Gelsenkirchen. Ein Test zeigt: In wenigen Minuten steht man mit Händlern in Kontakt, die gefälschte Impfpässe anbieten. Fallen die Fakes in den Apotheken auf?
Führt der wachsende Druck auf Ungeimpfte durch bald kostenpflichtige Schnelltests und die Ausweitung der 2G-Regel dazu, dass immer mehr Menschen eine Straftat in Kauf nehmen und sich einen gefälschten Impfpass anfertigen lassen? Einen solchen gefälschten Pass zu bestellen ist jedenfalls erschreckend leicht. Wir machen den Test – und stehen innerhalb weniger Minuten mit einem Händler in Kontakt.
Mit nahe liegenden Suchbegriffen lässt sich so ein Händler schnell über Telegram finden. Die Chat-App ist nicht nur bei denjenigen beliebt, die für Schnellnachrichten auf dem Smartphone keinen Facebook-Dienst wie Whatsapp nutzen wollen, sie hat auch Konjunktur bei Querdenkern und Impfgegnern. Fruchtbarer Boden also für einen Handel mit Fake-Impfbüchern.
Impfpass-Händler ist im Darkweb noch einfacher zu finden
„Kann man bei dir einen Impfpass mit Biontech bestellen? Lieferst du auch nach Gelsenkirchen?“, fragen wir. Fünf Minuten später kommt die Antwort: „Beides kein Problem.“ Allerdings wird uns empfohlen, die Bestellung nicht über Telegram abzuschließen, sondern die Website des Händlers zu besuchen. Sie wirkt wie ein herkömmlicher Online-Shop – nur werden hier eben gefälschte Dokumente angeboten. Die Preise: 150 Euro für einen Impfpass, in dem eine doppelte Biontech-Impfung eingetragen wurde. Nur zur Erinnerung: Eine Impfung gibt es kostenlos und inzwischen auch ohne Termin.
Das sagt die Polizei zu den Impfpass-Fälschungen
Schwer zu ermitteln ist, wie weit verbreitet Impfpass-Fälschungen in Deutschland insgesamt sind. Die Kölner Polizei geht bereits seit Mai mit einer eigenen dreiköpfigen Ermittlungsgruppe mit Namen „Stempel“ gegen Fälscher von Impfnachweisen vor. Der Polizei Gelsenkirchen liegen „keine Strafanzeigen wegen gefälschter Impfpässe vor“, teilte man dort auf Nachfrage mit. „Sollten wir Hinweise auf etwaigen Handel mit solchen erhalten, gehen wir diesen natürlich nach.“ Schätzungen darüber, wie viele gefälschte Pässe im Umlauf sind, könne man nicht geben.
Einfach zu finden ist der kriminelle Shop auch im Darkweb. Mit dem Tor-Browser, über den das anonyme Surfen im Netz möglich ist, suchen wir per Suchmaschine „DuckDuckGo“ nach Möglichkeiten, ausgefüllte Impfhefte zu kaufen. Die Website des Telegram-Händlers wird direkt als erstes Suchergebnis angezeigt – bei Google etwa ist das nicht der Fall. Um eine Website, die nur über das Darkweb erreichbar ist, handelt es sich bei dem Shop allerdings nicht. Kennt man den Link, lässt er sich überall aufrufen.
Warum Impfausweise so einfach zu fälschen sind
Bezahlt wird ausschließlich mit Kryptowährungen wie Bitcoins. Aber wir bekommen Links zugeschickt, um unkompliziert Krypto-Gutscheine kaufen zu können. An die Bitcoin-Börse müssen wir also nicht.
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Impfausweise sind so leicht zu fälschen, weil sie keine Sicherheitsmerkmale wie Wasserzeichen besitzen. Die Schwarzmarkthändler müssen also lediglich einen Weg finden, Pass, Stempel und Aufkleber zu kopieren, seinen Namen kann man hinterher selbst handschriftlich eintragen. Die Urkundenfälschung, die die Verkäufer damit begehen, kann eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren nach sich ziehen. Strafbar macht sich aber nicht nur der Händler, sondern auch derjenige, der das gefälschte Dokument nutzt.
Apotheker-Sprecher: „Wir bekommen ja nur ein Papier vorgelegt“
Wir fragen den Händler noch einmal: „Ist das auch sicher?“, „das ist Original“, versichert er. Sollte dies stimmen, hätte man mit dem Fake-Pass auch keine Probleme, einen digitalen Nachweis in der Apothekedigitalen Nachweis in der Apotheke zu erhalten. „Das Problem ist, dass die Daten über die Impfung nirgendwo hinterlegt sind, worauf wir zugreifen können. Es gibt keine Datenbank, die abgleicht, ob jemand wirklich dort geimpft wurde, wo er laut Impfpass seinen Piks erhalten hat“, erläutert Christian Schreiner, Sprecher der Gelsenkirchener Apotheker. „Wenn man den Impfpass elektronisch auslesen könnte, wäre die Fälschung einfacher zu erkennen. Aber wir bekommen ja nur ein Papier vorgelegt. Da können Sie alles mit machen.“
Eine erkennbare Fälschung untergekommen sei ihm jedoch noch nicht, sagt Schreiner. „Aber ich prüfe immer alles auf Plausibilität.“ Heißt: Sollte etwa die Zweitimpfung laut Pass wo ganz anders durchgeführt worden sein als die erste, wird der Apotheker skeptisch. Abgelehnt hat Schreiner es bislang allerdings nur selten, einen QR-Code für einen Kunden auszustellen, wie er erzählt. Diese Fälle könne er an einer Hand abzählen. [Lesen Sie auch: Digitaler Impfpass: Diese Gelsenkirchener Apotheken machen mit]
Auch gefälschte Testergebnisse sind ein Problem
Ein Problem sind nicht nur gefälschte Impfausweise. Auch gefälschte Corona-Testergebnisse lassen sich mit wenigen Handgriffen über Bildbearbeitungsprogramme nachstellen. In Essen zog zuletzt der gefälschte Corona-Test einer Prostituierten strafrechtliche Ermittlungen nach sich. Auch Prof. Ulf Dittmer, Chef-Virologe der Uniklinik Essen, zeigte sich zuletzt im Gespräch mit der WAZ alarmiert: „Mir wird leider immer mehr zugetragen, dass es einen zirkulierenden Markt mit gefälschten Testergebnissen gibt.“