Oberhausen. Das Oberhausener Friedensdorf will im Sommer einen eigenen OP-Saal eröffnen. Es ist auch eine Reaktion auf den Kostendruck in Krankenhäusern.

Seit den ersten Corona-Fällen in Deutschland wird viel darüber diskutiert, ob Versorgungsstrukturen wie Intensivbetten wirklich auf Kante genäht sein sollten, damit Kliniken möglichst wirtschaftlich aufgestellt sind. Dass Krankenhäuser mehr und mehr den Wandel zu möglichst effizienten Gesundheitsunternehmen vollzogen haben, hat nicht zuletzt auch große Auswirkungen auf das Oberhausener Friedensdorf gehabt. „Vor 20 Jahren sagte ein Chefarzt: Kommt rein, liebe Kinderlein“, erinnert sich die langjährige Mitarbeiterin Claudia Peppmüller. „Heute gibt es immer weniger Kliniken, die sich bereit erklären, unseren Kindern eine kostenlose medizinische Behandlung zu ermöglichen.“

OP-Saal und neues Rehazentrum im Friedensdorf sind bald einsatzbereit

Der wachsende Kostendruck in den Kliniken hat das Friedensdorf-Team auf eine Idee gebracht: Was, wenn die kranken und verletzten Kinder, die aus Krisen- und Kriegsregionen eingeflogen werden, künftig direkt im Friedensdorf operiert werden? So soll es ab Sommer 2021 nun tatsächlich in einem neuen Gesundheitskomplex geschehen. Der professionell ausgestattete Operationssaal steht bereits. Und auch ein neues Rehazentrum ist im Geschoss darüber entstanden. Gerade läuft der Umzug, demnächst soll hier die tägliche Rehabilitation der Kinder offiziell starten.

In diesem Operationssaal sollen bald ehrenamtlich arbeitende Ärzte operieren.  
In diesem Operationssaal sollen bald ehrenamtlich arbeitende Ärzte operieren.   © Friedensdorf Oberhausen | Claudia Peppmüller

Die Kosten für den Komplex, den Abriss des alten Reha-Gebäudes und die Erneuerung der Heizungsanlage: Über drei Millionen Euro. Das Geld kommt aus ganz unterschiedlichen Quellen - von einer Benefizaktion des Bayerischen Rundfunks („Sternstunden“ ), dem „Förderkreis Kriegskinder e.V.“, Lions- und Rotaryclubs sowie zahlreichen Privatpersonen. Eine Firma schenkte dem Friedensdorf eine Lampe für den OP, eine andere stellte ein Röntgengerät zur Verfügung.

Kliniken übernehmen große Operationen, das Friedensdorf macht kleine Eingriffe

Auf die Kooperationen mit Krankenhäusern wird das Friedensdorf trotz des eigenen Operationssaals nicht verzichten können. „Große Eingriffe, für die man auch eine Blutbank benötigt, können wir hier sicher nicht leisten“, sagt Claudia Peppmüller. Realistisch sei dagegen die Entfernung eines Fixateurs, der bei der Ruhigstellung von Knochenbrüchen durch die Haut befestigt wird.

Reinhard-May-Song sorgte für Spenden

Mitte 2020 schlug das Friedensdorf noch Alarm: Die Spendengelder seien knapp, wegen Corona hielten sich viele Menschen zunächst zurück. „Ich dachte,“ erinnert sich Mitarbeiterin Claudia Peppmüller, „bald ist es vorbei.“

Aber gegen Weihnachten wurde das Team dann noch einmal überrascht und erhielt viel mehr Spenden als gewöhnlich. „Da viele nicht verreisen konnten, haben die Leute offenbar viel mehr gespendet.“

Für zusätzliche Spendenbereitschaft wird die die Neuauflage des Anti-Kriegs-Songs „Nein, meine Söhne geb’ ich nicht“ von Reinhard Mey und zahlreichen weiteren Künstlern gesorgt haben (allein über 3 Millionen Klicks auf Youtube). Mit Veröffentlichung des Liedes baten die Künstler um Spenden für das Friedensdorf.

Auch Kindern, die nach einem Jahr ins Friedensdorf zurückzukehren, weil ihnen zum Beispiel ein Metallimplantat entfernt werden muss, könnte man künftig direkt helfen. „Man kann sich das vorstellen wie einen ambulanten Operationsraum“, sagt Peppmüller. Übernommen werden sollen die Arbeiten von ehrenamtlichen Ärzten. „Die waren geradezu neidisch, als sie unseren neuen OP gesehen haben und sagten: Wow, so einen großen Saal wollen wir auch.“

Kinder von Friedensdorf sollen sich nicht zu sehr an Deutschland gewöhnen

Das Friedensdorf kooperiert gewiss nicht nur mit Kliniken im Ruhrgebiet. Die Kinder müssen teils bis zum südlichsten Bayern oder östlichsten Sachsen gebracht werden - für manch einen jungen Patienten eine Tortur und organisatorisch ein großer Aufwand. Aber nicht nur deswegen sieht Claudia Peppmüller im eigenen Operationssaal weitere Vorteile. „Die Kinder bekommen auch nicht so viel mit von Deutschland, wenn sie künftig bei uns behandelt werden.“ Das sei deshalb ein Vorteil, weil man die Mädchen und Jungen nicht groß ins deutsche System integrieren wolle. „Sie sollen sich ja auch wieder auf ihre Heimat freuen und hier nicht verhätschelt werden.“

Claudia Peppmüller vom Friedensdorf: „Die Kinder sollen sich auch wieder auf ihre Heimat freuen und hier nicht verhätschelt werden.“
Claudia Peppmüller vom Friedensdorf: „Die Kinder sollen sich auch wieder auf ihre Heimat freuen und hier nicht verhätschelt werden.“ © Friedensdorf International

Durchschnittlich sechs Monate bleiben die Kinder im Friedensdorf, rund 200 Kinder wohnen hier in normalen Zeiten. Aber es sind keine normalen Zeiten. Vor Corona flog das Friedensdorf-Team zweimal nach Zentralasien, um Kinder aus Tadschikistan, Afghanistan, Usbekistan und Kirgistan aufzunehmen. Zweimal ging auch der Flieger nach Angola in Südwest-Afrika. Die pandemiebedingten Reisebeschränkungen haben diese Pläne natürlich stark durcheinandergebracht, wie Peppmüller erzählt. „Aktuell haben wir deswegen nur 51 Kinder in Betreuung“, sagt die 51-Jährige.

Von Corona selbst sei der „Riesen-Haushalt“ im Dorf jedoch bislang größtenteils verschont geblieben, auch auf ehrenamtliche Helfer verzichte man für konsequente Kontaktbeschränkung aktuell möglichst. Lediglich ein Kind aus Angola sei nach seiner Ankunft positiv getestet worden, mit einer schnell durchgesetzten Quarantäne habe man jedoch eine Ansteckung verhindern können. „Bis jetzt“, resümiert Peppmüller, „sind wir zum Glück sicher durchgekommen.“