Oberhausen. Der Wille ist groß, die Dosen sind da: Doch die dritten Corona-Impfungen in den Oberhausener Seniorenheimen kommen kaum voran – da Ärzte zögern.
Die Entscheidung ist gefallen: Die europäische Arzneimittelbehörde EMA befürwortet ab sofort sogar schon eine dritte Corona-Schutzimpfung mit einem mRNA-Vakzin für alle ab 18 Jahren. Auch in Oberhausen sind zumindest Booster-Impfungen für Senioren und einige Risikopatienten gestartet – doch dies keineswegs reibungslos und in einigen Häusern bis heute nur im Schneckentempo, weil viele Hausärzte noch zögern. Ein Zwischenstand.
Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern hatten die Auffrischungsimpfungen für Senioren und Immungeschwächte vor rund fünf Wochen beschlossen – einmal mehr ohne eine Entscheidung der Ständigen Impfkommission (Stiko) abzuwarten. Inzwischen zog die Stiko zwar nach, beschränkt ihre Empfehlung für eine dritte Impfung aber auf Patienten mit geschwächtem Immunsystem (etwa nach Organ-Transplantationen). Ein generelles Okay für Senioren liegt bis heute nicht vor.
Dennoch starteten auch in Oberhausen die Impfungen zuerst für Bewohnerinnen und Bewohner sowie für Beschäftigte von Pflegeeinrichtungen. Medizinisches Personal und Über-60-Jährige können sich ebenfalls mit einem Mindestabstand von sechs Monaten zur zweiten Impfung erneut durch ihre Hausärzte piksen lassen. Doch Anfang September geriet die Aktion nach 90 Auffrischungsimpfungen im ASB-Seniorenzentrum in Holten erstmals gewaltig ins Stocken.
Neun geimpften Seniorenheim-Bewohnern ging es schlecht
Denn drei Tage nach diesen Impfungen waren bei neun Senioren Herz-Kreislauf-Beschwerden, Atemwegs- und neurologische Störungen aufgetreten. Zwei Bewohner der Einrichtung des Arbeiter-Samariter-Bundes mussten wiederbelebt werden.
Inzwischen steht fest: „Es gibt keinen Zusammenhang mit der Booster-Impfung“, betont Dr. Peter Kaup, Vorsitzender der Ärztekammer-Kreisstelle Oberhausen. Dies bestätigt auch Stadtsprecher Frank Helling für den Krisenstab auf Nachfrage. Im Zuge der Booster-Impfungen sei es in Oberhausen auch zu keinem weiteren Vorfall dieser Art gekommen. In den Alteneinrichtungen der Stadt (Haus Bronkhorstfeld, Louise-Schroeder-Heim, Seniorenresidenz am Olga-Park) zeige ein Großteil der Senioren ein ungebrochen starkes Interesse. „In etlichen Fällen ist die dritte Impfung durch die Hausärzte bereits durchgeführt worden.“
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Doch in vielen anderen Oberhausener Einrichtungen erweist sich die fehlende Stiko-Empfehlung als Hindernis. „In unserem Haus haben bei einer fast 100-prozentigen Impfbereitschaft der Bewohnerinnen und Bewohner, die allesamt vollständig geimpft sind, bislang nur rund 25 Prozent eine Auffrischungsimpfung erhalten“, sagt Stefan Welbers, Leiter des Seniorenzentrums „Gute Hoffnung leben“.
Stefan Welbers vertritt die Seniorenheime auch im Krisenstab der Stadt. Er stellt besorgt fest: „Der überwiegende Teil der für diese Impfungen zuständigen Hausärzte hält sich zurück, eben weil für nicht immungeschwächte Senioren noch keine Stiko-Empfehlung vorliegt“.
Ein ähnliches Bild in vielen Einrichtungen der Stadt
Ähnlich sehe es bei den Beschäftigten seines Hauses aus. „Eine Abfrage in unserer Einrichtung letzte Woche ergab ebenfalls eine nahezu 100-prozentige Auffrischungsimpfbereitschaft, aktuell sind in unserer Einrichtung 98 Prozent der Beschäftigten zweimal geimpft.“ Aber leider liege auch für diese Berufsgruppe noch keine Empfehlung der Stiko für eine dritte Impfung vor. Welbers fragt deshalb: „Soll ich als Arbeitgeber ein Drittimpfangebot für meine Mitarbeiter über den Betriebsarzt planen? Und dafür die Verantwortung übernehmen? Was ist, wenn es zu einem Zwischenfall kommt?“ Der regelmäßige Austausch mit anderen stationären Pflegeeinrichtungen in der Stadt zeige ein ähnliches Bild. Welbers wünscht sich dringend mehr Einigkeit zwischen Politik und Experten – und für Oberhausen: „Vor allem den erneuten Einsatz der mobilen Impfteams, denn dann wären alle Senioren auch rasch zum dritten Mal geimpft.“ Doch das sei bislang leider wohl nicht geplant.
Impfschutz für Ältere sinkt schneller
Daten aus Großbritannien und Israel zeigen, dass der Impfschutz bei Älteren stärker schwindet und dass das Risiko zu erkranken größer wird, je länger die Impfung zurückliegt. Bei Immungeschwächten ist deshalb eine Drittimpfung bereits nach vier Wochen möglich.In Israel zeigt die dritte Impfung für alle Wirkung. Zugelassen dafür ist bislang nur der Wirkstoff von Biontech. Nach Höchstständen im August sind die Infektionszahlen rapide gesunken.
Aber es geht auch anders. So sagt etwa Alexander Bätz, Sprecher der Emvia Living GmbH, zu der auch der Senioren-Wohnpark in Oberhausen gehört: „Unsere Einrichtungen in der Region haben in den vergangenen vier Wochen die Auffrischungsimpfung gegen Covid erfolgreich organisiert.“ Der Zuspruch bei den Senioren und ihren Angehörigen sei dabei so groß gewesen, dass Emvia insgesamt eine Impfquote von 95 Prozent erreicht habe. „Auch rund 87 Prozent unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben die Auffrischungsimpfung bereits erhalten.“ Allesamt hätten die Impfung gut vertragen. Der besondere Dank des Trägers gelte dabei den Hausärzten. „Sie haben die Impfung in unseren Einrichtungen durchgeführt und uns engmaschig unterstützt“, betont Emvia-Geschäftsführer Prof. Parwis Fotuhi. Zur Emvia-Gruppe zählen ebenfalls die Senioren-Wohnparks in Büren und Arnsberg sowie Koppenbergs Hof und Flora Marzina in Herne und die Amarita in Datteln.
Booster-Impfungen sollten vor allem ein gutes Mittel bleiben, um besonders gefährdete Menschen zu schützen, meint Peter Kaup. Für den Allgemeinmediziner gehören Senioren und Pflegekräfte zwar unbedingt dazu. Doch der KV-Sprecher stellt in Frage, ob es zu diesem Zeitpunkt tatsächlich schon eine dritte Impfung für alle geben muss, „während die Menschen in vielen Ländern nicht einmal ihre erste Impfung erhalten haben“. Weltweite rasche Impfaktionen aber seien der einzige Schutz vor weiteren Mutationen. „Und damit davor, dass die Mittel, die wir haben, auch uns in Oberhausen weiterhin so gut vor einem schweren Coronaverlauf bewahren.“