Gelsenkirchen. Die neuen Quarantäneregeln stoßen in Gelsenkirchen auf geteiltes Echo. Bei Grund- und Förderschulen soll sich vor Ort aber Einiges ändern.
Die Gesundheitsminister der Länder haben sich darauf geeinigt, direkten Kontaktpersonen sprich Sitznachbarn von infizierten Schülerinnen und Schülern nach fünf Tagen Quarantäne zu erlauben, sich mit einem negativen PCR-Test für die Schule frei zu testen. In Gelsenkirchen stößt der Vorschlag auf ein geteiltes Echo bei Schulleitungen, Schulverwaltung, Gesundheitsamt und Elternvertretern.
Schulpflegschaft: Manchen Eltern droht Arbeitsplatzverlust
Schulpflegschaftsvorsitzender Jan Klug sieht in dem Vorschlag gar keine wesentliche Veränderung gegenüber der bisherigen Praxis. „Das Gesundheitsamt darf weiterhin entscheiden und auch ganze Klassen in Quarantäne schicken, die Schulen interpretieren die Regeln so, dass die Kinder auch bei negativem Einzeltest zuhause bleiben müssen, bis das Gesundheitsamt sich meldet. Dann sind die Kinder aber nicht in Quarantäne, sondern dürfen überall hin, nur nicht in die Schule. Und für Arbeitgeber ist das gar nicht nachvollziehbar. Ich kenne eine Mutter, die fast ihren Arbeitsplatz verloren hat, weil sie schon wieder zuhause bleiben musste, obwohl das Kind offiziell nicht in Quarantäne war. Das Vorgehen nach Vorliegen der negativen Einzeltests soll eigentlich anders sein, sagte man mir im Ministerium“, so Klug.
Voraussetzung mit fehlenden Lüftungsanlagen nicht erfüllt
Abgesehen davon seien in Gelsenkirchen gar nicht die Voraussetzungen erfüllt, an die die neuen Regeln auch geknüpft seien: Die Ausstattung mit Lüftungsanlagen in Klassenräumen etwa. Seiner Einschätzung nach wäre es dennoch auch verantwortbar, wenn die negativ PCR-Getesteten wieder zur Schule dürfen und dann fünf bis sieben Tage lang täglich getestet würden, da PCR-Tests viel früher anschlagen als Schnelltests.
Tatsächlich soll das auch künftig – voraussichtlich ab kommender Woche – so gehandhabt werden, kündigt Krisenstabsleiter und Stadtrat Luidger Wolterhoff an. Sobald Grund- und Förderschuleltern das negative PCR-Einzelergebnis für ihr Kind aus einem positiven Pooltest erfahren haben, darf dann das Kind am nächsten Tag wieder zur Schule gehen. Es sei denn, die Schule hat das Kind als engen Kontakt identifiziert, dieses dem Gesundheitsamt gemeldet und das Amt daher Quarantäne für dieses Kind ankündigt. Dann soll auch die Schule das den Eltern ausrichten können, in Verbindung mit der Information über den eigenen negativen PCR-Test.. Der Anruf vom Gesundheitsamt bei den Eltern mit der Quarantäneanordnung müsste nicht abgewartet werden – obwohl auch er erfolgen soll. Dieses Vorgehen werde nun mit Schulen, Schulverwaltung, Gesundheitsamt und Bezirksregierung abgestimmt, versichern Wolterhoff und Referatsleiter Fridtjof Unger.
Schule hält nach, wer sich frei testet und wer nicht
Grundschulleiterin Christiane Kraska, Schulformsprecherin der Grundschulen, hofft, dass dies die Situation verbessert. Das negative Ergebnis von Einzeltests gebe die Schule ohnehin an die Eltern weiter, sobald die Schule es vom Labor erfährt. Ein Beispiel: Am Dienstag, 7. September, lief nun an ihrer Schule die Quarantäne-Anweisung für die Familien ein, deren Klassen am 1. und 2. September einen positiven Pooltest hatten. Die negativ Getesteten dürfen sich laut aktueller Anweisung nach fünf Tagen frei testen, die anderen müssen 14 Tage in Quarantäne bleiben. Wer die Möglichkeit des Tests nutzt und wer nicht, das muss die Schule registrieren und weiter melden.
Eltern haben Probleme mit Einzeltests
Thorsten Seiß, Grundschulleiter an der Kurt-Schumacher-Straße, sieht durch die neue Regel wenig Veränderungspotenzial. Wo es seiner Erfahrung nach hakt, ist bei den Einzeltests nach einem positiven Pooltest. „Viele Eltern bekommen das mit der notwendigen Registrierung einfach nicht hin. Dabei vergehen dann Tage, in denen ganze Klassen nicht in die Schule kommen dürfen, weil nicht klar ist, wer infiziert ist. Wir Lehrer helfen natürlich, aber das kostet Zeit, die wir so dringend für den Unterricht und die Kinder bräuchten“, so Seiß.
Grundschulleiter: Pädagogen und Eltern mit Hilfskräften für Tests entlasten
Er wünschte sich, dass für die Schulen Hilfskräfte eingestellt werden, die grundsätzlich morgens die Tests durchführen und auch bei den notwendigen Einzeltests nach positiven Pooltests helfen, um das Vorliegen der Einzelergebnisse zu beschleunigen. Das würde den Lehrkräften Zeit geben, sich auf pädagogische Arbeit zu konzentrieren. Die täglichen Tests bei negativ getesteten Sitznachbarn könnte er – wenn Unterstützung für die Tests käme – sich auch vorstellen.
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Für Bildungsdezernentin Anne Heselhaus ist die Vorgabe, nach fünf Tagen das Freitesten zu erlauben, ein „probates Mittel, das wir ja auch bei Reiserückkehrern praktiziert haben“. Die Priorität für Präsenzunterricht und den Gesundheitsschutz zu vereinigen, sei schwierig. Zumal man noch zu wenig wisse über die Folgen von Long Covid für Kinder. „Es ist ein Mittelweg, den man mitgehen kann, auch im Sinne von Chancengerechtigkeit.“
Andere Situation an weiterführenden Schulen wegen Schnelltests
Ulrike Purz, Leiterin der Gesamtschule Buer-Mitte und Schulformsprecherin, begrüßt, dass auch die engen Kontaktpersonen an weiterführenden Schulen zunächst in Quarantäne sollen, entgegen den ursprünglichen Vorstellungen von NRW-Ministerin Gebauer. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass einige der Schülerinnen und Schüler, die wir aufgrund von räumlicher Nähe mit nach Hause geschickt und dem Gesundheitsamt gemeldet haben, kurze Zeit später auch positive Testergebnisse hatten.“
Tatsächlich ist die Situation an weiterführenden Schulen eine andere als Grundschulen. Zum einen in Bezug auf die Folgen einer Quarantäne für die Schüler und für Eltern, aber auch, weil an weiterführenden Schulen mit den weniger zuverlässigen Schnelltests gearbeitet wird.
Update: Am Dienstagabend kündigte Gesundheitsminister Laumann an, dass die neuen Quarantäne-Regeln für Schulen in NRW bis zum Wochenende in Erlassen festgeschrieben und veröffentlicht würden. Dabei war im Gegensatz zum in Bund abgesprochenen Kompromiss von Quarantäne „zumeist nur für die infizierten Kinder“ und dafür im Gegenzug vermehrten Tests die Rede. Auf klare Regeln müssen die Akteure somit offenbar erneut warten.