden. Das taten sie, glücklicherweise. Das Sprechen wurde besser, wie auch die „verstandraubende“ Atemnot dank Atemtherapie.
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Über ähnliche Langzeitsymptome klagten alle der über 100 Covid-19-Patienten, die Jördis Frommhold betreut hatte, ergänzte die Chefärztin einer Lungenklinik in dem Doppelgespräch mit Sandra Maischberger: Extreme Erschöpfung – verursacht durch falsch antrainierte „Schonatmung“. Neurologische Störungen wie Verlust des Kurzzeit-Gedächtnisses oder eben Wortfindungs-Schwierigkeiten. Sowie psychische Belastungen als Folge der langen Isolation.
„Viele Patienten sind nicht genesen, sondern nur nicht mehr infektiös“, schätzte die Ärztin. Die Corona-Langzeitfolgen seien längst nicht erforscht und auch nicht beziffert. „Die Genesenen sind lange nicht in der Lage, normal zu arbeiten. Was wiederum Ängste verursacht“, erklärte sie.
„Taz“-Kolumnistin wirft Politikerin „Orientierungslosigkeit“ vor
Der Auftritt der beiden Frauen zum Schluss der Sendung wirkte wie ein beseelter Kontrapunkt zu den eher überblickshaften Politik-Analysen, mit denen vielen Themen bei „Maischberger. Die Woche“ an diesem Mittwoch abgearbeitet werden mussten.
Die „wunderbaren“ Kommentatoren – Robin Alexander, stellvertretende Chefredakteur der „Welt“, „Taz“-Kolumnistin Bettina Gaus und die US-amerikanische Politologin Cathryn Cluever Ashbrook – lieferten dezidierte Kommentare, vorwiegend zur Außenpolitik. Und waren sich dabei in vielen Einschätzungen einig, selbst über ideologische Gräben hinweg.
Ob bei der Katastrophe im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos. Oder bei der Reaktion gegenüber Russland, nach dem Nowitschok-Anschlag auf den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny und dem ungeklärten Verschwinden der Weißrussischen Oppositionsführerin Maria Kalesnikava: Die Außenpolitik der Bundesregierung zeige keine klare Linie, befanden alle drei Talkgäste.
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„Die Orientierungslosigkeit, die sich in den letzten Tagen gezeigt hat, ist alarmierend“, befand Bettina Gaus sogar über die Vielstimmigkeit der Minister-Äußerungen. Während Cathryn Cluever Ashbrook ausführte, wie schwierig es auch für die EU sei, „ein ausgeklügeltes Paket“ an Sanktionen zu schnüren, um Wladimir Putin „dort zu treffen, wo es wehtut“.
Maischberger bleibt bei Esken-Interview zu brav
Einziger Lichtblick oder auch „Gewinner der Woche“ war für Robin Alexander deshalb Norbert Röttgen als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Der einstige „Zählkandidat“ gewinne in dieser Krise an Statur und könne sich gegen die anderen Anwärter auf den CDU-Vorsitz profilieren.
Dann kam Saskia Esken (SPD) – in knallroten Schuhen. Farblich passten die zwar nicht zum übrigen Outfit, sollten aber wohl zeigen, dass die Co-Parteivorsitzende nach neun Monaten Amtszeit und regelmäßigem Shitstorm noch fest auf dem Boden der Parteibasis steht.
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Tatsächlich ließ sich Saskia Esken in dem Einzelinterview nicht aus der Ruhe bringen, geschweige denn aus der Reserve locken. Dafür waren die Fragen von Sandra Maischberger auch zu brav. Oder auch kaum zielgerichtet. Was genau wollte die Interviewerin, die unentwegt zwischen persönlichen und parteiprogrammatischen Fragen mäanderte, eigentlich von der SPD-Frau erfahren?
Ihre ebenso oft kritisierten Tweets – soviel wenigstens konnte sie herauskitzeln – seien mit Bedacht versendet: „Ich wollte damit eine öffentliche Debatte anstoßen“, erklärte die SPD-Vorsitzende über ihre provokante Ansprache bei Themen wie „Rassismus bei der Polizei“ oder „Covidioten“.
Saskia Esken: Bei einem Digitalministerium werde sie schwach
Und sonst? Ja, es stimme, bestätigte Saskia Esken, dass sie als junge Frau 30 Zigaretten am Tag geraucht habe. Ja, es stimme auch, dass sie zu der Zeit an vielen Demos teilnahm, immer aber nur mit friedlichen Mitteln protestierte, weswegen sie stets gute Erfahrungen mit der Polizei gemacht habe. Und ja, als Mutter von drei Kindern sei sie längere Zeit nicht berufstätig gewesen: „Teilzeit war nicht möglich, nicht als staatlich geprüfte Informatikerin“, rechtfertigte sie ihre damalige Entscheidung.
Fast sah es aus, als hätte die 58-Jährige Zeit ihres Lebens Erfahrungen gesammelt, um die Partei, der sie 1990 beitrat, zu einem versöhnlichen Aufschwung zu verhelfen. Mit Olaf Scholz als einem „Sozialdemokraten durch und durch“. Und Kevin Kühnert als „einem Vorsitzenden im Rahmen des Möglichen“.
„Welches Regierungsamt würden Sie anstreben?“, wollte Sandra Maischberg dann noch wissen. Auch hier blieb Saskia Esken standfest im Ungefähren. Sie finde nicht, dass eine Parteivorsitzende auch an der Regierung beteiligt sein müsse. Wenn aber ein Digital-Ministerium geschaffen würde, dann „würde ich wahrscheinlich schwach werden“.