Oberhausen. Diana ist mit der Krankheit Morbus Blount geboren. Eines Tages konnte sie nicht mehr laufen. Doch ein Arzt des Friedensdorfes hat sie entdeckt.

Diana tanzt wieder. Erst langsam, dann mit der sich steigernden Musik immer schneller. Sie hüpft, zieht die Knie nach oben, dreht sich. Die anderen etwa 40 Kinder, die sich im – zur Aula umfunktionierten – Speisesaal des Friedensdorfes versammelt haben, schauen mit großen Augen zu und klatschen im Takt. Als Diana zurück zu ihrem Stuhl läuft, lacht sie vor Freude. Es ist ihre Abschiedsparty aus Oberhausen.

Diana ist 12 Jahre alt. Sie leidet an Morbus Blount – einer Krankheit, die dazu führte, dass ihre Unterschenkelknochen an beiden Beinen schief gewachsen sind. Typisch für diese Krankheit sind stark ausgeprägte O-Beine. Diana ist in Luanda geboren, der Hauptstadt von Angola, im Süden Afrikas. Dort tritt Morbus Blount besonders häufig auf. Ihre Eltern konnten sich die Behandlung nicht leisten. Im November 2020 wurde sie nach Deutschland geflogen und operiert. In mühevollen und kleinen Etappen kämpfte sie sich zurück ins Leben – und lernte wieder laufen.

Nachdem die Krankheit ausbrach, ist ihr Vater nicht mit ihr zum Arzt gegangen

Sie hat die Krankheit schon von Geburt an. Sie brach aber erst aus, nachdem sie gelernt hatte zu laufen. „Als ich gewachsen bin, wurden meine Beine immer krummer“, sagt Diana. Sie spricht ziemlich gut Deutsch, dafür, dass sie nur einige Monate in Oberhausen gelebt hat. Ihr Vater wollte anfangs nicht mit ihr zum Arzt gehen. Doch dann entzündete sich das Bein, Diana hatte so starke Schmerzen, dass ihre Mutter sie ins Krankenhaus brachte.

Diana im Friedensdorf, einige Tage vor ihrem Abschiedstanz
Diana im Friedensdorf, einige Tage vor ihrem Abschiedstanz © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Nach der ersten Behandlung in Luanda konnte sie sich nur im Rollstuhl fortbewegen. Es war schwierig für sie, allein den Rollstuhl anzuschieben. Ihre beiden Geschwister haben sie unterstützt, haben sie mitgenommen zum Spielen. „Es war traurig zu sehen, wie die anderen Kinder Fußball spielen und ich im Rollstuhl sitzen musste,“ sagt sie einen Tag vor ihrer Abschiedsparty auf dem Spielplatz des Friedensdorfes.

Als sie zuletzt ins Friedensdorf kam, konnte sie nur humpeln und hatte O-Beine

Ein Arzt vom Friedensdorf hat sie in Luanda entdeckt und sie für eine weitere Behandlung nach Deutschland mitgenommen. Insgesamt wurde sie drei Mal operiert. Im November 2020 kam sie zuletzt nach Oberhausen ins Friedensdorf. Kurz darauf, im März 2021 wurde sie in Oldenburg operiert. Die Ärzte setzten ihr eine Metallspange ein, die den Knochen noch weiter begradigen sollten. „Als sie im November zu uns kam, ist sie noch gehumpelt, hatte O-Beine und konnte nicht gut rennen“, sagt die Leiterin der Reha des Friedensdorfes, Dr. Katrin Huskamp.

In den Tagen vor der Operation ist sie nervös. Bei ihrer Betreuerin, Lena Nolden, erkundigt sie sich immer wieder, wie lange die OP dauern werde, ob es weh tun werde, wann sie endlich wieder laufen könne. Die Kinder im Friedensdorf dürfen nicht mit ihren Familien telefonieren. Grund: Nicht alle Eltern haben ein Telefon. Das Friedensdorf will alle Kinder gleich behandeln. Zudem versprechen einige Eltern am Telefon, nach Deutschland zu kommen, können es aber dann nicht einlösen – eine zu große Enttäuschung für die Kinder.

Diana muss nach der Operation wieder Muskeln aufbauen

Nach der Operation in Oldenburg kam sie zur Reha wieder ins Friedensdorf. Katrin Huskamp, sagt: „Es ist sehr wichtig, dass man die Krankheit behandelt, sonst steigert sich der Druck auf das Gelenk immer weiter, bis die Kinder Arthrose bekommen und gar nicht mehr laufen können.“ In Deutschland werde die Krankheit in aller Regel viel früher erkannt und verursache dann kaum Probleme. „Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. So läuft das in Angola leider nicht“, sagt Huskamp.

Wie arbeitet das Friedensdorf?

Friedensdorf International e.V. ist eine Einrichtung in Oberhausen und Dinslaken, die sich um kranke und verletzte Kinder aus Kriegs- und Krisengebieten kümmert. Der Verein fliegt Kinder nach Deutschland ein, versorgt sie in ihren Unterkünften und plant Operationen in Krankenhäusern in ganz Deutschland. Nach der Behandlung kehren die Kinder zurück zu ihren Familien.Der Verein wurde gegründet von Bürgern aus Oberhausen im Juli 1967. Schon ab Dezember des gleichen Jahres kamen Jungen und Mädchen aus Vietnam, die an Napalmverbrennungen oder Polio litten. 1972 lebten 130 Kinder und Jugendliche aus Vietnam im Friedensdorf.

In den ersten Wochen nach der Operation ist das Wichtigste, dass die Wunden gut verheilen. Sechs lange Wochen durfte sie ihr linkes Bein, das operiert wurde, nicht voll belasten. Danach hat sie in der Reha wieder die Muskeln im Bein gestärkt: angefangen mit Murmeln, die sie mit nackten Füßen greifen musste, später Übungen mit Stretch-Bändern, und dann auf dem Fahrrad-Ergometer.

Wenn Diana erwachsen ist, möchte sie Medizin studieren

„Sie ist richtig aufgeblüht, als sie wieder normal laufen konnte“, erzählt ihre Betreuerin Lena Nolde. Sie ist dann wieder mit den anderen Kindern über den Dorfplatz des Friedensdorfes geflitzt, hat Fußball gespielt. Und hat angefangen zu tanzen, was sie besonders liebt.

Anfang Juli konnte sie wieder nach Hause zu ihrer Familie fliegen. Bisher ist noch nicht klar, ob sie wieder nach Oberhausen zurück muss, damit der Metallspange aus ihrem Bein entnommen werden kann oder ob der Eingriff auch in Luanda durchgeführt werden kann. „Wenn ich groß bin, möchte ich Ärztin werden“, sagt sie. „Ich will auch operieren. An kranken Beinen von Kindern.“